Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Bildungsarbeit über die Grenzen hinweg

Eine Gruppe Reisender aus Nordrhein-Westfalen, die sich für Landwirtschaft interessiert, aber auch den europäischen Nachbarn Polen kennenlernen wollte, besuchte Schlesien. Ein Drittel der Gruppe war noch nie in Polen gewesen, einige hingegen pflegen rege Kontakte. Die Eindrücke waren vor allem mit großem Staunen verbunden.

„Die Idee entstand durch den Austausch, den wir für junge Landwirte, die kurz vor einer Hofübernahme stehen, organisieren. Zuerst geht es in Herz der Politik Deutschlands – nach Berlin, und dann ins Herz Europas nach Oberschlesien, um hier die Situation der Landwirtschaft kennenzulernen. Die jungen Leute haben immer so begeistert davon berichtet, dass nun die Eltern gesagt haben, sie würden das auch gerne mal sehen“, sagt Karin Ziaja, Pädagogische Mitarbeiterin an der Katholischen Landvolkshochschule in Freckenhorst, einer Bildungsstätte des Bistums Münster. Der erste Programmpunkt war eine Stippvisite im Deutschen Bundestag, danach ging es nach Breslau, Schweidnitz und Kreisau.

Durch Gespräche mit Landwirten vor Ort sehen die Gäste aus Deutschland wie sich die Landwirtschaft in Schlesien verändert hat.

Kreisau

Josef Everwin ist nicht das erste Mal in Polen. „Breslau hat sich rasant entwickelt, aber was mir als Landwirt wehtut, sind die Flächen an Land, die beispielsweise für den Ausbau der Straßen benötigt werden. Was mich hingegen freut, ist, dass die Autobahn von Berlin nach Breslau nicht mehr mit Dehnungsfugen ist“, lacht er. Der Besuch in Kreisau liegt ihm sehr am Herzen: „Ich war bereits mit den jungen Landwirten in Kreisau. Ökonomie und Landwirtschaft kann man zwar in jedem Land sehen, aber die Zeit des Widerstandes mit James von Moltke, die Geschichte, wie man Widerstand organisiert, bis in die Vereinigten Staaten hinein, das war den jungen Menschen neu. Und deswegen finde ich den Besuch von Kreisau, als eines der allerwichtigsten Orte in Polen, wo man die Verbindung von Gestern zum Morgen schaffen kann, ungemein wichtig. Das ist ein Zentraler Punkt für die zukünftige ethische Entwicklung der Menschen“, resümiert Josef Everwin und verrät, dass im Bus schon darüber diskutiert wurde, was die Reisenden tun könnten, um das Netz der Partner für die Stiftung Kreisau auszubauen: „Durch direkte Gespräche mit Schulvertretern können wir solche Partnerschaften anregen, damit Bildungsarbeit über die Grenzen hinweg gemacht werden kann“, überlegt er. „Der Kreisauer Kreis war mir, und auch dem Großteil unserer Gruppe, absolut nicht bekannt. Man kennt ja den von Stauffenberg, aber das war auch alles. Ich freue mich sehr, dass wir diesen Punkt auf unserem Programm hatten. Mir hat es sehr viel gebracht, ich werde die Anregung auch meinen Enkelkindern weitergeben. Es ist sehr wichtig, das hochzuhalten, wie mutig unsere Vorfahren waren“, sagt Hermann Wissing.  „Ich habe viel davon gehört, aber erst jetzt durch diesen Besuch in Kreisau, habe ich eine total andere Vorstellung bekommen“, sagt Paul Schlöpker mit Tränen in den Augen.

