Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ausstellung zensiert Kunst von Artur Klose

Was haben Hitler, Stalin und der Oberbürgermeister von Kassel gemeinsam? Artur Klose kennt die Antwort und hat alle drei zu den Protagonisten eines Kunstwerks gemacht. Es heißt „Missbrauchte Kinder“ und darf in Oppeln nur in zensierter Form ausgestellt werden. Klose sieht dunkle Zeiten auf die Freiheit der Kunst zukommen – und das nicht nur in Polen.

 

 

Das umstrittene Werk besteht in Anlehnung an einen Altar aus einem Mittelstück und zwei Seitenflügeln, das Material aus Holz. Doch statt Heiligenfiguren findet der Betrachter in der Reihenfolge von links nach rechts Hitler, den Oberbürgermeister von Kassel und Stalin. Die Bilder zeigen die drei Männer mit einem Kind. Es handelt sich um alte nationalsozialistische und kommunistische Propagandafotos und das Wahlplakat der Kasseler SPD von 2015.

 

Noch bis Ende April in der „Galerie der Modernen Künste“: Artur Kloses Werk “Missbrauchte Kinder”. Foto: Marie Baumgarten

„Ich verbinde in meinem Kunstwerk den Westen mit dem Osten und die Gegenwart mit der Vergangenheit. Ich setze nicht die SPD mit der NSDAP oder Kommunistischen Partei der UdSSR gleich. Ich bin lediglich ein aufmerksamer Beobachter und thematisiere mit meiner Kunst das, was mir auffällt. Der Oberbürgermeister von Kassel missbraucht Kinder für politische Zwecke in der gleichen Art und Weise, wie zwei  Massenmörder das in der Vergangenheit gemacht haben“, erklärt der Künstler sein bereits 2015 entstandenes Werk, dessen Botschaft vielleicht nicht jedem sofort klar wird.

 

Auch wenn die Kritik an der Art der Wahlwerbung berechtigt sein mag, stellt sich die Frage, warum sie ausgerechnet die SPD trifft. Dazu erklärt Klose: „Ich habe mich früher innerhalb meiner Kunst mit den großen Themen der Welt beschäftigt. In meinem ersten eigenen Zeichentrickfilm habe ich die damaligen Atomtests in Frankreich thematisiert. Inzwischen bin ich der Meinung, dass es viel wichtiger ist, sich mit der Politik vor Ort zu beschäftigen. Ich habe damals in Kassel gelebt, einer SPD-Stadt. Ich habe thematisiert, was ich in meiner Stadt erlebt habe.“

 

Einladung nach Oppeln

Klose hat den Altar vor rund vier Jahren illegal im Zentrum der Stadt Kassel während der Nacht der Museen ausgestellt. „Ich wurde dafür beschimpft, bespuckt und geschlagen“, berichtet Klose. Trotzdem wurde genau dieses Kunstwerk in einem Internetportal, das sich an junge Menschen richtet, zum wichtigsten Kunstwerk der Nacht der Museen gewählt.

 

Derzeit ist das Werk in der „Galerie der Modernen Künste“ in Oppeln zu sehen, allerdings nur in zensierter Form. Die Ausstellung „Generationen“ („Pokolenia“) zeigt ausgewählte Arbeiten der herausragendsten Absolventen des „Lyceums für bildende Künste“. Auf zwei Etagen feiert die Schule ihr 60-jähriges Bestehen. Über 80 Künstler sind vertreten. Unter ihnen Artur Klose, der  das Lyceum 1991 abschließt, dann als Spätaussiedler ohne die Eltern und Geschwister nach Deutschland geht und 1994 das Studium der Visuellen Kommunikation an der Kunsthochschule in Kassel aufnimmt.

 

 

 

Heute kennt man Klose in seiner Heimat Oberschlesien unter anderem durch seine 29 Comics über Schlesien. Es gab sogar Seminare für Deutschlehrer mit dem Titel “Von Wilhelm Busch bis Artur Klose”. Für den Künstler ein große Anerkennung: „Das gibt mir viel Kraft“, sagt er. Auch dass sein altes Lyceum ihn unter den mehr als 1000 Absolventen zu den Besten zählt, macht ihn stolz.

