Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Der Appetit wächst

Die Europeada – die Fußballeuropameisterschaft der nationalen und ethnischen Minderheiten ging vor zwei Wochen zu Ende. Der FC DFK Oberschlesien, der bei dem Turnier die Bronzemedaille gewann, vertrat die deutsche Minderheit in Polen. Krzysztof Świerc sprach mit Mateusz Labusek, dem Trainer der Mannschaft über das Turnier und seine Leidenschaft für Fußball.

 

Unter Ihrer Leitung hat der FC DFK Oberschlesien als Vertreter der deutschen Minderheit in Polen bei der Europeade 2022 die Bronzemedaille gewonnen! Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für diesen großen Erfolg?

Auf dieses Ergebnis hat das gesamte 24-köpfige Team hingearbeitet, nicht nur die Spieler, obwohl ohne sie, ihre Fähigkeiten und ihren Schweiß ein solcher Erfolg nicht möglich gewesen wäre. Die große Rolle, die Martin Lippa, Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen in der Woiwodschaft Schlesien, bei der gesamten „Operation Europeade 2022“ gespielt hat, sollte jedoch besonders hervorgehoben werden. Er war es, der das gesamte Team des FC DFK Oberschlesien organisierte und sich um die Finanzierung dieses Vorhabens kümmerte! Um ein solch spektakuläres Ergebnis zu erzielen, hatte Martin Lippa bereits 7 bis 8 Monate vor dem Turnier mit der Arbeit an diesem Projekt begonnen und half uns während des Turniers ständig bei der Organisation. So mussten wir uns um nichts kümmern, sondern konnten einfach nur gut spielen und an Siege denken.

 

Mateusz Labusek
Foto: privat

 

Sie haben auch Mariusz Kowolik als jemanden erwähnt, der sich bei diesem Turnier als äußerst wichtig für die gesamte Mannschaft erwiesen hat.

Eindeutig ja. Ihm ist es zu verdanken, dass uns während des gesamten Turniers kein einziges Mal das Wasser oder die Vitamine ausgingen. Wir haben uns auch keine Gedanken darüber gemacht, ob wir am nächsten Tag in sauberer Spielkleidung antreten können usw. In dieser Hinsicht hatten wir einen „klaren Kopf“. Die Folge: Die Nächte von Mariusz Kowolik waren praktisch schlaflos. Unser Physiotherapeut Tomasz Szpunar – ein absoluter Profi – leistete bei dem Turnier ebenfalls Schwerstarbeit. Unsere Spieler haben das schnell erkannt und ihn 24 Stunden am Tag in Anspruch genommen. Nicht zuletzt nach jedem Spiel, um wieder zu sich zu kommen, und auch davor, um die entsprechende Behandlung zu erhalten, um beim nächsten Spiel wieder voll einsatzfähig zu sein. Und die Belastung war ja enorm, denn wir hatten praktisch jeden Tag ein Spiel. Deshalb denke ich, dass die Arbeit von Tomek Szpunar für uns sehr wichtig war. Auch unser Fahrer war sehr hilfreich, indem er mich zu verschiedenen Orten brachte, damit ich die Gegner, gegen die wir im jeweils nächsten Spiel antreten sollten, beobachten konnte, was es mir sehr leicht machte, eine Taktik für bestimmte Gegner auszuwählen.

 

Welches Spiel des Turniers war das schwerste für die Mannschaft und welches das leichteste?

Es gab kein leichtes Spiel und der härteste Gegner war unser Halbfinalgegner, der uns ausgeschaltet hat. Es war der 4-fache Gewinner der Europeade – aus Südtirol. Ich muss jedoch hinzufügen, dass wir diese Mannschaft gut durchschaut hatten. Ich habe ihre anderen beiden Spiele gesehen und ich sage, dass es ein schlagbarer Gegner war, den wir hätten besiegen können. In dieser Begegnung wurden wir jedoch zwei Mal überrascht, und zwar mit Dingen, die wir hätten erwarten können. In diesem Spiel lagen wir bereits mit 0:2 zurück und verloren dabei das zweite Tor in der 70. Minute. Trotzdem gaben unsere Spieler auch nach dem zweiten Gegentreffer nicht auf und versuchten mit noch mehr Energie, das Spiel doch noch zu drehen. Schließlich erzielten wir in der 85. Minute den Anschlusstreffer zum 1:2. Von diesem Moment an preschten wir bis zum Schluss – mit den 6 Minuten Nachspielzeit also bis zur 96. Minute – unaufhörlich nach vorn. Leider ist uns der angestrebte Ausgleich nicht gelungen. Nichtsdestotrotz haben wir uns sehr gut präsentiert, denn wir haben gegen einen so hochklassigen Gegner nur knapp ein Unentschieden verpasst.

