Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Wir sind Partner“

Nach vier Jahren Dienstzeit verabschiedet sich Hans Jörg Neumann, Deutscher Generalkonsul in Breslau, von seinem Amt und tritt in den Ruhestand. Rudolf Urban hat mit ihm gesprochen – nicht nur über die letzten vier Jahre.

 

Sie haben sich Ende letzter Woche in Oppeln unter anderem von der deutschen Minderheit verabschiedet, da Ihre Dienstzeit zu Ende geht. Wollten Sie selbst in den Ruhestand gehen?

Von wollen kann keine Rede sein, denn ich habe in den vergangenen Jahren die Region hier lieb gewonnen – und habe viel gelernt. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich gewiss noch ein oder zwei Jahre in Breslau bleiben wollen, aber, anders als in Polen, ist es nach deutschem Recht so: Wenn man das Pensionsalter erreicht, dann fällt das Fallbeil und man muss in Pension gehen. Deshalb werde ich schweren Herzens meinen Posten an meinen Nachfolger übergeben und mit vielen – fast ausschließlich schönen – Erinnerungen zurück nach Deutschland reisen.

 

Bleiben wir bei den Erinnerungen. Was ist für Sie in den vier Jahren in Breslau das Besondere gewesen?

Das Besondere war für mich zu erleben, wie mittlerweile die Versöhnung zwischen Deutschland und Polen auch im Kleinen funktioniert. Mich hat sehr beeindruckt, dass ich viele Amtsträger kennengelernt habe, die mittlerweile akzeptiert haben, dass diese Region viele Jahre deutsch war, und auch nicht mehr so tun, als hätte es seit Preußens Übernahme bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges hier keine Geschichte gegeben. Die Bürgermeister und andere Amtsträger sind bereit, das deutsche Kulturerbe mitzupflegen oder zumindest anzuerkennen, dass eben auch die Deutschen, die hier gewirkt haben, zur Region gehören. So ist es zum Beispiel mit dem Schriftsteller Gerhard Hauptmann, dessen Museum in Agnetendorf bei Hirschberg mittlerweile auch von Polen besucht wird. Man akzeptiert, er ist einer von hier und er ist Teil der niederschlesischen Geschichte. Oder wenn ich an die schlesischen Nobelpreisträger und die Universität Breslau denke. Deren Bilder hängen nun stolz in den Gebäuden der Universität, und der Rektor sagte zu mir: „Das sind unsere Nobelpreisträger“. Daran merke ich: Es ist etwas passiert, man akzeptiert die Geschichte und das war eine meiner schönsten Erkenntnisse.

Negativ habe ich gesehen, dass es leider immer noch einige Politiker gibt, die diese Versöhnung nicht mitgehen, die gegen alles Deutsche sind und die deutsche Minderheit als Prügelknaben ansehen. Ich nenne nur die Stichworte Schulunterricht oder die Sonderregeln für Minderheiten bei Wahlen. Ich finde es sehr traurig, dass wir immer noch Menschen haben, die gegen das deutsch-polnische Verhältnis arbeiten und nicht akzeptiert haben, dass zwischen Deutschland und Polen so viele Verbindungen herrschen – familiär, wirtschaftlich, partnerschaftlich und auch auf kommunaler Ebene.

Generalkonsul Jörg Neumann.

Ich denke aber, dass es hier viele Menschen gibt, die sich als Deutsche oder Polen fühlen, aber gleichzeitig auch als Europäer. So wie sich die Mitglieder der deutschen Minderheit völlig zurecht als Bürger Polens ansehen, gleichzeitig aber auch Deutschland zugehörig fühlen. Schade, dass es noch nicht von allen so gesehen wird.

 

Die letzten vier Jahre waren wegen der Coronapandemie nicht die einfachsten. Sie konnten deshalb auch nicht all Ihre Aufgaben wahrnehmen. Wie haben Sie selbst diese Zeit erlebt?

Sie haben völlig recht: Eine der Hauptaufgaben eines Generalkonsuls in seinem Amtsbezirk ist das Netzwerken, im Land zu reisen und mit den Verantwortlichen vor Ort zu sprechen, Öffentlichkeitsarbeit für die Bundesrepublik zu machen. Das wurde durch die Pandemie sehr eingeschränkt. Zumindest in den ersten eineinhalb Jahren konnte ich uneingeschränkt reisen, aber dann kam die Zeit der endlosen Videokonferenzen. Diese haben natürlich ihren Zweck, aber wir wissen alle: Das persönliche Treffen ersetzen sie nicht.

