Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Bayerische Kurzgeschichten über Ostpreußen

Die Gesellschaft der deutschen Minderheit „Bärentatze“ in Sensburg (Mrągowo) und die Masurische Gesellschaft hatten am späten Vormittag des 20. Mai gemeinsam zu einer literarischen Begegnung in den Sitz der „Bärentatze“ eingeladen. Gast war die Autorin Irmgard Irro aus Niederbayern, deren Vorfahren im Landkreis Neidenburg in Ostpreußen zuhause waren.

Als Autorenabend könne man das Treffen mit Irmgard Irro nicht bezeichnen, es sei noch zu früh am Tage, erklärte Sebastian Jabłoński, Deutschlehrer und Vorsitzender der „Bärentatze“, mit trockenem Humor bei der Begrüßung der über 20 Gäste. Zusammen mit Barbara Willan von der Masurischen Gesellschaft hatte er die niederbayerische Schriftstellerin mit ostpreußischen Wurzeln Irmgard Irro eingeladen, aus ihren Büchern zu lesen und von sich zu erzählen – was diese mit viel Wärme und Lebhaftigkeit tat.

Ostpreußisches und bayerisches Naturell

Diese Wurzeln liegen im Ort Groß Dankheim (Przeździęk Wielki) bei Willenberg (Wielbark) im Landkreis Ortelsburg (Szczytno). Dort war ihre lebhafte und lebensfreudige Mutter zuhause, bis in dem Dorf Soldaten aus Bayern einquartiert wurden. „Um meine Mutter hatten schon andere Männer geworben, aber der eine war zu alt, der andere brachte ihr als besonderes Geschenk eine Tasche mit, und dann war da auf einmal der große, gutmütige, etwas stille Soldat“, so Irmgard Irro während ihres Vortrages. Sie verliebten sich, 1941 wurde geheiratet, und 1942 zog das junge Paar mit dem ersten Sohn nach Niederbayern, möglicherweise aus einer Ahnung, was im Krieg noch passieren könnte. Dort wurde 1949 Irmgard Irro geboren.

Irmgard Irro liest aus ihren bayerischen Kurzgeschichten vor.
Foto: Uwe Hahnkamp

Ihre Mutter wurde also nicht vertrieben, erzählte aber gern und viel von ihrer Kindheit, von den Bäumen, die anders waren als in Bayern, dem Sandboden, der damals für die junge Irmgard einfach „Spielplatz“ und nicht „dürftiger Ackerboden“ bedeutete. „Sie ließ gern die Fenster offen, und sie sang sehr gern. Ich habe von ihr viele ihrer Lieder gelernt“, erinnert sich Irmgard Irro. „Andererseits hatten insbesondere der Lehrer und der Pfarrer etwas gegen sie und uns Kinder, denn meine Mutter war evangelisch – und das im katholischen Niederbayern.“

Das ferne Land

Es gibt den bekannten Titel „Weites, fernes Land“ eines Buches über Ostpreußen. Für Irmgard Irro war es genau das: weit, fern, in einer anderen Galaxie. „Ganz weit weg – das sagte meine Mutter immer. Einmal hatte ich für uns eine Reise gebucht, aber sie hat im letzten Moment abgesagt, sie könne und wolle das heute nicht sehen“, erzählte Irmgard Irro. „Erst nach ihrem Tod, der mich schwer getroffen hat, habe ich es geschafft zu fahren.“ Sie erkannte das Dorf nach den Erzählungen wieder, sie wusste, wo was war. Und sie schrieb darüber – für ihre Mutter und ihre Großeltern.

Die Großmutter kam übrigens erst 1947 nach Niederbayern, hatte auf der Flucht Schweres erlebt. Irmgard Irro hat sie in einer ihrer bayerischen Kurzgeschichten „Rosi und ihre Oma“ verewigt – und hat inzwischen ein weiteres Buch zur Geschichte ihres Dorfes herausgebracht. „Früher war ich maulfaul und introvertiert, eben niederbayerisch wie mein Vater“, schmunzelt Irmgard Irro. „Aber nach dem Tod meiner Mutter wurde ich temperamentvoll wie sie.“

Diese Energie trägt weitere Früchte, in Kürze erscheint ein Buch mit Tagebuchnotizen von einem längeren Aufenthalt in der Region Willenberg und Allenstein (Olsztyn). Dann wird Irmgard Irro hoffentlich wieder in Ostpreußen zu Gast sein.

Uwe Hahnkamp

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