 

Doch die Ernüchterung folgt auf dem Fuße. Obwohl die Schule anfangs betont, die Ausstellung solle einen „interdisziplinären Charakter haben, die Vielfältigkeit der Kunst zeigen und die künstlerischen Möglichkeiten nicht begrenzen“, darf Klose seinen Altar nur zeigen, wenn zumindest die Namen der Parteien verdeckt werden.

 

Unverständnis beim Künstler: „Das ist Zensur wie im kommunistischen Volkspolen.“ Doch Artur Klose wäre nicht Artur Klose, würde er nicht versuchen, der Zensur ein Schnippchen zu schlagen. Er lässt die Partei-Namen mit Kaugummi und einem Stück Toilettenpapier verdecken und führt somit die Zensur ad absurdum.

 

 

Zensur: Kaugummi und Toilettenpapier verdecken die Parteinamen. Foto: Marie Baumgarten

 

 

Zu politisch?

Małgorzata Wojtanowska, Direktorin des Kunst-Lyceums, wird auf den Fall Klose nur ungern angesprochen. Zensurvorwürfe abwehren ist lästig, das sieht man ihr an. „Die Jubiläums-Ausstellung soll unsere Schule in ein gutes Licht rücken. Wir wollen nicht politisch sein“, sagt sie mit merklicher Vorsicht. Das Porträtfoto von Angela Merkel und das Bild eine Vagina mit der Aufschrift “Me Too”, die in der gleichen Ausstellung zu finden sind, scheinen wohl weitaus unpolitischer. Um das unangenehme Thema zu schließen, weist Wojtanowska noch freundlich darauf hin, dass die Zensur auch aus Rücksicht auf die deutsche Minderheit verhängt wurde, man wolle schließlich niemanden vor den Kopf stoßen.

 

 

 

An dieser Stelle stellt sich die Frage: Was darf Kunst und wo sind ihre Grenzen? Ihre Freiheit ist immerhin in Deutschland wie in Polen verfassungsrechtlich garantiert. Andrzej Schnejweiss vom Oppelner Künstler-Verband hat Verständnis für das Vorgehen der Schule. „Kunst darf eben nicht alles – schon gar nicht unter dem Deckmantel der Freiheit der Kunst. Jeder Kurator legt für seine Ausstellung einen Rahmen fest und die Künstler sind angehalten, sich daran zu orientieren. Ist ein Werk dem Rahmen nicht angemessen oder gar schädigend für beispielsweise den Kurator, das Museum oder die Stadt, halte ich es für berechtigt, ein Werk abzulehnen.“

 

Dass Kunst Grenzen hat, unterstreicht auch Klose: „Was die Freiheit der Kunst angeht, gehe ich damit äußerst streng um. Ich würde niemals die Hautfarbe eines Menschen, seine Behinderung oder Ähnliches zur Schau stellen.“ Gegen unlautere Politiker vorzugehen, halte er jedoch für seine „heilige Pflicht“.

 

 

Dieses Kunstwerk darf Artur Klose in Oppeln nicht zeigen. Foto: privat

Noch brisanter wird Kloses Fall durch den Umstand, dass er auf derselben Ausstellung sogar zwei Mal zensiert wird. Zu Beginn will er eigentlich etwas ganz anderes präsentieren, und zwar ein Porträt von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski aus dem Jahr 2018, das er aus Entenkot angefertigt hat (Wochenblatt berichtete). Doch dieser Vorschlag wird abgelehnt – zu politisch, dem Rahmen nicht angemessen. „Herr Klose lebt in Deutschland, da kann er zeigen, was er möchte, bei uns geht das eben nicht“, sagt Małgorzata Wojtanowska, und in ihrer Stimme klingt Bedauern.

 

Blick nach Deutschland

Doch auch Deutschland ist kein Schlaraffenland für die Kunstfreiheit. Hier wird das Thema zur Zeit heiß diskutiert. Grund dafür ist die staatliche Überwachung des Künstlerkollektivs „Zentrum für politische Schönheit“. Die Mitglieder sehen ihre Gruppe als eine Denkfabrik, die Menschenrechte mit Aktionskunst verbinden soll. Nach Aktionen, wie dem Nachbau eines Holocaust-Mahnmals vor dem Wohnhaus des AfD-Politikers Björn Höcke in Thüringen, ermittelt seit Monaten die Staatsanwaltschaft Gera und beruft sich dabei auf den Paragrafen 129.