„Ich weiß, wie sehr man bäuerlichen Betrieben hängt, das sind Generationen an Erinnerungen.“

Landwirtschaft

In Schlesien hat der Milcherzeuger Martin Ziaja viele Kontakte zu aktiven Landwirten, mit denen Treffen vereinbart worden waren: „Ich organisiere gerne solche Reisen, vor allem aus Schlesien nach Deutschland zu Messen wie die Agritechnica, wo wir unterwegs auch etwas besichtigen. Jedes Jahr empfange ich auf meinem Betrieb Reisegruppen, vor allem aus Deutschland“, sagt Martin Ziaja. 2015 war Josef Everwin mit einer Gruppe bereits in Schlesien: „Ich bin sehr überrascht, wie sich – vor allem in der Umgebung von von Oppeln – das Land entwickelt hat. Ich muss sagen, wo Polen ist, ist vorne. Ich staune, mit welcher Präzision und mit welcher Geschwindigkeit das geschehen ist. Das Land hat alles genutzt, was Brüssel geboten hat.“ Dem Bauer aus Telgte im Münsterland fällt noch etwas anderes auf: „Ich weiß, wie sehr man an bäuerlichen Betrieben hängt. Das sind ganze Generationen an Erinnerungen. Einerseits bin ich erstaunt und andererseits erfreut darüber, dass es in Polen nicht nur Großstrukturen gibt, wie es in Deutschland der Fall ist. Sondern dass hier ein bisschen darauf geachtet wird, dass jeder mitgenommen wird. Und solange man in der Familie Interesse für das Land pflegt, das auch beibehält“, sagt er. „Landwirtschaft wird hier mit einer großen Portion Idealismus betrieben“, beurteilt Landwirt Hermann Wissing die Situation in Schlesien, nachdem er mit der Gruppe einige landwirtschaftliche Betriebe besucht hat. Seine Beobachtungen teilt auch Paul Schlöpker: „Alle haben mit einfachen Mitteln und ein paar Hektar Land angefangen, und nun ist die Landwirtschaft hier, mit Werkzeugen, Sondermaschinen auf höchstem Niveau“, sagt der Rentner Paul Schlöpker, der zwar kein Landwirt ist, der aber wegen seiner Ausbildung in der Landmaschinenfabrik Claas viele Zusammenhänge in dem Bereich kennt, und nun diese mit der Reise noch besser kennenlernen wollte.

Viele aus der Gruppe sind das erste Mal in Polen.
Fotos: Manuela Leibig

Gesellschaft

Des Weiteren besuchte die Gruppe zahlreiche Kirchen, kulturelle und geschichtliche Orte in Schlesien. „Diese Mischung im Programm zeigt, wie sich die Region – insbesondere seit dem EU-Beitritt – in den letzten 20 Jahren eigentlich neu erfunden hat. Sie hat starke historische, deutsch-polnische Wurzeln, und zugleich gibt es hier so viel Mut und Aufbruch. Darüber wird in unseren Medien fast gar nicht berichtet, was ich sehr schade finde. Durch den regen Austausch vor Ort wollten wir das der Gruppe zeigen“, erklärt Karin Ziaja. „Ich bin davon überzeugt, dass die Oberschlesier effektiv und mutig handeln. Das sehe ich nicht nur an der Reise hier, sondern an meinem Schwager, der mit 12 Jahren aus Schlesien nach Westen vertrieben wurde. Bei ihm ist der Familienzusammenhalt sehr wichtig, das fällt uns richtig auf. Er hatte auch immer den Mut, vieles anzupacken und aufzubauen“, sagt die Rentnerin Margaret Schlöpker. Entdeckt hat sie in Schlesien aber noch etwas: „Es ist verblüffend, dass hier so viele Menschen Deutsch sprechen. Wir hatten ein Treffen mit der Vizemarschallin Zuzanna Donath-Kasiura, die uns erklärte, dass die deutsche Minderheit sich nicht zum Kaffeetrinken trifft, sondern kulturell und auch politisch in der Region sehr aktiv ist“, so Margaret Schlöpker, die gemeinsam mit ihrem Mann die Reise nach Schlesien unternommen hat. „Ich wusste schon, dass hier die Menschen der deutschen Sprache mächtig sind, aber ich bin überrascht, dass sich die deutsche Minderheit so lange hält und auch gepflegt wird“, konstatiert mit Erstaunen Herman Wissing nach dem Treffen mit der Vizemarschallin.

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