Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ampel oder Jamaika?

Bei der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag triumphiert die SPD, die Union aus CDU und CSU fährt hingegen ein historisch schlechtes Ergebnis ein. Aus ihrem Sieg leiten die Sozialdemokraten einen klaren Regierungsauftrag ab, doch auch Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat die Hoffnungen auf das Kanzleramt noch nicht aufgegeben. Und was meint die deutsche Minderheit zu den Ergebnissen?

Nach einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union hat die SPD die Bundestagswahl knapp für sich entschieden. Die Sozialdemokraten um den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz erreichten 25,7% der Zweitstimmen und werden damit die stärkste Fraktion im neu gewählten 20. Deutschen Bundestag stellen. Für CDU/CSU und ihren Kanzlerkandidaten Armin Laschet ist das Wahlergebnis hingegen eine herbe Enttäuschung. Nur 24,1 Prozent der Zweitstimmen gingen an die Christdemokraten, ein Minus von 8,9% im Vergleich zur letzten Bundestagswahl 2017 – und das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte.

 

 

 

Auf Platz drei liegen mit 14,8% die Grünen, die sich trotz deutlicher Zugewinne mehr erhofft hatten. Freude hingegen bei der FDP: Mit ihren 11,5% werden die Liberalen aller Wahrscheinlichkeit nach – genauso wie die Grünen – an der neuen Bundesregierung beteiligt sein. Die Linkspartei scheiterte derweil an der Fünf-Prozent-Hürde, gewann aber drei Direktmandate und wird deshalb auch im kommenden Bundestag mit 39 Abgeordneten vertreten sein. Die Alternative für Deutschland (AfD) bleibt zweistellig (10,3%) und wurde in Sachsen und Thüringen sogar stärkste politische Kraft. Nach vielen Jahrzehnten wird auch der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) wieder in den Bundestag einziehen. Als Partei der dänischen Minderheit in Südschleswig konnte sie ein Bundestagsmandat erringen.

Die Regierungsbildung wird nun alles andere als einfach. Mehrere Parteienbündnisse sind möglich, darunter eine sogenannte Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen – unter einem Kanzler Scholz. Dieser bekräftigte am Montagvormittag seinen Anspruch auf das Kanzleramt und sieht in dem Wahlergebnis einen klaren Auftrag für Rot-Grün-Gelb. „Diese drei sollen die nächste Regierung führen“, so Scholz. Aber auch Armin Laschet kann noch Bundeskanzler werden, vorausgesetzt seine Union kann sich mit der FDP und den Grünen auf eine Jamaika-Koalition einigen. Diese Situation bringt die FDP und die Grünen in die mächtige Position der Königsmacher – denn ohne die beiden Parteien gibt es wahrscheinlich keine neue Regierung. Am Montagmittag kündige FDP-Chef Christian Lindner bereits „Vorsondierungen“ mit den Grünen über eine mögliche Regierungszusammenarbeit an. Der Koalitions-Poker ist also schon in vollem Gange.

 

„Es hängt vieles von uns ab“

Die Bundestagswahlen sind nicht nur für Deutschland und die Deutschen wichtig. Natürlich werden sie auch aus dem Ausland genauestens beobachtet, darunter auch von den deutschen Minderheiten, für die das Ergebnis konkrete Folgen hat.

„So spannend war es seit Jahren nicht mehr“, sagt kurz nach der Wahl Rafał Bartek, Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien. Seiner Meinung nach werden die Verhandlungen nicht so lange dauern wie vor vier Jahren, da sich die Parteien schon vor der Wahl aufeinander einstellen konnten. „Was die Sache aber interessanter macht, ist die Möglichkeit, dass es nicht der größte Partner sein wird, der das Regierungsprogramm bestimmt, sondern die Koalitionspartner, die aus der Situation heraus eine bessere Stellung haben. Zum Schluss kann das Koalitionsprogramm eher gelb und grün statt schwarz oder rot sein“, meint Rafał Bartek.

 

Wird Olaf Scholz oder Armin Laschet Bundeskanzler?
Fotos: Dirk Vorderstraße-flickr.com

 

Welche der großen Parteien nun aber den Bundeskanzler stellen soll, ist keineswegs klar, meint Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbandes deutscher Gesellschaften. „Olaf Scholz sagte, er sieht einen klaren Auftrag der Wähler zur Regierungsbildung mit den Grünen und der FDP. Ich sehe diesen Auftrag nicht, denn der Unterschied beträgt gerade einmal 1,5%. So können wir sagen, dass beide Parteien fast gleich stark oder schwach sind. Dieses Ergebnis ist für mich eher ein Beweis dafür, dass die Ära der großen Volksparteien zu Ende geht, die bei Ergebnisse weit über 30% wirklich von Regierungsaufträgen sprechen konnten“, sagt Bernard Gaida.

Und was bedeutet das jetzige Ergebnis der Bundestagswahl für die deutsche Minderheit in Polen? „Ich freue mich, dass wir zum wiederholten Mal als VdG die Wahlprüfsteine an die Parteien gesendet und auch durchaus positive Antworten erhalten haben, was unsere Anliegen anbelangt. Ein Ausgangspunkt zu Gesprächen ist also da“, sagt Rafał Bartek.

Bernard Gaida geht allerdings weiter. „Auch das jeweilige Wahlprogramm der Parteien spielt eine Rolle und da sieht man, dass wir außer in der Union nirgendwo sonst erwähnt werden. Das heißt, die Minderheitenpolitik steht für die anderen Gruppierungen an einer weit entfernten Stelle. Und das bedeutet für uns, nach Jahren des verstärkten Kontaktes mit der Union, nun die bereits vorhandenen Kontakte zu anderen Parteien auszubauen mit dem Ziel, die Minderheitenpolitik und –förderung auch in den Koalitionsvertrag und das Regierungsprogramm der nächsten Bundesregierung zu bekommen“, betont der VdG-Vorsitzende.

 

 

Das bedeutet also einerseits jetzt, Lobbyarbeit zu betreiben, was die von Bernard Gaida geführte Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten tun wird. Andererseits werde am Ende vieles auch an der jeweiligen Minderheit selbst liegen, auf welche Unterstützung sie wird hoffen können. „Es hängt vieles von uns ab. Wenn uns die Ideen ausgehen und wir keine neuen Argumente vorlegen können, wieso die Sprache und Kultur geschützt und gefördert werden müssen, dann kommen wir, egal bei welcher Regierung, in Schwierigkeiten“, sagt der SKGD-Vorsitzende.

 

Lucas Netter

Rudolf Urban

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