Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Als Deutscher in Schlesien geboren

„Helmut, du bist auch unser Kanzler“ – dieser Spruch ging in die Geschichte ein. 1989 wurde er auf einem Transparent von Himmelwitz nach Kreisau zur deutsch-polnischen Versöhnungsmesse gebracht. Sein Autor heißt Richard Urban, der sich mit vielen anderen Mitstreitern dafür einsetzte, dass die deutsche Minderheit in Polen 1990 offiziell anerkannt wurde. Richard Urban wird nicht müde, für die deutsche Sprache und Kultur in Oberschlesien einzustehen. Vor Kurzem feierte er seinen 90 Geburtstag.


„Ich bin am 10. Mai 1934 als sechstes Kind meiner Mutter und drittes Kind meines Vaters geboren. Wir waren sieben Kinder zu Hause. Meine Eltern waren deutsche Oberschlesier, zu Hause habe ich die Gwara nicht gehört, mit meinen Schwestern sprach ich deutsch. Als Frauen zu meiner Mutter kamen und etwas Schlesisch gesprochen haben, haben wir nichts verstanden. Meine Eltern waren immer sehr arbeitsam, und haben auch von uns Kindern viel verlangt“, fasst Richard Urban seine Kindheit zusammen.

Richard Urban (Bildmitte) mit seiner Ehefrau Rosemarie und Bernard Gaida bei einer Wallfahrt der deutschen Minderheit.
Foto: Klaudia Kandzia

Zäsur

Bis 1945 besuchte Richard Urban eine deutsche Schule in Himmelwitz. Er beendete dort die ersten vier Klassen. Der Krieg und seine Folgen haben auch die Familie Urban nicht verschont. Denn ein Teil der Familie wurde ausgesiedelt und ins Arbeitslager nach Blottnitz gebracht. Richard und sein Bruder Herbert konnten fliehen. Sie versteckten sich bei Bekannten. Die Brüder brachten immer wieder Brot ins Lager.

Einen Tag vor Allerheiligen 1945 wurde seine Mutter entlassen. Die Familie Urban kehrte nach Himmelwitz zurück, doch ihr Haus bewohnte bereits eine polnische Familie. Die Polen zogen weg und Familie Urban bekam ihr Haus zurück. Richard Urban besuchte bis 1948 die polnische Schule. „Das war nicht so einfach. In der Schule war z. B. das Wort ołówek, und das konnten wir nicht begreifen, dass der Bleistift jetzt ołówek heißt. In unserer Familie waren immer Fleischer und Gastwirte, diesen Weg wollte ich auch einschlagen“, so der pragmatische Richard.

Ausbildung

Richard Urban durfte aber diese Ausbildung nicht machen, da die meisten Gaststätten und Fleischereien verstaatlicht wurden. So hat er eine Ausbildung zum Schlosser gemacht und einige Jahre in diesem Beruf gearbeitet, bis er in der Gaststätte seiner Eltern in Himmelwitz, die nun dem Staat gehörte, angestellt wurde. Dort lernte Richard den Beruf des Gastwirts kennen. 1970 übernahmen er und seine Ehefrau Rosemarie das elterliche Wirtshaus.

Richard Urban: „Solange wir das noch pflegen, wird die deutsche Minderheit existieren.“

Politisches Tauwetter

In den 80er Jahren kam die Solidarnosc und die ersten Lockerungen in der Sowjetunion. Richard Urban bekam das natürlich mit: „Ich habe vorgeschlagen, dass wir zu einem Gesangsabend in unserer Gastwirtschaft zusammenkommen. Das hat geklappt und sich schnell herumgesprochen. Anfangs waren wir ein paar Leute, und dann war der Saal voll. Da fehlten schon die Stühle, denn die Menschen kamen aus Groß Stanisch, Collonowska und allen Himmelsrichtungen. So hat das angefangen. Bei politischen Treffen mussten wir damals immer noch vorsichtig sein, aber unter dem Deckmantel des Gesangsabends, da haben wir uns schon unterhalten, was so los ist in der Welt. Einfach war es nicht, denn es kamen immer mehr Leute, und da muss man ein Liederbuch haben, und das hatten wir nicht. Da baten wir, dass jeder von zu Hause ein Liederbuch mitbringt, wenn er noch eins hat. In Groß Strehlitz war damals ein Kopiergerät, das war damals etwas ganz Besonderes. Ich bin dahingefahren, habe gesagt, welche Seiten kopiert werden sollen und 30 Stück bestellt. Das war natürlich zu wenig, und beim nächsten Mal bestellte ich 100 Stück“, lächelt Richard Urban bei der Erinnerung, und erzählt weiter: „Als ich die bestellten 100 Liederbücher abholen wollte, war der Mann so blass, ich habe gleich gesehen, es stimmt etwas nicht. Er sagte mir, dass er das nicht kopiert hat, weil er Besuch von gewissen Herren hatte, vom Geheimdienst. Die haben ihm gedroht, dass, wenn er sich mit dem Urban einlässt, wird ihm die Konzession entzogen und das Kopiergerät konfisziert. Er hat sich wirklich erschrocken“, so Richard Urban, der kurzerhand mit dem Kopierauftrag nach Oppeln fuhr, und sein Ziel erreichte. „Dann hat sich herumgesprochen, dass ein gewisser Herr Kroll Unterschriften auf Listen sammelt. Da sind wir mit einem Kollegen nach Gogolin hingefahren und haben mit dem Mann gesprochen. Dann ging es auch los mit den Versammlungen und Treffen. Wir haben später zu unseren Treffen auch Bekannte eingeladen wie den Herrn Friedrich Schikora aus Gleiwitz, die Frau Christiane Janoschka aus Hindenburg und so weiter.“ Am 4. Juni 1989 wurde die erste deutschsprachige Messe auf dem Sankt Annaberg gelesen. Im November folgte die Versöhnungsmesse im niederschlesischen Kreisau mit Kohl und Mazowiecki.

Richard Urban hat sich bereits jahrzehntelang für die Rechte und Anerkennung der deutschen Minderheit eingesetzt.
Foto: Klaudia Kandzia

Engagement

Richard Urban war bereits bei der Registrierung der Gesellschaft der deutschen Minderheit in Polen dabei und nahm an zahlreichen Begegnungen mit Politikern aus Deutschland teil. Oft wurde er spontan von seinem Arbeitsplatz weggerufen. „Für uns als Familie war es nicht einfach“, sagt Richard Urban.

Doch er habe es nicht bereut, dass er sich für die Deutsche Minderheit engagiert hat, sagt er. Und auch heute noch ist er bei vielen Projekten dabei. Gerne berichtet er über die Ereignisse von vor über 30 Jahren und sinniert über die Gegenwart: „So, wie bei der Kirche alles zusammenschrumpft, gibt es keine Berufungen, so wenige Pfarrer, so ist es auch bei uns in der deutschen Minderheit. Wir werden immer weniger. Und die jungen Leute, das kann ich auch verstehen, wenn sie von zu Hause als Kind nichts hören von der deutschen Minderheit, oder dass hier früher fast alle Deutsche waren, dann ist das vorbei. Sie denken nicht daran, das ist Polska, was soll das deutsch sein“, resümiert Richard Urban.

Gegenwart

In seiner Freizeit ist Richard Urban im Garten beschäftigt. Da seine Frau gesundheitlich angeschlagen ist, musste er ihre Aufgaben übernehmen. Er pflegt die Blumen, die einst seine Frau gepflanzt hat. Ähnlich sei es mit der Pflege des Deutschen, sagt er: „Solange wir das noch pflegen, wird die deutsche Minderheit existieren. Aber wenn wir das alles hinlegen, dann ist es dann vorbei. So muss ich das sagen…, aber ich lass mir das nicht nehmen. Ich bin als Deutscher geboren und als Deutscher will ich sterben.“

„Ich bin als Deutscher geboren und als Deutscher will ich sterben“, so Richard Urban.
Foto: Klaudia Kandzia

Im Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen mit Sitz in Oppeln kann man in der Dauerausstellung das Transparent: „Helmut, du bist auch unser Kanzler“ von 1989 besichtigen.

ews/Manuela Leibig

 

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