Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Zuckmantel: Drei Nationen im Glauben vereint

Sie beten und singen in drei Sprachen. Gelebte Völkerverständigung an der polnisch-tschechischen Grenze. Die „Wallfahrt der Nationen“ zieht jedes Jahr im September zahlreiche Pilger an. Besonders in diesem Jahr: der Dankesgottesdienst für den im Konzentrationslager Dachau umgekommenen Pfarrer Richard Henkes. Ein unerschrockener Kämpfer für die Wahrheit, der uns auch in den heutigen Zeiten Vorbild ist.

 

 

Fotos: Marie Baumgarten

 

 

Der September meint es noch einmal gut. Schon am Morgen steht die Sonne hoch am Himmel, als zahlreiche Pilger aus Polen, Deutschland und Tschechien in Zuckmantel (Zlaté Hory) zum gemeinsamen Freiluft-Gottesdienst zusammenkommen – ein großes Glück, denn ein solches Erlebnis macht an einem grauen Tag nicht einmal halb so viel Freude. Das weiß die 91-jährige Maria Indeka aus Ratibor (Racibórz) ganz genau. Schon zum 23. Mal ist sie heute an diesen Ort gepilgert.

 

„Zwei Mal war ich in der Kriegszeit hier, 1943 und 1944, bei einem Ausflug mit der Schule. Und ich werde kommen, solange es die Gesundheit zulässt“, sagt Indeka. Auch Kristina und Stefanie Karkosch aus Ujest bei Groß Strehlitz (Strzelce Opolskie) wollen im kommenden Jahr erneut dabei sein. Seit der wiedereingeführten Wallfahrt 1995 haben sie nur zwei Mal gefehlt. Sie haben sich extra schick gemacht und sich in schlesische Tracht gekleidet. Um die Schultern liegt den beiden Schwestern ein rotes Tuch in Blumenmuster. „Jeder kommt mit einer Bitte hierher und wir haben die Hoffnung, dass die Mutter Gottes uns das ganze Jahr über beschützt“, sagen sie.

 

Waltraud und Kurt Ulfik haben eine 900 Kilometer lange Anfahrt aus Darmstadt auf sich genommen und sie haben es gern getan, um hier dabei zu sein. Sie in blau-weißer schlesischer Tracht, er in Bergmanns-Uniform – sie wollen die Traditionen ihrer alten Heimat weitertragen. „Eine Wallfahrt dreier Nationen findet man nicht überall“, sagt Kurt Ulfik. Ehefrau Waltraud hält die Tränen zurück. „Es ist wichtig, dass Frieden herrscht, dass sich die drei Nationen ohne Misstrauen verstehen. Dass das geht, zeigt diese Wallfahrt. Das ist Europa“, sagt sie.

 

Hier ist die Gemeinschaft

Die Pilger strömen in den Innenhof der kleinen Maria-Hilf-Kirche, die in den 1970er Jahren gesprengt und nach der politischen Wende wiederaufgebaut worden ist. Wer keinen Platz mehr findet, macht es sich auf den grünen Anhöhen bequem, von wo aus man die Messe aus Vogelperspektive verfolgen kann. Genauso eindrucksvoll ist der Ausblick auf die Berglandschaft, die den Wallfahrtsort umgibt.

 

Pfarrer Peter Tarlinski, der Seelsorger der Deutschen Minderheit in der Oppelner Woiwodschaft, bereitet die Gemeinschaft auf das Hochamt vor. Von tschechischer Seite ist Weihbischof Martin David aus Ostrau-Troppau anwesend, der den erkrankten Bischof Frantisek Lobkowicz vertritt. Von polnischer Seite Pfarrer Rudolf Pierskała – gemeinsam singt und betet man in deutscher, polnischer und tschechischer Sprache.

 

„Der Glaube verbindet die Menschen. Das machen keine Politiker auf irgendwelchen internationalen Treffen, sondern hier wird die Gemeinschaft, die Communio, geschaffen“, sagt Weihbischof Martin David.

 

Was wir von Pfarrer Richard Henkes lernen können

Während des Gottesdienstes erinnern die Geistlichen an das schwere Schicksal Pfarrer Richard Henkes, der im Konzentrationslager Dachau umgekommen ist. Vor dem Zweiten Weltkrieg ist er in Schlesien tätig gewesen. Nach seiner offenen Kritik am Nationalsozialismus ist er an seinem Wirkungsort Branitz (Branice) verhaftet worden.

 

Als Erzieher der Jugendlichen hat er die Nazi-Lieder mit den Kirchenliedern verglichen und gezeigt, wie selbstherrlich jene Lieder sind. Und wie liebevoll im Gegensatz dazu das Christentum ist, bei dem Mitmenschlichkeit, Gemeinschaft und Liebe im Mittelpunkt stehen“, erklärt Pfarrer Tarlinski. Im KZ hat er die Typhus-Kranken betreut und ist am Ende selbst der Epidemie erlegen.

 

Am 15. September 2019 ist Richard Henkes im Dom zu Limburg seliggesprochen worden. „Er fürchtete sich nicht, die Wahrheit zu sagen, auch wenn ihn dieses das Leben gekostet hat“, sagt Bischof Martin David. „Von Pfarrer Henkes können wir lernen, dass wir uns auch in schwieriger Lage nicht fürchten sollten, die Wahrheit zu sagen.“

 

 

Marie Baumgarten

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