Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Aufständische Rebellion

 

 

Am 3. Juni begannen polnisch-schlesische Aufständische eine regelrechte Rebellion und leisteten massiven Ungehorsam gegenüber ihren Befehlshabern. Obwohl es schon vorher zu Insubordination und Vergehen gegen Eigentum und Leben gekommen war, geriet die Situation Anfang Juni außer Kontrolle und man konnte von einer richtigen Rebellion sprechen.

 

Das Oberkommando der aufständischen Armee ordnete die Verfolgung und Bestrafung von Raubtätern an und in den aufständischen Feldgerichten wurde offiziell das Militär-Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 20. Juni 1872 angewendet. Fälle von Plünderung und Diebstahl wurden zu einer solchen Plage, dass sogar Offiziere der 1. Division nach § 129 wegen Plünderung angeklagt wurden, das aufständische Gericht aber die Angeklagten freisprach. Zu Straftaten kam es im Gebiet von Kandrzin und Cosel, wo fast 90 Prozent der Stimmen für den Verbleib dieser Städte in der Weimarer Republik abgegeben worden waren. Die Raubüberfälle wurden von bewaffneten Banden begangen, die die Stadt und den Hafen in Cosel terrorisierten. Bewohner der Stadt und ihrer Umgebung erlebten eine wahre Hölle, als Aufständische in den Besitz der Spiritusreserven im Flusshafen kamen. Die Gerichte waren jedoch nachsichtig, weil die Opfer Deutsche waren.

Es ging um den Sold
Die milden Urteile der Feldgerichte und die wenigen Fälle, die vor Gericht gebracht wurden, demoralisierten die Aufständischen jedoch. Der eigentliche Grund für die Rebellion vom 3. Juni 1921 aber war die Nichtzahlung des Soldes. Es sollte hier erwähnt werden, dass die Aufständischen nicht wirklich Aufständische waren, d. h. Menschen, die spontan zu den Waffen gegriffen hatten, um etwas für sich zu erkämpfen, wie man es offiziell darstellte, um in den Verhandlungen mit den Großmächten die Zuweisung des gesamten Plebiszitgebietes an Polen zu rechtfertigen, indem man behauptete, dass es Schlesier selbst gewesen seien, die es forderten und dass sie selbst gegen ungerechte Pläne zur Aufteilung Oberschlesiens rebelliert hätten. Polnisch-schlesische Aufständische wurden von der polnischen Regierung mit Sold bezahlt. Als Folge der Rebellion setzten groß angelegte Plünderungen ein. Unter anderem wurde das Schloss in Rauden, Sitz von Victor II., Herzog von Ratibor, geplündert. Victor II. Amadeus von Ratibor war promovierter Jurist und zuvor bereits in der deutschen Botschaft in Österreich tätig. Von 1897 bis 1921 war er Vorsitzender des schlesischen Landtags und ab 1893 Mitglied des Preußischen Herrenhauses. Sein Grundbesitz in Oberschlesien umfasste über 34.000 ha, was ihn zu einem der vermögendsten Oberschlesier machte. So war auch das Schloss sehr reich ausgestattet. Eine interessante Tatsache ist, dass der Herzog von Ratibor der erste Präsident des Deutschen Automobilclubs war. Auch das prächtige Schloss der Familie Hohenlohe in Slawentzitz fiel einem Raub zum Opfer, heute sind nur noch der Park und der Portikus erhalten. An diesem Tag revoltierte die gesamte zentrale Gruppe der Aufständischen, einschließlich des Elite-Infanterieregiments 4, und weigerte sich zu kämpfen, bis sie ihren Sold erhielt. Die monatlichen Soldkosten, die von der polnischen Regierung getragen wurden, beliefen sich auf die riesige Summe von über dreißig Millionen Reichsmark.

 

Auch das prächtige Schloss der Familie Hohenlohe in Slawentzitz fiel einem Raub zum Opfer, heute sind nur noch der Park und der Portikus erhalten geblieben.
Foto: Wikipedia

