Die Masurische Gesellschaft existiert seit über 30 Jahren. Eine wichtige Veranstaltung, die sie regelmäßig organisiert, ist das Begegnungstreffen, das früher zweimal und heute noch einmal im Jahr stattfindet. Die 31. Ausgabe dieses Treffens gab es im Dorf Kruttinnen (Krutyń) – mit einem reichen und vielfältigen Programm.
„Das kulturelle Erbe als Verbindung zwischen den Generationen“ – so lautete das Rahmenthema des Treffens der Masurischen Gesellschaft. Ein wichtiges Anliegen, denn die kommenden Generationen sollen die regionalen Traditionen fortsetzen. Kein einfaches Unterfangen, wie die Vorsitzende des Vereins, Barbara Willan, bei der Begrüßung feststellte: „Jede Generation baut sich ihre eigene Welt auf. Darin sollte Platz sein für die Achtung und das Verständnis für andere.“ Doch wie sieht das Erbe aus, für das sie Achtung haben sollen? Und wie gibt man dieses weiter?
Christliche Werte in der Literatur
Ein Informationsträger für die Weitergabe von Kultur sind Bücher. Die ostpreußische Literatur hat Paweł Hause, Bischof der Diözese Masuren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, unter die Lupe genommen. Sie zeigt als Spiegel der Gesellschaft die evangelische Frömmigkeit, die die Masuren auszeichnete – sowohl die Autoren als auch die Helden ihrer Bücher. „Es kommen häufig Pastoren vor und sie werden mal ironisch betrachtet und ein wenig verspottet, aber es wird auch sympathisch und sanft mit ihnen umgegangen; eben wie im richtigen Leben“, erläutert Bischof Hause. Doch der christliche Einfluss zeigt sich nicht nur in diesen Figuren, sondern auch in vielen Bräuchen und im Alltag.
Ein Autor, der diesen Alltag im 19. Jahrhundert genau beobachtet hat, war Martin Gerss. Eines seiner Werke mit dem Titel „JestBóg!“ hat der Polonist und Professor Zbigniew Chojnowski von der Ermländisch-Masurischen Universität in Allenstein im Jahr 2020 neu herausgegeben. Kritisch betrachtet von manchen Kollegen, wie er meint: „Es wird den Masuren vorgeworfen, kein polnisches Nationalgefühl gehabt zu haben. So etwas gab es damals zur Zeit von Gerss aber noch gar nicht. Sie waren eben loyal zu ihrem Herrscher, und das war der preußische König.“
Bücher, Marzipan und regionale Identität
Außer dem Buch von Gerss, das eher der moralisierenden Literatur zugerechnet werden kann, präsentierte Hanna Schoenherr von der Masurischen Gesellschaft drei Bücher aus der neueren deutschen Literatur. Joanna Wańkowska-Sobiesiak, die früher für den Woiwoden von Ermland-Masuren als Bevollmächtigte für Minderheitenfragen tätig war und schon einige Bücher in diesem Bereich geschrieben hat, stellte ihr gerade erschienenes neuestes Werk „Mazurówklucztejamnic“ vor.
Die lebhafteste Diskussion konnte aber Anita Romulewicz von der Woiwodschafts-Bibliothek in Allenstein für sich verbuchen. Ihr Thema waren kulinarische Traditionen in Ermland und Masuren. Was dazu gehört und was doch nicht, darüber hatten die Teilnehmerinnen unterschiedliche Meinungen. Mit Sicherheit aber das Königsberger Marzipan, das auch in Elbing produziert wird. „Wichtig ist, dass es im Gegensatz zum Lübecker Marzipan am Ende leicht gebacken wird“, erinnerte Anita Romulwicz.
Über Projekte an ihrer Schule zur regionalen Identität berichtete dann beeindruckend die Polnischlehrerin Marta Sarnowska vom XII. Lyzeum „Maria und Georg Dietrich“ in Allenstein. Das Ziel: Interesse wecken und die Aufmerksamkeit der jungen Menschen auf die Möglichkeiten lenken, Wissen über das Umfeld, über die regionale Geschichte zu erwerben. Eine davon ist die Mitarbeit bei deutsch-polnischen Jugendprojekten, wie sie unter anderem die Gesellschaft „Blusztyn“ durchführt, die sich vorwiegend im Raum Rastenburg um alte Friedhöfe als schweigende Zeugen der Erinnerung kümmert und die Geschichte der dort ruhenden Einwohner erforscht. Diese Projekte und allgemein die Tätigkeit von „Blusztyn“ stellte ihr Vorsitzender Cezary Korenc ausführlich vor.
Uwe Hahnkamp
BUs:
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2. Barbara Willan, Maria Grygo, Ewa Dulna (v. l. n. r.) Foto: Uwe Hahnkamp