 

Die Fußballer des FC DFK Oberschlesien in Aktion
Foto: Europeada

 

War es für diese Mannschaft machbar, die Goldmedaille zu gewinnen?

Als der Schiedsrichter das Halbfinalspiel, das wir mit 1:2 verloren haben, abpfiff, sah ich in den Augen aller 24 Teammitglieder unseres FC DFK Oberschlesien, wie traurig und enttäuscht sie waren. Denn wir sind nicht ins Finale gekommen, dabei waren wir ja auch dafür nach Kärnten gereist! Im Vorfeld wollten wir eigentlich nur möglichst gut abschneiden und hätten uns sehr gefreut, wenn uns jemand gesagt hätte, dass wir Dritter werden würden. Doch im Rückblick darauf, wie wir im Turnier gespielt haben, einschließlich der Niederlage im Halbfinale, war kaum einer von uns mit der Bronzemedaille zufrieden. Ich habe versucht, die Mannschaft zu trösten, ihr klarzumachen, dass wir wirklich erfolgreich waren, dass wir alle unser Bestes gegeben haben – und dennoch war es schwierig, jemanden in unserem Team zu finden, der zufrieden war. Nun, der Appetit wächst mit dem Essen und irgendwann hatten wir alle Lust auf mehr. Wir begannen, ernsthaft an den Gewinn der Goldmedaille zu glauben.

 

Bei der Zusammenstellung der Mannschaft haben Sie mehr wie ein Auswahltrainer als wie ein Coach gearbeitet. Was waren Ihre wichtigsten Überlegungen bei den Berufungen für das Turnier?

Das war eine neue Erfahrung für mich und ich habe tatsächlich bis zu einem gewissen Grad wie ein Auswahltrainer gearbeitet. Meine Rolle beschränkte sich hauptsächlich auf die Grundlagen der Taktik. Ich habe mich auf zwei oder drei defensive Spielelemente konzentriert, ebenso in der Offensive auf einige Standards. Für mehr war keine Zeit, denn vor dem Turnier haben wir uns nur fünfmal getroffen und beim Turnier selbst war keine Zeit für ein Training zur Verbesserung der fußballerischen Könnens. Das war einfach unmöglich. Wir hatten jeden Tag ein 90-minütiges Spiel, also haben wir nur das morgendliche Aufwärmen gemacht, das nicht mehr als eine Einführung in den aktiven Tag war. Deshalb war die Auswahl der Spieler für die Europeade 2022 nicht ganz einfach, denn die Einschränkungen waren erheblich. Hinzu kommt, dass die Europeade in der Ferienzeit stattfand, sodass viele Fußballer nicht mitkommen konnten. Andere wurden für diese Zeit nicht von der Arbeit freigestellt oder verbrachten ihren Urlaub bei der Familie, was ich respektieren musste.

 

Die Fußballer des FC DFK Oberschlesien in Aktion
Foto: Europeada

 

Dennoch waren die Spieler, die an der Europeade 2022 teilnahmen, für diese Art von körperlicher, aber auch mentaler Anstrengung bestens geeignet.

Apropos Mentalität, ich habe Spieler mit viel Charakter für die Mannschaft ausgewählt. Die Art von Spielern, die sich während eines Turniers nicht darüber beschweren, nicht jammern oder meckern, dass sie nicht die vollen 90 Minuten spielen konnten, schließlich konnte ja nicht jeder mitspielen. Dennoch war die Stimmung dank einer geeigneten Auswahl von Personen hervorragend. Den Spielern, die nicht über die volle Spieldauer zum Einsatz kamen, war bewusst, dass sie Teil der Mannschaft sind. Sie wussten auch, dass sie in einem anderen Spiel, später im Turnier oder im Falle einer Verletzung, gebraucht werden würden. Ich möchte noch hinzufügen, dass ich die Möglichkeit hatte, Spitzenspieler aus ihren Vereinsmannschaften zu berufen. Wie sich herausstellte, bewährten sie sich auch in unserem Kollektiv, das sie über ihr eigenes Ego stellten, sehr gut. Dabei standen mir Spieler aus den Woiwodschaften Oppeln und Schlesien zur Auswahl – also eine riesige Anzahl von Spielern, sodass ich zwangsläufig nicht jeden kennen konnte.

