Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Bewahrer eines deutschen Pantheons

Mit Brotlaiben, Arbeitskleidung und Gerätschaft im Kofferraum, rückten 16 Nachkommen schlesischer Vertriebener in der Heimat ihrer Ahnen an, um zusammen mit ihren polnischen Partnern einen Friedhof im Riesengebirge in Ordnung zu bringen.

Diesmal war es bereits das sechste Mal, dass Mitglieder der Landsmannschaft Schlesien in Sachsen vor Allerheiligen mit heutigen Einwohnern und Mitarbeitern der Stadt Schreiberhau (Szklarska Poręba) ihren Aufräumdienst auf dem einstigen deutschen Friedhof verrichteten. In diesem Jahr stand der Einsatz im Zeichen des 180-jährigen Jubiläums der Einweihung dieses evangelischen Friedhofs. Dazu hatte das Fremdenverkehrsamt der Stadt zwei Veranstaltungen organisiert und Einwohner wie Touristen zur Mitarbeit eingeladen. Bei der ersten Veranstaltungen im „Carl und Gerhart Hauptmann Museum“ erwartete die Gäste und Einwohner ein Vortrag zur Entstehung und Entwicklung des evangelischen Friedhofs in Schreiberhau, der am 22. September 1844 eingeweiht worden war. Der Vortrag wurde von der Leiterin des Riesengebirgsmuseums in Hirschberg (Jelenia Góra), Julita-Izabela Zaprucka, ermöglicht und vom Leiter des Stadtarchivs in Hirschberg, Dr. Ivo Łaborewicz, gehalten.


Auf dem Weg zum Konzert: Schlesier in Schreiberhauer Tracht sorgt für Aufmerksamkeit.
Foto: lvsn

Mit Brot bedankt

Den Arbeitseinsatz auf dem evangelischen Friedhof eröffnete der neue Bürgermeister der Stadt im Riesengebirge, Paweł Popłoński, dem die deutschen Schlesier-Nachkommen ein rundes Brot mit der Aufschrift „Danke“ überreichten. Den zweiten Laib erhielten Vertreter des Tourismuszentrums. Das Brot hatte der schlesische Bäcker Armin Hübner aus Horka bei Görlitz (Zgorzelec) gebacken.

Das Schreiberhauer Fremdenverkehrsamt organisierte einen Vortrag und ein Konzert für die Einwohner und Touristen sowieinsbesondere für die Teilnehmer der Aufräumaktion.

38 Freiwillige kämpften sich im Anschluss durch das Gestrüpp am Friedhof in Nieder-Schreiberhau (Szklarska Poręba Dolna). Eine zweite Gruppe polnischer Einwohner säuberte an anderer Stelle Schäden, die noch vom Hochwasser herrührten, auch wenn Schreiberhau, anders als Hirschberg, noch glimpflich davongekommen war.

 

Die Landsmannschaftler aus der Lausitz bekamen dieses Mal Unterstützung durch Mitglieder des Vereins zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur. Gras und Wildwuchs wurden verschnitten und einige Wurzelballen gerodet. Auch die Stufen ehemaliger Gruftenwurden von jahrzehntealtem Wildwuchs befreit und ein alter gepflasterter Weg konnte teilweise freigelegt werden. Grabsteine wurden gesäubert und Grabeinfassungen gerichtet; eine Gruppe von fünf Teilnehmern widmete sich der markanten Ruine der Preußler-Gruft und deren Umgebung.

Ruhestätte wichtiger Glasmacher

Die Preußler-Gruft wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut und ist in ihrem oberen Teil, der heute von Weinstöcken überwuchert ist, zum Wahrzeichen des Friedhofs geworden. Die Gruft birgt die sterblichen Überreste der Glasmacherfamilie Preußler, so auch von Wolfgang Preußler, der 1617 aus Böhmen nach Schlesien gekommen war. Meister Preußler erhielt vom Landesherrn Hans Ulrich Schaffgotsch die Erlaubnis, eine Glashütte zu errichten. Im 18. Jahrhundert betrieben die Preußlers zwei weitere Glashütten und leisteten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Iserschen Glasindustrie. Weitere barocke Grabsteine der Familie Preußler befinden sich an der Nordwand der nahe gelegenen Friedhofskapelle in der Nieder-Schreiberhauer ul. Piastowska.

Aufräumarbeit an der Preußler-Gruft
Foto: lvsn

„Bei der Aufräumarbeit kamen wieder einige interessante Fundstücke zutage: mehrere Grabsteinfragmente, zwei intakte Grabsteine und die zerstörte erste zweisprachige Gedenktafel für Carl Hauptmann aus dem Jahre 1985. Auch der Grabstein von Carl Pohl gehört zu den neuen Entdeckungen“, berichtet Friedemann Scholz von der Lausitzer Landsmannschaft Schlesien. Carl Pohl sei ein Sohn aus dritter Ehe von Franz Pohl, der von 1842 bis 1884 die Josephinenhütte (Huta Julia) leitete, so Scholz. Diese Glashütte, 1842 vom Grafen Leopold von Schaffgotschgegründet, wurde nach seiner Ehefrau Josephine benannt. Der Glasmacher und künstlerische Vordenker Franz Pohl hatte die Grenzen dessen ausgelotet, was im damaligen Glashandwerk möglich war. Er machte die Josephinenhütte zu einer der bedeutendsten Glashütten der Welt.

Konzert in der kleinen Kirche: Liedermacher Janusz Kurowski besang das Riesengebirge.
Foto: lvsn

Erst die Arbeit, dann die Kultur

Nach der Arbeit kam das Vergnügen. Durch Grillwürste, Salzgurken und Griebenschmalz-Schnitten gestärkt eilten die Teilnehmer zum Konzert in die kleine Kirche von Nieder-Schreiberhau. „Sie ist das älteste Gebäude der Stadt. Die Freunde Schreiberhaus haben sich für die Restaurierung des Gotteshauses eingesetzt, da der katholischen Kirche die finanziellen Mittel dafür fehlen“, so der Landsmannschaftler. Das Nieder-Schreiberhauer Gotteshaus soll in Zukunft vorwiegend kulturellen Zwecken dienen, ohne die kirchliche Nutzung aufzugeben. „Am 21. September wurden seine Tore extra für ein Konzert mit dem Liedermacher Janusz Kurowski aus Lodsch (Łódź) geöffnet. Seine Lieder handelten von der Liebe zum Riesengebirge”, so Scholz. „Und zur Feier des Tages erschienen zwei der deutschen Schlesier in der Schreiberhauer Tracht“, betonte er.
Der Nieder-Schreiberhauer Friedhof wurde einst als Pantheon des Riesengebirges bezeichnet. Dort fanden bedeutende Vertreter der Schreiberhauer Künstlerkolonie ihre letzte Ruhestätte, so beispielsweise der Dramatiker und Schriftsteller Carl Hauptmann (1858-1921),der Schriftsteller Wilhelm Bölsche (1861-1939), der Maler, Grafiker, Medailleur und Schriftsteller Hans Fechner (1860-1931) sowie der Schriftsteller Hermann Stehr (1864-1940).

Seit 2023 informiert eine zweisprachige Tafel über die Geschichte dieser Nekropole. Auch diese Initiative wurde von der Landsmannschaft Schlesien, Landesverband Sachsen-Schlesische Lausitz, wie der Vereinsregistereintrag vollständig und in Würdigung des schlesischen Landesteils richtig heißt, ins Leben gerufen.

kan/lvsn

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