Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Von Waltersdorf in die Welt

Wissenschaftler in aller Welt, aber auch Schlesier trauern um Günter Blobel. Der aus Schlesien stammende Forscher und Nobelpreisträger starb am 18. Februar nach schwerem Krebsleiden im Alter von 81 Jahren in New York.

 

Prof. Günter Blobel Foto: Masur/Wikimedia Commons

Günter Blobel wurde am 21. Mai 1936 als fünftes Kind im schlesischen Waltersdorf (Niegosławice) im Kreis Sprottau geboren. 1945 musste die Familie Blobel – wie viele tausend andere Familien auch – aus ihrer angestammten Heimat fliehen und fanden in einem Dorf in der Nähe vom damals noch unzerstörten Dresden Zuflucht, von wo aus sie am 13. Februar 1945 die Bombardierung Dresdens durch die britische und amerikanische Luftwaffe miterleben mussten. „Ich habe als Achtjähriger Dresden in seinen letzten Tagen des Glanzes gesehen“, sagte der Forscher einmal. Das menschliche Drama wurde erst durch die Erinnerungen von Günter Blobel offenbar: „Ich sah die Zerstörung, das hinterließ einen schrecklichen Eindruck bei mir.“ Später siedelte die Familie nach Freiberg in Sachsen über, wo Günter Blobel aufwuchs und am Geschwister-Scholl-Gymnasium 1954 das Abitur ablegte. Wegen seiner bürgerlichen Herkunft – der Vater war Tierarzt – durfte Günter in der DDR nicht Medizin studieren, deshalb ging er in die Bundesrepublik.

Günther Blobel studierte Medizin in Frankfurt am Main, München und Kiel. Sein Examen machte er in Tübingen, ebenso seine medizinische Doktorarbeit. Später studierte er in den USA. Chemie und promovierte ein zweites Mal. Er wechselte an die renommierte Rockefeller University, wo er 1967 seine wissenschaftliche Karriere mit einem Forschungsaufenthalt startete. Dort lernte er die Kunsthistorikerin und Restaurant-Betreiberin Laura Maioglio kennen – seine spätere Ehefrau.

Blobel war Mitglied der National Academy of Sciences der USA. und anderer angesehener Wissenschaftsgesellschaften. 1987 nahm der gebürtige Schlesier die amerikanische Staatsbürgerschaft an und betonte: „Ich fühle mich weiter als Deutscher“ und blieb somit seiner Heimat verbunden.

Eine Reihe Auszeichnungen wurden ihm zuteil, so bekam er u.a. 1992 den Max-Planck-Forschungspreis, 1993 den Albert Lasker-Preis. Seine größte Auszeichnung erhielt er 1999, als er mit dem Nobelpreis der Medizin für seine Erforschung von Erbkrankheiten ausgezeichnet wurde. In jahrelanger Forschung fand er die Lösung eines medizinisch interessanten Transportproblems heraus, das die Hoffnung auf neue Therapien gibt. Blobel formulierte die so genannte Signalhypothese, wonach Proteine (Eiweiße) eine Aminosäuresequenz besitzen, die sie, ähnlich wie eine Postleitzahl, zu den Membranen dirigiert und auch zum Ziel hilft. Damit kann der Mechanismus von Erbkrankheiten erklärt werden, die auf fehlerhaften Transport von Proteinen beruhen. So trug Günter Blobel entscheidend dazu bei, die ständige Selbsterneuerung des Lebens in Zellen besser zu verstehen. Blobel sei eine Wissenschaftsikone, die einen außerordentlichen Beitrag für die Grundlagen der Zellbiologie und Biochemie geleistet habe, hieß es in einer Mitteilung des Präsidenten der New Yorker Universität, Richard Lifton.

Die Bilder des lebendigen, historischen Dresdens ließen ihn nie wieder los. Trotz seiner knappen Freizeit zählte er zu den engagiertesten Förderern des Wiederaufbaus der Dresdner Frauenkirche. Als Präsident des von ihm 1995 gegründeten Vereins „Friends of Dresden“ (Freunde von Dresden) mit Sitz in New York warb er in der US-Öffentlichkeit um Unterstützung für die kostspielige Rekonstruktion der im Krieg zerstörten Frauenkirche. Als ihm der Nobelpreis zuteilwurde, spendete er 820.000 Euro vom Preisgeld für den Wiederaufbau. Im Jahr 2000 wurde Blobel Ehrensenator der Technischen Universität Dresdens und bekam das Ehrenbürgerrecht der Stadt Freiberg verliehen, 2001 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Seit dem 10. Mai 2004 trägt ein Gebäude der TÜV-Schule in Görlitz seinen Namen, somit wird wenigstens eine Erinnerung an Schlesien in Schlesien wachgehalten.

Michael Ferber

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