Srokowski zur Hilfe
Besorgt über die Situation entsandte der polnische Ministerpräsident Wincenty Witos Ende Mai Stanisław Józef Srokowski (1872-1950) einen der besten polnischen Diplomaten nach Oberschlesien, der den Posten eines Delegierten Polens in Oberschlesien übernahm. (…) Die Aufgabe von Stanisław Srokowski war es, den Kontakt zum Diktator des Aufstandes, Wojciech Korfanty, herzustellen und dessen Beendigung zu bewirken. In dieser Zeit musste Wojciech Korfanty auf die Unterstützung einer Einheit von Matrosen unter dem Kommando von Leutnant Oszek zurückgreifen, die seine Prätorianer waren und ihm halfen, seine Gegner, die mit seiner Art zu regieren nicht einverstanden waren, zu verhaften und zu entfernen. Er verfiel bereits in paranoide Zustände und sah überall Feinde. Zur gleichen Zeit, d. h. zwischen dem 1. und 4. Juni 1921, fand eine Meuterei von Offizieren aus dem Stab der Gruppe „Osten“ statt. Gegen Korfanty stellten sich dabei Karol Grzesik und sein Stabschef Michał Grażyński. Srokowski selbst beschrieb den Diktator des Aufstandes wie folgt: „Korfanty ist, abgesehen von seinem heftigen Temperament, das ihm das Handeln erschwert und sich in ruppigen und scharfen Attacken gegen alles äußert, was nicht ganz und gar mit seiner Auffassung übereinstimmt, insoweit selbst schuld, als der Organisationssinn des Diktators der Situation nicht gewachsen ist.“ (Stanisław Srokowski: Erinnerungen an den dritten oberschlesischen Aufstand von 1921, Posen 1926, S. 39)

 

 

Besorgt über die Situation in Oberschlesien, entsandte Ministerpräsident Wincenty Witos bereits Ende Mai Stanisław Józef Srokowski dorthin.
Foto: Wikipedia

Marodeure rauben im Hinterland
Die Situation war sehr schwer zu kontrollieren und die Auswirkungen der bolschewistischen Agitation von Korfanty ermutigten unbezahlte Söldner und ganze Banden, „fälliges“ Geld von „deutschen“ Kapitalisten, Ausbeutern und Grundbesitzern mit Gewalt zu nehmen. Der Terror der Banden führte dazu, dass sich die Oberschlesier von der Idee abwandten, Oberschlesien an Polen anzuschließen, sogar in Orten, wo das polnische Element sehr stark war. Es bestand auch die reale Gefahr, dass der entfachte Appetit auf Landbesitz zu Forderungen nach einer Landreform und der Parzellierung von Großgrundbesitz in Polen führen würde und dass die antikapitalistische Stimmung schließlich in eine kommunistische Revolution umschlagen würde. Unter dem Datum des 3. Juni 1921 beschreibt Srokowski die Situation in Oberschlesien mit diesen Worten: „Die zentrale Gruppe der aufständischen Armee, die aufgrund ihrer Lage die wichtigste war, weil sie das eigentliche Industriegebiet abdeckte, wurde trotz ihrer Verstärkung durch das beste verfügbare Regiment Nr. 4 so anarchistisch, dass man entgegen den erteilten Befehlen keinen Angriff auf den St. Annaberg wagte. Die Gruppe machte einen förmlichen Aufruhr und verwandelte sich hier und da in Banden von Marodeuren, die im Hinterland plünderten. Vor allem das prächtige Schloss der Herzöge von Hohenlohe in Slawentzitz und das Schloss in Rudy fielen einem Raub zum Opfer. Das ist aber nur der Anfang. Sollte sich das für die Zahlung des Soldes benötigte Geld nicht innerhalb von 48 Stunden finden, wird die Sache eine Wendung zum Schlechteren nehmen. (…) Schlesien macht eine schwere Umbruchszeit durch. Nun, da unsere Freunde, aus allen Richtungen zum Hauptquartier nach Schoppinitz kommend, ,Durchhalten!’ rufen und wir wirklich das Oderufer erreichen, scheint es, dass wir im Chaos und in deutscher Rache versinken müssen. Denn sobald die sogenannte grüne Demobilisierung stattfindet, das heißt, wenn die aufständischen Einheiten, die nicht bereit sind, ihre Waffen abzugeben, sich in Räuberbanden verwandeln, wird in Schlesien eine bolschewistische Hölle entstehen, die ganz Mitteleuropa und Polen infizieren wird. Mit einer solchen Wendung der Ereignisse werden unsere schlesischen Ansprüche völlig verloren gehen, sogar in Rybnik und Pless, wo schon jetzt vielerorts ein Bedauern darüber herrscht, für Polen gestimmt zu haben, das den Aufständischen keine Unterstützung geben und so eine Konsolidierung der Beziehungen herbeiführen kann.“ (Stanisław Srokowski: Erinnerungen an den dritten oberschlesischen Aufstand von 1921, Posen 1926, S. 39-40)

Gleichzeitig trafen auf deutscher Seite ständig neue Rekruten ein, die für die Grenzen ihres Staates kämpfen wollten. Die Franzosen waren sich durchaus bewusst, dass etwas unternommen werden musste, denn in dieser Situation begannen die lukrativen Verträge für die französische Finanzoligarchie und die Gewinne aus den mit Polen abgeschlossenen Abkommen zu entgleiten und es zeichnete sich nun die Perspektive ab, dass die geplante Gründung des Unternehmens Skarbofem und die Rückzahlung polnischer Kredite mit oberschlesischer Kohle scheitern würden…

Waldemar Gielzok

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