Seitdem wir nun wieder die Möglichkeit haben, zur alten Realität zurückzukehren, ist mein Kalender randvoll mit Terminen. Ich genieße das, weil das die eigentliche Arbeit des Leiters eines Generalkonsulates ist: Geh raus aus dem Konsulat, zeige Dich und suche den Kontakt. Deswegen war ich froh, dass ich einen ordentlichen Abschied nehmen konnte, zum Beispiel auch in Oppeln, sowohl im Konsulat als auch bei der deutschen Minderheit.

Ich weiß, es gibt in der Region noch sehr viel zu sehen, sodass ich nun als Tourist bestimmt oft wiederkommen werde.

 

Bleiben wir noch bei der deutschen Minderheit. Welche Bedeutung spielte sie denn in Ihrer Arbeit?

Als Generalkonsul bin ich auch für meine Außenstelle zuständig, denn nicht viele wissen, dass das Konsulat in Oppeln zu uns gehört. Also bin ich hier auch der Vorgesetzte. Aber ich bin sehr froh, dass ich mit Konsulin Birgit Fisel-Rösle in den vier Jahren eine ganz hervorragende Mitarbeiterin hatte, die mir viele Termine abgenommen hat. Ich bin wirklich froh, dass wir die Außenstelle in Oppeln haben, deren Existenz auch damit begründet ist, dass wir hier eine so große deutsche Minderheit haben. Denn es ist schon sehr ungewöhnlich, dass eine Stunde entfernt vom Generalkonsulat eine Außenstelle besteht.

Ich habe sehr enge Kontakte zur Minderheit gepflegt, habe unterschiedliche Veranstaltungen besucht und mich mit ihren Verantwortlichen ausgetauscht, sodass ich schon weiß, was die wichtigen Themen für die Minderheit sind, was sie bewegt und wo wir im Rahmen des Möglichen die deutsche Minderheit unterstützen können. Die deutsche Minderheit hat also für mich durchaus eine wichtige Rolle gespielt.

 

Sie blicken auf Ihr Berufsleben zurück, in dem sie an unterschiedlichen Orten der Welt waren. Wo war es denn am interessantesten?

Ich war an sieben Außenposten in sechs Ländern, denn zweimal war ich in den USA. Es waren so unterschiedliche Weltteile dabei wie Benin in Westafrika oder Kairo. Dann war ich ein Spezialist für Mitteleuropa, denn ich war in Bukarest stellvertretender Botschafter, später in Prag – und da war Breslau also auch eine wunderbare Abrundung für meine Arbeit in Mitteleuropa.

Ich kann nicht sagen, dass mir irgendeiner meiner Dienstposten nicht gefallen hätte. Natürlich sind die Aufgaben zum Beispiel in einem westafrikanischen Staat anders als in Kalifornien, wo ich in Los Angeles den Glamour von Hollywood miterlebt habe. Das waren alles wunderbare Posten, die ich nicht missen möchte. Aber ich muss auch sagen, dass die Zeit in Westpolen für mich sehr bereichernd war. Ich habe Polen und vor allem Schlesien so liebgewonnen, dass ich sagen kann: Breslau gehört in meiner Karriere zu einem wunderbaren Ort, den ich nicht vergessen werde.

Und vor allem habe ich in diesen Jahren ganz viel über das deutsch-polnische Verhältnis gelernt. Es wird zu Recht bemängelt, dass wir die westlichen Nachbarn sehr gut kennen, aber viele entdecken erst jetzt den östlichen Nachbarn. Dabei sind es zum Glück nicht nur Nostalgiker, die wegen der familiären Wurzeln hierherkommen, sondern sie sehen, welch tolles Land es ist. Ja, es gibt eine polnische Seele, die ein wenig anders ist als die deutsche, aber wir sind uns sehr ähnlich; und eines der Dinge, die ich gelernt habe, ist: Auch wenn wir Unterschiede haben, gehören wir doch gemeinsam in die Europäische Union. Wir sind Partner und suchen die Freundschaften.

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