Damit werde die Künstlergruppe kriminalisiert, sagt Jurist und Kulturförderer Peter Raue im Deutschlandfunk Kultur. Man müsse sich die Bedeutung der Ermittlung anhand des1951 zuletzt modifizierten Paragrafen klarmachen, so Raue, denn dieser laute:

 

”Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke darauf gerichtet sind Straftaten zu begehen, kann als Mitglied bestraft werden.‘ Das heißt, wer staatsanwaltliche Ermittlungen gegen das ‚Zentrum für Politische Schönheit‘ aufnimmt, der unterstellt, dass das Ziel dieser Gruppe ist, Straftaten zu begehen. Man muss das wirklich drei mal sagen, um den Wahnsinn dieser Ermittlungen zu begreifen.“

 

Das Zentrum für politische Schönheit sieht in den Ermittlungen einen Angriff auf die Kunstfreiheit. „Wenn der Staat Kunst kriminalisieren will, dann ist der Staat selbst kriminell. Aus unserer Sicht ist das ein Frontalangriff auf die verfassungsmäßig garantierte Kunstfreiheit“,  sagt Stefan Pelzer, der dem Zentrum angehört, im „Deutschlandradio“.

 

 

Wie bei Franz Kafka

Auch Artur Klose fühlt sich von den deutschen Behörden kriminalisiert. Über seinen Kampf um die Freiheit der Kunst hat das Wochenblatt bereits berichtet. Zur Erinnerung: Die Internetseite von Artur Klose heißt www.kanacken-sind-untermenschen.de. Klose will hier an konkreten Beispielen zeigen, wie Mitglieder der Verwaltungsstrukturen auf allen Ebenen gezielt Diskriminierung und Ausgrenzung betreiben. „Ich stelle die Frage, inwieweit nicht Zuwanderer, sondern Politiker für gescheiterte Integration verantwortlich sind“, so die Erklärung des Künstlers.

 

Die Absicht, die hinter dem Domain-Namens steckt, ist der Kasseler Staatsanwaltschaft allerdings nicht ganz klar, als sie wegen Volksverhetzung ein Verfahren gegen Klose eröffnet. In der Anklageschrift heißt es, dass der Domain-Name „Kanacken sind Untermenschen“ die “in Deutschland lebenden Ausländer in ihrem Ehrgefühl verletzen und herabwürdigen” könnte. Klose wird zu einer Geldstrafe verurteilt – für ihn ein Angriff auf die Freiheit der Kunst.

 

Artur Klose hat selbst Diskriminierung erfahren und sieht in der Völkerverständigung ein persönliches Anliegen. So lädt er beispielsweise georgische Jugendliche immer wieder für Kunstprojekte nach Nordhessen ein und hat dafür in Osteuropa schon mehrere Preise erhalten. Dass ausgerechnet er wegen Volksverhetzung angezeigt wird, ist für ihn eine Farce.

 

Damit nicht genug. Eines Tages taucht das SEK bei Klose auf und nimmt ihn in Polizeigewahrsam. Anlass sind die in einem Kunstwerk verwendeten Attrappen von Schusswaffen und Handgranaten. Klose wird der Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen. Dass ihm so etwas passiert ist, kann Klose noch immer nicht fassen: „Das ist Franz Kafkas ‚Der Prozess‘ im echten Leben.“

In der Zwischenzeit flattert eine weitere Anzeige ins Haus: Diesmal von dem Nordhessischen Landrat Uwe Schmidt, der Klose Beleidigung vorwirft. Klose hat ihn mehrmals zum Objekt seiner Kunst.

 

Zumindest was die Internetseite von Klose angeht, lenkt das Kasseler Gericht ein. Es will das Verfahren einstellen und Klose die Gebühren erlassen. Für den Künstler kommt das nicht in Frage. „Ich will von den absurden Vorwürfen freigesprochen werden.“

 

Das zensierte Kunstwerk in Oppeln ist noch bis Ende April in der „Galerie der Modernen Künste“ („Galeria Sztuki Współczesnej“) zu sehen, Plac Teatralny 12.

 

 

Marie Baumgarten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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