Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Alleinstellungsmerkmal der Region (+Video)

„Wie viele Sprachen du sprichst, sooft mal bist du Mensch“, sagte einst der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe. In Schlesien sind Englisch und Deutsch die beiden Sprachen, die in den Schulen am häufigsten gelehrt werden. Deutsch wird dabei sowohl als Fremdsprache als auch als Minderheitensprache unterrichtet. Diese Sprachkenntnisse sind aber nicht nur für Mitglieder der deutschen Minderheit von Bedeutung, sondern auch Alleinstellungsmerkmal für die Oppelner Region als Wirtschaftsstandort.

Noch vor einigen Jahren gab es in der Oppelner Region mehrere Oberschulen, die erweiterten Deutsch- oder sogar zweisprachigen Unterricht angeboten haben. Heute blieben zwei Schulen mit zweisprachigen Klassen. Eine in Groß Strehlitz und eine in Oppeln. In der letzteren, genauer im dortigen Zweiten Lyzeum, ist u. a. Dr. Sonia Wacław Deutschlehrerin. „Wir legen großen Wert auf vielfältige Entwicklung der Schüler, wenn es um die Sprache geht. Wir pflegen Kontakte zur Österreichbibliothek, zu Medien. Die Schüler nehmen an Wettbewerben und Olympiaden teil, wo sie ihr Wissen und die deutschen Sprachkenntnisse erweitern und vertiefen können“, sagt sie und unterstreicht, dass nicht nur Kinder von Rückkehrern aus Deutschland oder von Mitgliedern der deutschen Minderheit mit sprachlichen Vorkenntnissen die zweisprachigen Klassen besuchen. Es kommen auch solche, die Deutsch in der Schule gelernt haben und dieses Potenzial weiter nutzen wollen.

Der Deutschunterricht zahlt sich aus. Foto: Schlesien Journal

Arbeitsmarkt

Dass die deutschen Sprachkenntnisse für die jungen Menschen nicht erst Jahre später im Berufsleben einen Vorteil bringen, zeigt z. B. Marzell Rogosch. „Im Sommer hatte ich einen Kurzzeitjob in Deutschland. Und weil ich Deutsch spreche, hat mir das viel ermöglicht. Ich konnte mich einfach mit meinem Chef und meinen Kollegen unterhalten und dabei viel Neues lernen“, sagt der Schüler des Zweiten Lyzeums. Später, so Marzell, wolle er ebenfalls in einer deutschen Firma arbeiten, dann aber nach Möglichkeit hier vor Ort. Seine Sprachkenntnisse könnte er nutzen, um in der polnischen Niederlassung einer Firma die deutsch-polnische Kommunikation einfacher zu gestalten.

Solche Firmen mit deutschem Kapital oder einer deutschsprachigen Kundschaft haben sich in den letzten Jahren bereits mehrere in der Oppelner Region angesiedelt. Etwa 2.500 Arbeitsplätze mit Deutschkenntnissen sind in den letzten Jahren entstanden. „Es handelt sich um Unternehmen, die eine große Zahl von Mitarbeitern benötigen, die nicht nur gut bis sehr gut Deutsch sprechen, sondern auch mit der deutschen Kultur vertraut sind und sich mit ihren Geschäftspartnern auf der anderen Seite der Grenze in angemessener Weise unterhalten können“, sagt der Germanist Dr. Jarosław Bogacki von der Universität Oppeln, der seinerzeit die Stadtverwaltung der Woiwodschaftshauptstadt bei Kontakten mit deutschen Unternehmen begleitet hat.

Dank der neuen Arbeitsplätze, so hat er beobachtet, bleiben immer mehr Absolventen der Hochschulen und Oberschulen mit Deutschkenntnissen in ihrer Heimat. Hier finden sie eine gute Arbeit mit Entfaltungsmöglichkeiten auch im privaten Bereich. „Ich weiß, dass viele Jahre lang unsere Germanistikabsolventen die Region verließen, um bei Tante oder Onkel in Deutschland zu arbeiten. Aber seitdem sich die erwähnten Firmen hier niedergelassen haben, ist dieser Prozess gestoppt worden“, meint Jarosław Bogacki.

