Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Zeichen der Liebe

Anlässlich des Volkstrauertages veranstaltete der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) am 13. November in Oppeln eine ökumenische Andacht. Zeitgleich fand – wie jedes Jahr – auch im Deutschen Bundestag eine entsprechende Gedenkzeremonie statt. Hier wie dort standen die Ansprachen im Zeichen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Der strahlend blaue Himmel über Oppeln am vergangenen Sonntag und die recht warmen Novembertemperaturen mochten auf den ersten Blick so gar nicht zum Volkstrauertag passen, den man wohl eher mit Nebel, Düsternis und Kälte in Verbindung bringt. Man kann aber auch die Meinung vertreten, dass dieses Wetter geradezu perfekt für diesen stillen Feiertag ist – denn bei allem Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ist mit dem Volkstrauertag immer auch ein Stück Hoffnung verbunden.

„Zeit der Taten und der Werke“

Dieser Gedanke der Hoffnung kam auch bei der ökumenischen Andacht in der Oppelner Kirche des heiligen Sebastian zum Ausdruck, die von Wojciech Pracki, Pfarrer der Evangelisch-Augsburgischen Kirchengemeinde in Oppeln, und Pfarrer Andrzej Ochman, Kanzler der Diözesankurie des Bistums Oppeln, geleitet wurde.

Die Andacht in der Oppelner Kirche des heiligen Sebastian wurde von Andrzej Ochman (links) und Wojciech Pracki geleitet.
Foto: Lucas Netter

In diesem Sinne ging Wojciech Pracki in seiner Ansprache auf den Krieg in der Ukraine ein und bezeichnete die humanitären und militärischen Hilfsgüter für das kriegsgeplagte Land als „Zeichen der Liebe“. „Worte reichen nicht aus, Worte sind zu wenig. Es ist die Zeit der Taten und der Werke, in denen wir unsere Liebe und unsere Fürsorge für das ukrainische Volk zeigen“, so der Pfarrer. Man dürfe dabei aber nicht gleichgültig gegenüber den russischen Soldaten sein, die nicht selten zwangsrekrutiert seien und oftmals aus den Reihen ethnischer Minderheiten stammten.

Man erlebe derzeit eine Wiederholung der Geschichte, man sei erneut Zeuge von Hass und Vernichtung, sagte Pracki. Doch „das, was am wichtigsten sein soll, ist die Liebe. Liebe bedeckt Trauer, Liebe bedeckt Hass, Liebe bedeckt Angst“, betonte der Geistliche – und sagte zum Ende seiner Ausführungen: „Ich wünsche uns allen und mir selbst, dass wir Liebe lernen und Liebe zeigen – und dass die Liebe letzten Endes in Europa und in der Welt Erfolg hat.“

Wojciech Pracki während seiner Ansprache
Foto: Lucas Netter

Unter den Teilnehmern der Andacht waren auch der deutsche Konsul in Oppeln, Peter Herr, sowie der VdG-Vorsitzende Rafał Bartek. Letzterer äußerte sich am Rande der Veranstaltung zur Bedeutung des Volkstrauertages für die deutsche Minderheit in Polen: „Dieser Tag ist sehr wichtig für uns, denn er gibt uns den Raum, um an die Opfer der beiden Weltkriege zu erinnern – jener Kriege, die gerade in dieser Region so viel verändert haben. Umso bedeutsamer ist es, dass man den Volkstrauertag auch hier begeht und der Menschen – Zivilisten wie Soldaten – gedenkt, die in den meisten Fällen nicht darüber entscheiden konnten, dass sie Opfer bringen mussten.“

Gedenken auch in Berlin

Parallel zu der Andacht in Oppeln fand auch im Deutschen Bundestag in Berlin die jährliche zentrale Gedenkstunde des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zum Volkstrauertag statt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach dabei das traditionelle Totengedenken. Den Schwerpunkt bildete in diesem Jahr – neben dem Krieg in der Ukraine – die deutsch-lettische Geschichte. Die Gedenkrede wurde vom Staatspräsidenten Lettlands, Egils Levits, gehalten. Dieser würdigte die Vergangenheitsbewältigung Deutschlands und rief dazu auf, die Widerstandsfähigkeit der Demokratie zu stärken. „Die Geschichte zeigt, dass die politische und institutionelle Schwäche der Demokratie zu Krieg und Gewalt führen kann“, sagte er.

Egils Levits, Staatspräsident der Republik Lettland, während der Gedenkrede im Deutschen Bundestag
Foto: Deutscher Bundestag / Joerg Carstensen / photothek

Egils Levits sprach sich zudem für die Errichtung eines Sondertribunals zur Aufarbeitung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine aus. Seine auf Deutsch gehaltene Rede schloss er mit den Worten: „Nie wieder Angriffskrieg, nie wieder Völkermord, nie wieder Unfreiheit, nie wieder Unrechtsregime; Freiheit und Demokratie sind es wert, geschützt zu werden.“

Lucas Netter

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