Die deutsche Geschichte ist auf vielerlei Weise erlernbar: In der Bibliothek, in der Schule, aber auch im Freien. Für die letzte Option hat sich unlängst eine Gruppe von Menschen in Tschechien getroffen. Fokussiert hat man sich auf die ersten deutschen Siedler der Region, wobei sogar einige Nachfahren an der Exkursion teilnahmen.
Bereits zum zweiten Mal fand in Neratov (Bärnwald) der sogenannte Stepke Treck statt. Es ist ein besonderes Projekt, das deutsche Geschichte auf lebendige Weise vermitteln soll. Insgesamt versammelten sich etwa 60 Personen auf einem Parkplatz in der Nähe von Bärnwald, um die Wanderung zu beginnen, die auf den Spuren der ersten deutschen Siedler durch eine malerische Landschaft führt. Ziel des Projekts ist es, nicht nur die Erinnerung an die Vertreibung der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien wachzuhalten, sondern vor allem die Ankunft und das Wirken der ersten deutschen Siedler in der Region vor über 500 Jahren zu würdigen. Initiator des Stepke Trecks ist Richard Neugebauer, Vorsitzender der Bohemia Troppau, der betonte, wie wichtig es ist, positive Aspekte der deutschen Geschichte in der Region zu beleuchten.
Im Zentrum des Projekts steht die Legende des Siedlers Stepke, der vor mehr als fünf Jahrhunderten über das Adlergebirge nach Bärnwald gekommen sein soll. Der Überlieferung nach steckte Stepke seinen Stab in die Erde und prophezeite, dass an dieser Stelle eines Tages ein Wassertrog stehen würde. Der Stab schlug Wurzeln und wuchs zu einem mächtigen Baum heran, der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als Symbol für die Gründung des Dorfes galt. Obwohl es sich um eine Legende handelt, haben die Nachfahren des tatsächlichen Siedlers Stepke bis zur Vertreibung der deutschen Bevölkerung im 20. Jahrhundert in Bärnwald gelebt. Besonders interessant: Bei der diesjährigen Veranstaltung waren genau diese Nachfahren von Stepke dabei, darunter Kurt Stepke, der den Teilnehmern des Trecks die ehemaligen Standorte der Häuser seiner Vorfahren zeigte.
Es ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie lokale Geschichte dazu beitragen kann, das Bewusstsein und die Identität von Minderheiten zu stärken.
Wie Teilnehmer des Projektes erzählen, ist der Stepke Treck mehr als nur eine Wanderung. Er ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie lokale Geschichte dazu beitragen kann, das Bewusstsein und die Identität von Minderheiten zu stärken. Waltraud Pourová, ebenfalls eine Nachfahrin der Stepke-Familie, nahm zusammen mit ihrem Schwiegersohn Johnny Kremer, einem gebürtigen Niederländer, an der Veranstaltung teil. Beide betonten die Bedeutung solcher Projekte für das Gefühl der Zusammengehörigkeit unter den Nachkommen der deutschen Siedler. Der Kontakt mit der Geschichte und den Nachfahren anderer Siedler, direkt oder indirekt, bringt die Teilnehmer einander näher und fördert das Bewusstsein für ihre gemeinsamen Wurzeln.
Das Projekt des Stepke Trecks könnte als Vorbild für ähnliche Initiativen in anderen deutschen Minderheitengemeinschaften dienen. Der direkte Kontakt mit der lokalen Geschichte stärkt nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, sondern vertieft auch die Bindung der Mitglieder an ihre Volksgruppe. Es zeigt, wie wichtig es ist, die Geschichte nicht nur in Büchern, sondern auch durch persönliche Begegnungen und gemeinschaftliche Erlebnisse lebendig zu halten.