Die Möglichkeit, in seiner Heimat zu bleiben, hat auch Piotr Lyra wahrgenommen. Er ist Absolvent des Zweiten Lyzeums in Oppeln und hat dank seiner guten Deutschkenntnisse in der Woiwodschaft Oppeln einen gutbezahlten Job gefunden. In Malapane ist er Technischer Leiter in einer Produktionsfirma mit deutschem Kapital. „Die deutsche Sprache hilft mir sehr in meiner Arbeit, wir betreuen deutschsprachige Kunden, auch ist der Hauptsitz unserer Firma in Hildesheim. Ich habe also sehr viel Kontakt mit deutschsprachigen Menschen, ob es nun Kollegen und Kolleginnen sind oder unsere Kunden“, sagt Piotr Lyra.

Denn viele Firmen in der Region brauchen deutschsprachige Mitarbeiter. Foto: Schlesien Journal

Zukunft

„Es gibt keine andere Region, in der so viele Menschen so gut Deutsch sprechen. Und das ist der Hauptgrund, warum Unternehmen, die Geschäftspartner oder Kunden in Deutschland haben, nach Oppeln und in die Region kommen. Das sind Unternehmen, die eine große Anzahl von Mitarbeitern brauchen, die nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur beherrschen“, meint Dr. Bogacki.
Doch die zukünftige Ausbildung von Arbeitskräften mit guten Deutschkenntnissen ist seit über einem Jahr gefährdet. Durch die Kürzungen des Deutschunterrichts als Minderheitensprache von drei Stunden in der Woche auf eine ist die Gefahr groß, dass dieses Alleinstellungsmerkmal der Region verschwindet. „Die Schüler kommen dann mit weniger Wissen und Erfahrung, sodass wir Grundkenntnisse vermitteln müssen. So kann es sein, dass wir vor allem Anfänger im Unterricht haben werden, die wir in vier Jahren Oberschule nicht mehr so weit fördern können, als wenn sie mit besseren Deutschkenntnissen kämen“, sagt die Deutschlehrerein Dr. Sonia Wacław und Dr. Jarosław Bogacki betont im Hinblick auf die Wirtschaft in der Region: „Aus Gesprächen mit Partnern der Universität, die in Oppeln präsent sind, weiß ich, dass das Hauptaugenmerk für die Entwicklung dieser Unternehmen im Wesentlichen in der Zahl der Deutschsprechenden liegt. Wenn ihre Zahl in der Region Oppeln schrumpft, könnten diese Unternehmen aus Oppeln verschwinden. Das würde bedeuten, dass junge Menschen, die hier ihren Schulabschluss machen, außerhalb der Region nach Arbeit suchen müssten, was ein großer Verlust wäre und erheblich zur Entvölkerung der Region beitragen würde.“

Die Kritik der deutschen Minderheit an den Kürzungen des Deutschunterrichts ist also keineswegs nur der Wunsch einer kleinen Gruppe von Menschen, aus öffentlichen Mitteln kostenlosen Unterricht zu erhalten. Auch die Forderung des Abgeordneten Janusz Kowalski sowie Bildungsministers Przemysław Czarneks, den minderheitensprachlichen Unterricht auf Mitglieder einer konkreten Volksgruppe zu beschränken und damit die Mehrheitsbevölkerung auszuschließen, ist allein aus wirtschaftlicher Sicht für die Region kontraproduktiv.

Trotz dieser politischen Entscheidungen appelliert Dr. Jarosław Bogacki: „Ich ermutige die Eltern, ihre Kinder in ihrer Entscheidung zu unterstützen, die Sprache auf allen Ebenen der Schulbildung zu lernen. Und das sage ich sowohl den Eltern, die sich gleichzeitig der polnischen, deutschen oder schlesischen Kultur zugehörig fühlen als auch den Eltern, die mit der deutschen Kultur nichts zu tun haben. Die deutsche Sprache bietet potenziell sehr gute Möglichkeiten, sich zu entwickeln, nicht weit weg von der Familie zu arbeiten, sondern hier vor Ort mit der Möglichkeit, soziale und familiäre Bindungen zu erhalten. Und das ist ein sehr wichtiges Element für die Entwicklung unserer Region.“

Ewa Stolz

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