Weihnachten 1973 lief die deutsch-tschechische Koproduktion „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ zum ersten Mal im deutschen Kino, ein Jahr später folgte die Fernsehausstrahlung. Seitdem gibt es kein Weihnachten mehr ohne Aschenbrödel. Noch relativ neu im Programm ist der Dokumentarfilm zum Kultklassiker. Der gibt einen Blick hinter die Kulissen und verrät so manche pikante Details.
Es ist wohl die romantischste Szene im Märchen: Auf ihrem Schimmel Nikolaus streift Aschenbrödel unbeschwert durch den eingeschneiten Böhmerwald – anderthalb Minuten lang in unzähligen Einstellungen. Die Winterlandschaft hatte bei Regisseur Václav Vorlíček offensichtlich Eindruck hinterlassen – und nicht nur bei ihm. Für viele ist Aschenbrödel das Wintermärchen schlechthin. Wer kann sich den Film schon in Sommerkulisse vorstellen? Umso verblüffender, dass er ursprünglich im Frühjahr und Sommer gedreht werden sollte. Der ostdeutsche Partner DEFA drängte jedoch aus wirtschaftlichen Gründen auf einen Dreh im Winter – er wollte seine Darsteller, die im Sommer bereits gut gebucht waren, auch zur Winterzeit beschäftigt wissen. Vielen Dank für so viel Umsicht, liebes DEFA-Team. Ohne Schneezauber wäre alles nur halb so schön!
Kein Schnee in der DDR
Doch die Sache mit dem Schnee war nicht so einfach. Während Tschechien im Winter 1972 im weißen Pulver versank, fiel an den deutschen Drehorten nicht eine Flocke. Was tun? Für den Dreh an der Moritzburg bei Dresden konnte nur Kunstschnee aus der Patsche helfen – allerdings mehr schlecht als recht. Denn als Kunstschnee diente zuweilen Fischmehl und verbreitete einen bestialischen Gestank. Außerdem blitzte der Boden weiterhin durch, auch Baumkronen und das Dach der Burg blieben schwarz. Die Moritzburg, das einstige Jagd- und Lustschloss August des Starken, hatte der Regisseur übrigens aus mehr als 20 Vorschlägen als Drehort für die Außenaufnahmen ausgewählt. Die Ballszenen dagegen wurden in den Babelsberger Filmstudios bei Berlin gedreht. Die Tänzer waren überwiegend Mitglieder des Fernsehballetts.
Karel Gott singt für Aschenbrödel
Einen nicht unbedeutenden Anteil an dem Erfolg des Films schreiben viele der Titelmelodie zu. Der tschechische Komponist Karel Svoboda schrieb sie innerhalb weniger Stunden. Während die deutsche Filmfassung mit der Instrumentalversion auskommt, hat die tschechische Fassung einen Text zur Melodie. Und den trällert kein anderer als Urgestein Karel Gott. Ein deutscher Text entstand 2009, als Schlagersternchen Ella Endlich für ihren Weihnachtssong „Küss mich, halt mich, lieb mich“ zur Filmmelodie von Svoboda griff. Kann man mögen, muss man aber nicht.
Am Set verliebt?
Geküsst wurde im Film nicht, das sah das Drehbuch nicht vor. Aber Pavel Trávníček, der den Prinzen spielt, macht kein Geheimnis daraus, dass Hauptdarstellerin Libuše Šafránková ihn umgehauen hat – man sei gut befreundet gewesen, beteuert er. Gut befreundet?!
Bevor die damals 19-jährige, frisch gebackene Schauspielabsolventin mit Aschenbrödel ihre erste Hauptrolle bekam, ließ Regisseur Václav Vorlíček 2.000 junge Frauen vorsprechen. Nur die Eine konnte sein Aschenbrödel sein. Bis heute die Rolle ihres Lebens. Was die Aschenbrödel-Figur besonders macht: Sie ist selbstbewusst und emanzipiert. Das geht zurück auf die Vorlage zum Drehbuch, geschrieben von der tschechischen Schriftstellerin Božena Němcová, die bereits Mitte des 19. Jahrhunderts als Frau ein eigenständiges Leben führte und damit ihrer Zeit voraus war.
Libuše Šafránková schlüpfte noch in weitere Prinzessinnen-Rollen und vermählte sich mit unzähligen Prinzen. Zehn Jahre nach dem Erfolg von Aschenbrödel standen beide Hauptdarsteller als Prinz und Prinzessin noch einmal gemeinsam vor der Kamera, diesmal wurde sogar geküsst.
Heute hat sich Libuše Šafránková aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und gibt keine Interviews mehr. Deshalb muss der Dokumentarfilm zum Märchen ohne die Hauptakteurin auskommen. Erst vor Kurzem wurde bekannt, dass Libuše Šafránková an Krebs erkrankt sei.
Auch in diesem Jahr zeigt das deutsche Fernsehen nicht nur den Märchenklassiker, sondern auch die Dokumentation „Geheimnisse zum Lieblingsfilm“. Wann und wo, können Sie der Fernsehbeilage des Wochenblatts entnehmen.
Fanmeile Moritzburg
Für alle Aschenbrödel-Fans wartet außerdem eine Aschenbrödel-Ausstellung auf Schloss Moritzburg. Zu Sonderausstellungen wie dem 40. Jubiläum werden sogar die Originalkostüme der Schauspieler aus dem Kostümfundus in Prag eingefahren. Eine heikle Angelegenheit, denn die Kostüme gehören zum tschechischen Nationalerbe, sie stehen sozusagen unter Denkmalschutz. Und was ein eingefleischter Fan ist, der lässt sich schon mal über Nacht in der Moritzburg einsperren, um am nächsten Tag mit dem Nationalerbe der Tschechischen Republik unbemerkt aus der Burg zu schleichen – eine wahre Geschichte.
Marie Baumgarten