Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Hoffnung lebt noch

Das knapp über 55.000 Einwohner zählende Görlitz ist berühmt für seine malerischen Winkel und steht im Ruf, ein Paradies für Rentner aus dem westlichen Deutschland zu sein. Und wer Glück hat, kann in dieser Stadt sogar bekannten Hollywood-Stars begegnen, denn Görlitz dient auch oft und gern als Szenerie für Filmproduktionen!

 

Das neue Rathaus in Görlitz
Foto: Mylius/Wikipedia

 

Diese Idylle ist nun leider getrübt, nachdem zwei Großkonzerne – Siemens und Bombardier – massive Entlassungen an ihren Görlitzer Standorten angekündigt haben. Für die Stadt und die gesamte Region ist dies ein herber Rückschlag. Nun fürchtet nicht zuletzt der Einzelhandel sinkende Umsätze und die Arbeitslosigkeit, die im Dezember noch bei 8,7 Prozent lang, könnte jetzt drastisch steigen. Zudem könnte dies sich negativ auf die Geschäftslage auch im polnischen Zgorzelec auswirken, das in hohem Maße von deutschen Anrainerkunden lebt.

 

 

Auch ein positiver Effekt

 

Die Hiobsbotschaft hat derweil die Gewerkschaften auf den Plan gerufen und die Proteste fanden ein breites Echo. Dies nicht zuletzt, weil Görlitz die Geburtsstadt des neuen sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) ist. Es gibt nun aber auch erste positive Reaktionen auf den Trubel, denn es sind neue Investoren aufgetaucht. Es handelt sich dabei um Unternehmen aus den Branchen Medizin, Logistik und Kfz-Elektrik sowie mittelgroße Firmen, die bis zu 100 Mitarbeitern beschäftigen können. Die ersten zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 waren für Görlitz sehr schwierig. Rund 100.000 vorwiegend junge Menschen verließen damals die Stadt und die Region in westlicher Richtung. Danach aber begannen in der Gegend neue Firmen zu entstehen oder sich niederzulassen, so z.B. Cideon, ein Hersteller von Software für Unternehmen aus aller Welt. Dies wiederum lockte viele fachspezifisch ausgebildete Menschen in die Stadt. „Der Grund dafür ist, dass wir gute Voraussetzungen für Ingenieure anbieten, denn wir sorgen dafür, die von uns hergestellten Dinge bestmöglich gefertigt sind und folglich auch viele Abnehmer finden. Und dabei kommen unsere Mitarbeiter von hier, also aus Sachsen”, sagt Rolf Lisse von der Innovationsabteilung der Firma Cideon.

 

 

Letztes Wort noch nicht gefallen

 

Cideon beschäftigt in Görlitz etwa 100 Mitarbeiter, wäre nun aber nach eigener Zusicherung bereit, auch Fachkräfte aufzunehmen, die von Siemens entlassen werden, denn ihr Ziel sei eine dynamische Weiterentwicklung. In ähnlichem Ton äußert sich auch die Zweigstellenleitung des Schweizer Unternehmens Skan, das in Görlitz die sog. Isolatortechnik für die Pharmaindustrie produziert. Die Firma habe bereits Fachleute eingestellt, die Bombardier verlassen haben. Hierbei sei allerdings offensichtlich, dass jemand, der von einem Großkonzern zu einer mittelgroßen Firma wechselt, mit gewissen Abstrichen rechnen müsse. Im Übrigen haben bei den angekündigten Entlassungen weder Siemens, noch Bombardier ihr letztes Wort gesprochen. Die Gewerkschaften führen nämlich noch Verhandlungen mit der jeweiligen Konzernleitung. Zudem hat Bombardier bekundet, dass es bis zum Ende nächsten Jahres keine Gruppenentlassungen geben werde, und Joe Kaeser vom Siemens-Vorstand gab zu verstehen, dass es für die Görlitzer Mitarbeiter noch Hoffnung gebe.

 

 

Krzysztof Świerc

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