Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Übersehene Diskriminierung

In der letzten Woche wurde im Deutschen Bundestag eine Debatte zum 15. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik durchgeführt. Bundesministerin Annalena Baerbock schrieb in der Einleitung: „Denn die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist der Grundsatz einer wertegeleiteten Außenpolitik. Es entspricht nicht nur dem Auftrag des Grundgesetzes, uns für die Wahrung der Menschenrechte weltweit einzusetzen. Sondern wir kommen so auch fundamentalen Prinzipien der Vereinten Nationen nach – festgeschrieben in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, deren 75. Jubiläum wir 2023 begehen.“

Diese Allgemeine Erklärung ist eine Verpflichtung der Staaten zur Einhaltung der Menschenrechte, deswegen berichtet die Bunderegierung auf 280 Seiten über die juristische und praktische Umsetzung der Menschenrechte in Deutschland, beschäftigt sich aber auch weltweit mit Staaten und Situationen, in denen die Umsetzung kritisch zu bewerten ist. Zu Recht steht in der Einleitung ein wichtiger Satz: „Wenn Kinder und Frauen, wenn Minderheiten und marginalisierte Gruppen in einem Staat nicht sicher sind – dann ist dort niemand sicher.“

Diese Feststellung geht davon aus, dass die Minderheitenrechte direkt in den Menschenrechten verwurzelt sind, weil jede Verletzung dieser Rechte die Würde der Menschen verletzt und auf diese Weise dem ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung widerspricht: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Diese Worte zeigen die Überzeugung der Unterzeichner der Erklärung, dass der Schutz der Würde der Menschen die Bewahrung ihrer Freiheit und das Gleichheitsgebot bedeutet.

In Bezug auf Minderheiten liegen diese Prinzipien als Grundlage des Satzes: „Die Bundesregierung wird die Förderung von nationalen Minderheiten daher als wichtigen Beitrag zur Friedenssicherung fortsetzen und ist bestrebt, die Rechte von Minderheiten auf internationaler Ebene weiter zu stärken“. Hier handelt es sich sowohl um Minderheiten als auch um die von ihnen gesprochenen Sprachen. Gleichheitsgebot bedeutet, dass keine schlechter betrachtet werden darf. Kein Zweifel also, dass die Kürzung der Unterrichtsstunden von Deutsch als Minderheitensprache in Polen eine klare Diskriminierung und Verstoß gegen alle oben erwähnten Prinzipien ist. Deswegen hat mich die Lektüre des Berichtes und besonders des Kapitels „Menschenrechte in der deutschen Außen­- und Entwicklungspolitik“ enttäuscht, weil auf den über 140 Seiten mit unzähligen Fällen und Verstößen in vielen Ländern kein Wort über die Verletzung der Menschen- und Minderheitenrechte durch die Diskriminierung der deutschen Minderheit in Polen steht. