Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Angenehmer überwintern mit Hedwig Haberkern

An immer mehr Orten wird es dieser Tage weiß. Dann kommt einem das Winterlied “Schneeflöckchen, Weißröckchen” in den Sinn. Der Text des bekannten Liedes stammt aus der Feder einer Breslauerin.

 

Es gibt eher noch mehr literarische Zeugnisse, die die Bitternis, das Bedrohliche der kalten Tage beschreiben. Wilhelm Müllers Gedichte etwa, die Franz Schubert so düster und dennoch genial in seiner „Winterreise“ vertont hat. Oder Joseph von Eichendorff in seinem vertonten Gedicht „Verschneit liegt rings die ganze Welt. Ich hab‘ nichts, was mich freuet…“. Jedoch am Schluss weiß der Dichter, wie der eben noch blätterlose Baum im Frühling „im neuen Blütenkleid zu Gottes Lob wird rauschen.“

 

Tante Hedwig

Ein 150 Jahre altes Kinderlied rückt ganz allein die Freuden einer Schneelandschaft in den Vordergrund, ja es sehnt sie geradezu herbei: „Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst du geschneit?“ Die Urfassung dieses in Deutschland immer noch sehr beliebten Liedes finden wir bei Hedwig Haberkern, die in ihrem Buch „Tante Hedwigs Geschichten für kleine Kinder. Ein Buch für erzählende Mütter, Kindergärtnerinnen und kleine Leser“ u. a. ihre „Geschichte von der Schneewolke“ erzählt und die Strophen des Gesangs integriert. Das Manuskript dieses Buches vollendet sie in Myslowitz, ediert wird es im Jahr 1869 in Breslau im Verlag von Eduard Trewendt. Insgesamt kommt es zu drei Auflagen, zuletzt im Jahr 1910.

Hedwig Haberkern (1837-1901) ist die Tochter des verdienstvollen, aus Zerbst stammenden Breslauer Historikers Gustav Adolf Stenzel und seiner Frau Maria, geb. Bredow. Ihr elf Jahre älterer Bruder Karl Gustav Wilhelm Stenzel engagiert sich später als Wissenschaftler auf dem Gebiet der Botanik. Hedwig, die mit vielen Geschwistern eine glückliche Kindheit erlebt, jedoch ihre Eltern früh verliert, mit acht Jahren die Mutter und mit 16 den Vater, erkennt ihr großes pädagogisches Talent, absolviert eine Erzieherin-Ausbildung und leitet ab 1862 den ersten in Breslau gegründeten Kindergarten.

Die Heirat 1866 führt Hedwig, geborene Stenzel, im selben Jahr nach Myslowitz, wo ihr Mann als Chef der Gasanstalt tätig ist. Das Paar bekommt zwei eigene Kinder. Offenbar lässt sie hier in Oberschlesien das Fehlen praktischer Kindergartenarbeit und die Erziehung der eigenen Kinder ‚zur Feder‘ greifen. So verfasst sie Kinder- und Jugendbücher, die in ganz Deutschland rege Verbreitung finden. Im Leipziger Verlag Ferdinand Hirt erscheint 1877 ihr Buch „Garten, Wald und Feld, meines Kindes Zauberwelt. Ein Gruß an die lieben Kleinen und ihre Mütter, ein Hilfsbüchlein für Kindergärtnerinnen“. Eine zweite Auflage ediert ein Jahrzehnt später ein Verlag in Wien. Aber ganz kann sie ihre Berufung nicht verdrängen: In Myslowitz sieht sie Bedarf und gründet einen Kindergarten. Als ihr Mann in gleicher Funktion das Gaswerk in Beuthen/ OS übernimmt, ziehen die Haberkerns nach zwölf Jahren dorthin; schließlich werden sie sich aber in Breslau niederlassen und eine Wohnung in der Katharinenstraße nahe des Neumarkts beziehen.

Noch in Beuthen wird ein weiteres Buch fertig, das aber nicht erscheinen kann, weil der Verlag geschlossen wird. Schwägerin Anna Simson, geborene Haberkern, hatte 1866 in Breslau einen Frauenbildungsverein ins Leben gerufen, in dem Hedwig, nun zurück in ihrer Heimatstadt, als Lehrerin und bei weiteren Aufgaben mitarbeitet.