 

Wie wichtig war das taktische Verständnis der Spieler, die Sie berufen haben, und welches System hat unsere Mannschaft gespielt? Das klassische 4-4-2 oder etwa, wie Bayern München, 4-2-3-1, oder vielleicht 4-5-1 oder 3-5-2?

Ohne das taktische Verständnis, dass die Spieler in 15 bis 20 Jahren erworben haben, hätten meine Worte und meine multimedialen Besprechungen nicht ausgereicht, um die von mir skizzierte Taktik auf dem Platz umzusetzen. Unsere Spieler hatten es zuvor in ihren Vereinen gelernt. Daher wussten sie genau, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten mussten, etwa wenn wir von einem oder sogar Stürmern unter Druck gesetzt wurden. In der Regel spielten wir in der Defensive in einem 4-5-1-System und wechselten in der Offensive in ein 3-5-2-System, je nachdem, wie der Gegner uns angreifen wollte und ob er mit einem oder zwei Stürmern Druck machten wollte. Ich möchte aber nochmals wiederholen: Das wurde nicht während der fünf Trainingseinheiten einstudiert, die wir vor dem Start der Europeade 2022 hatten, sondern es lag an der Auswahl der Leute/Spieler, an ihrer Intelligenz, Erfahrung und Klasse. Sie waren es, die durch Gespräche, Einsatzbesprechungen im Vorfeld oder spätere Analysen selbst in der Lage waren, die verschiedenen Elemente im Kopf zusammenzufügen und die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen.

 

Die Fußballer des FC DFK Oberschlesien in Aktion
Foto: Europeada

 

Bitte sagen Sie uns, für welche Mannschaften Sie als Spieler gespielt haben, für welche Mannschaften Sie als Trainer gearbeitet haben und welchen Verein Sie derzeit betreuen?

Ich bin ein Eigengewächs des LKS Jedność 32 Przyszowice, wo ich schon als Kid das Fußballspielen lernte. Als Jugendlicher spielte ich bei Górnik Hindenburg (14-facher polnischer Meister, Anm. d. Red.), Gwarek Hindenburg, Piast Gleiwitz und Concordia Knurów (wo Jerzy Dudek spielte, der später für mächtige Vereine wie Feyenoord Rotterdam, den FC Liverpool, Real Madrid und die polnische Nationalmannschaft im Einsatz war, Anm. d. Red.). Concordia Knurów war auch mein erster Seniorenverein und der zweite war LKS Jedność 32 Przyszowice. Als Trainer wiederum bekam ich zunächst die Chance, beim LKS Jedność 32 Przyszowice zu arbeiten. Als ich übrigens mein Amt als Trainer übernahm, spielte der Klub in der Bezirksliga, und ich habe es geschafft, mit ihm in die vierte Liga aufzusteigen. Dann habe ich Cyklon Rogoźnik in der Bezirksliga Kattowitz-Sosnowitz trainiert und seit zwei Wochen bin ich Trainer von Śląsk Świętochłowice, der in der vierten Liga spielt.

 

Die gewonnene Bronzemedaille bei der Europeade 2022 dürfte vermutlich dazu geführt haben, dass Sie Angebote von anderen Vereinen und aus höheren Ligen erhalten haben.

Die Möglichkeit, bei Śląsk Świętochłowice zu arbeiten, ist für mich ein sehr großer sportlicher Aufstieg. Dieser Verein spielt in der vierten polnischen Liga, in der es eine Reihe starker Mannschaften gibt. Ich glaube aber, dass wir dort gut zurechtkommen werden, denn Śląsk Świętochłowice ist ein hervorragendes Projekt, an dem ich gerne teilhaben wollte. Ich habe diese Chance bekommen und bin sehr glücklich darüber. Und ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich mich damit für das Angebot entschieden habe, das meiner Meinung nach das beste für mich war.

