Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Warnschuss für Deutschland

Das Wetter wird wärmer, die Heizung darf ausgeschaltet bleiben: Nicht nur wegen des nahenden Sommers hat Polen gelassen auf die kurzfristige Ankündigung Russlands reagiert, die Gaslieferungen einzustellen.

Das heiße politische Thema für viele europäische Länder ist gerade russisches Gas. Spätestens seitdem Russland sein Nachbarland und selbsterklärtes Brudervolk — die Ukraine — angegriffen hat, will Europa unabhängig von Russlands fossilen Brennstoffen werden. Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck ist auf der Suche nach alternativen Lieferanten für Öl zuletzt nach Katar gereist. Ein Stopp russischer Gasimporte wurde heftig debattiert. Unter anderem wohl aus Rücksicht auf Unternehmen wie BASF, die für diesen Fall vor riesigen Versorgungsproblemen und schweren wirtschaftlichen Folgen warnen, hat die Bundesregierung bislang keine Entscheidung getroffen. Noch fließt das Gas und Deutschland bezahlt täglich hohe Millionenbeträge an Russland.

Kein Gas mehr aus Russland
Nun hat Wladimir Putin einen Warnschuss in Richtung des restlichen Europa gefeuert: Polen und Bulgarien bekommen seit vergangenem Mittwoch vom russischen Staatsunternehmen Gazprom kein Gas mehr geliefert. Die Yamal- und die Turkstream-Pipeline, über die Polen beziehungsweise Bulgarien vor allem beliefert wurden, sind leer.
Für den polnischen Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sęk ist das aber kein Grund zur Sorge. Polen habe sich bereits seit 2015, nachdem Russland die Krim annektiert hatte, auf ein Embargo vorbereitet, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ein Fünftel des Gasbedarfs komme inzwischen aus Eigenproduktion; zudem werde im Herbst eine neue Gasleitung in Betrieb genommen: Die sogenannte Baltic Pipe soll dann Erdgas aus Norwegen nach Polen liefern.

Zudem ist die Situation für ein Gasembargo momentan nicht übermäßig schlimm: Mit steigenden Temperaturen im Mai und den Sommermonaten wird sich zumindest der Gasbedarf der Privathaushalte stark reduzieren. Außerdem sind die Gasspeicher gut gefüllt: Aktuell zu 76,5 Prozent. Anfang Mai des vergangenen Jahres waren die Speicher erst zu knapp 40 Prozent voll. Das dürfte auch daran liegen, dass Polen dieses Jahr nach den heiz-intensiven Wintermonaten nicht gewartet hat, bis die Speicher fast leer sind. Es hat stattdessen schon Ende Februar damit begonnen, die Speicher zügig wieder zu füllen.

Deutschland ist abhängig
Etwas anders stellt sich die Situation für Deutschland dar. Die Speicher sind nur zu einem Drittel gefüllt: Das ist zwar etwas mehr als vor einem Jahr. Im Falle eines Lieferstopps durch Russland steht Deutschland dennoch schlechter da als Polen. Auch, weil für Deutschland kurzfristig kaum Alternativen in Sicht sind. Vergangene Woche kam durch Recherchen des ZDF-Magazins „frontal“ heraus, dass auch die hastig geplante Reduzierung der Käufe von russischem Gas bis 2024 wackelt. Deutschland habe vor vielen Jahren langfristige Verträge mit Gazprom abgeschlossen, die zum Großteil bis zum Jahr 2030 weiterliefen. Wenn Deutschland 2024 kein russisches Gas mehr kaufen sollte, müsste es dennoch weiterhin für die vereinbarten Mindestmengen Gas bezahlen.
Die deutsche Politik hat, anders als die polnische, bis zum Russland-Ukraine-Krieg keine ernsthaften Bemühungen unternommen, die Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu verringern. Es bleibt abzuwarten ob der aktuelle Versuch gelingt, Gas über mobile Flüssiggas-Terminals auf Spezialschiffen zu beziehen, um kurzfristig Abhilfe zu schaffen.

Moritz Zajonz

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