 

 

Couragierte Breslauerinnen

Hedwig Haberkern gehört in ihrer Zeit, dem 19. Jahrhundert und die noch folgenden Jahrzehnte, zu einer ganzen Reihe couragierter Breslauerinnen, die durch ihre soziale Gesinnung weit über Schlesien hinaus Enormes bewirkt haben! Stellvertretend seien genannt Lina Morgenstern (1830-1909), ihre Schwester Jenny Asch (1832-1907), Auguste Schmidt (1833-1902), die oben bereits erwähnte Anna Simson (1835-1916) und Käthe (Catherine) Stern (1894-1973), die Mutter von Fritz Stern. Auch gehört der Name von Louise Besser (1889-1982) in diesen Zusammenhang. Inspiriert von Pädagogen wie Friedrich Fröbel oder Maria Montessori packten sie an und entwickelten deren Ansätze weiter, linderten viel von der Not ihrer Zeit. Nicht zu vergessen sind zahlreiche katholischen Ordensfrauen und evangelische Diakonissen, die sich verantwortungsbewusst in den Dienst des Guten an Kindern und Müttern stellten.

 

Ihr warmes Herz, ihr reicher Geist

Der genaue Todestag Hedwig Haberkerns im Herbst 1901 ist nicht bekannt, im Nachruf in einer pädagogischen Zeitschrift, unterzeichnet mit „M. St.“ (für Marie Stenzel, Hedwigs jüngste Schwester?), lesen wir über sie: „Ihr warmes Herz, ihr reicher Geist, ihre vielseitige Bildung und eine überquellende Fülle des Gemüts haben ihr, die so viel gab, auch viele Herzen gewonnen, manches scheue, verschüchterte Wesen hat sich ihr erschlossen, und ihre selbstlose Güte wurde mit inniger, oft schwärmerischer Liebe belohnt. Hedwig Haberkern, geboren am 16. April 1837, hatte das Glück, die Tochter und Enkelin bedeutender Männer zu sein und unter vielen Geschwistern aufzuwachsen. Ihr Vater, Universitätsprofessor Stenzel in Breslau, ist besonders als Verfasser der ‚Fränkischen Kaiser‘ berühmt, ihr Großvater Bredow hat in seiner ‚Erzählung der merkwürdigen Begebenheiten aus der allgemeinen Weltgeschichte‘ schon vor fast 100 Jahren den Weg gezeigt, der im Geschichtsunterricht in den Volksschulen erst jetzt allgemein als richtig erkannt worden ist, nämlich das Hervorheben des kulturgeschichtlichen Elements und die in Bildern gegebene biographische Behandlung der Weltgeschichte. Fröhlich wuchs Hedwig Stenzel auf, in den ersten Jahren von ihrer sanften Mutter geleitet, der sie wohl ihr ungewöhnlich großes Erzählertalent zu verdanken hat und nach deren Tode später von einer vortrefflichen Stiefmutter, umgeben von zahlreichen Bildungsmitteln und mannigfacher Anregung in Haus und Schule. Ihr reger Geist, ihre poetische Natur zeigten sich früh, und als sie nach ihrer Schulzeit das erste Lehrerinnenseminar in Breslau besuchte, war die ihr eigene Fähigkeit, sich die Herzen zu gewinnen, schon so groß, daß mehrere ihrer damaligen Gefährtinnen ihr bis zu ihrem Tode eine begeisterte Liebe bewahrt haben. […]“ Als Lehrerin bei dem Breslauer Frauenbildungsverein „wirkte Frau Haberkern auf verschiedenen Gebieten. Ihre Unterrichtsstunden zeichneten sich zunächst durch eine jugendlich oft geniale Art des Erfassens und Darstellens der gegebenen Stoffe aus, so daß diese nie eines dauernden Eindrucks auf ihre Schülerinnen verfehlte. Jedes Alter wußte sie zu fesseln, und oft erbaten sich ältere Damen die Erlaubnis, ihrem Unterricht eine Zeit lang beiwohnen zu dürfen.“

Wenn noch einmal in Niederschlesien oder Oberschlesien (oder in Deutschland) eine neue Schule gegründet wird, nennt sie nach Hedwig Haberkern!

Symbolfoto
Foto: Foto: Josh Hild/Unsplash

Ihr Lied, gewissermaßen eine „Ode an die Schneeflocke“, ist noch dazu pandemiefreundlich: kurz und gern auch im Freien zu singen. Allerdings sei angemerkt, dass die Autorin die heute bekannte Melodie noch nicht kannte. Diese setzte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch. Das Lied gehört zu den in der Kindheit erlernten Jahreszeitenliedern, die man zeitlebens nicht mehr vergisst. „Weißröckchen“ ist ein schlesisches Synonym für Schneeflocke.

Thomas Maruck

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