 

Der FC DFK Oberschlesien vertrat die deutsche Minderheit aus Polen bei der Europeada.
Foto: Europeada

 

Heute ist Fußball ein großes Geschäft und nicht nur Spieler, sondern auch Trainer verdienen viel Geld. In Ihrem Fall ist dies nicht so. Trotz Ihres beachtlichen Könnens und Trainertalents, wie unter anderem die Europeade 2022 gezeigt hat, leben Sie nicht vom Fußball allein….

Das stimmt. Ich arbeite als Bergmann im Steinkohlebergwerk Bieleszowice in der Untertage-Förderabteilung und, um ehrlich zu sein, ich weiß diese Arbeit sehr zu schätzen. Es ist ein Beruf, der in Schlesien ein hohes Ansehen genießt und noch immer von großer Bedeutung ist, auch für mich.

 

Nach dem Erfolg bei der Europeade 2022 bedeutet der Name Mateusz Labusek in der Fußballwelt viel mehr als noch vor einem Monat und ich glaube, er wird noch an Wert gewinnen. Sehen Sie also eine Chance, Ihre Familie in Zukunft allein durch Ihre Arbeit als Trainer zu ernähren?

Ich möchte nicht so weit vorausdenken. Es gibt wirklich viele Trainer auf dem Fußballmarkt in Polen und Schlesien. Ich weiß auch, was mir fehlt, um ein Niveau zu erreichen, auf dem ich allein vom Fußball leben könnte. Deshalb möchte ich heute auch nicht über meine Zukunft spekulieren, was ich tun würde, wenn… Ich kann auch schwerlich sagen, ob die Aussicht, in zehn Jahren, wenn ich noch ein junger Mann bin, in den Ruhestand zu gehen, mich dazu bringen würde, Bergmann zu bleiben, auch wenn ich die Möglichkeit hätte, als Trainer gut zu verdienen. Das weiß ich wirklich nicht. Oder würde die Aussicht, als Trainer zu arbeiten und mir bei einem Verein auf zentraler Ebene einen Namen zu machen, überwiegen, wofür ich den Vorruhestand aufgeben würde? Heute habe ich jedoch kein solches Dilemma, da ich kein Angebot für eine Tätigkeit als Trainer auf zentraler Ebene erhalten habe.

 

 

Wären Sie bereit, unser Team bei der nächsten Fußballeuropameisterschaft der nationalen und ethnischen Minderheiten erneut zu leiten?

Wenn es der Wille unserer Entscheidungsträger ist und meine Gesundheit es zulässt, bin ich gerne bereit, dies wieder zu tun, zumal ein gewisses Mangelgefühl in mir und auch in den Herzen der Spieler geblieben ist. Aus diesem Grund haben auch die meisten von ihnen den Wunsch geäußert, es wieder zu versuchen. Dies gilt umso mehr, als unsere Leistungen bei der Europeade 2022 in den Woiwodschaften Schlesien und Oppeln eine so große Resonanz gefunden haben, dass für das nächste Turnier noch mehr Spieler zur Auswahl stehen werden. Und ich bin überzeugt, dass noch mehr Fußballer den Wunsch äußern werden, an diesem schönen, unvergesslichen und in seiner Besonderheit einzigartigen Turnier teilzunehmen.

 


Quelle: Europeada
Die Europeada ist die Fußball-Europameisterschaft der autochthonen nationalen Minderheiten und wird von der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) veranstaltet.

Das Turnier wurde dieses Jahr bereits zum vierten Mal durchgeführt und fand unter dem Motto „Together Unique / Skupno Enkratni / Gemeinsam Einzigartig“ bei den Kärntner Slowenen in Kärnten/Koroška in Österreich statt.

Die erste Europeada wurde 2008 bei den Rätoromanen in Graubünden in der Schweiz ausgetragen. Im Jahr 2012 waren die Sorben in der Lausitz die gastgebende Minderheit, 2016 wurde das Turnier bei den Ladinern und deutschsprachigen Südtirolern im Pustertal und im Gadertal in Italien ausgerichtet.

Bei der Europeada stehen – neben dem fairen sportlichen Wettbewerb – immer auch die Begegnung und der Austausch der Minderheiten sowie die öffentliche Promotion im Mittelpunk. Ein fester Bestandteil ist zudem ein Kulturtag, bei dem sich die einzelnen Minderheiten vorstellen.

 

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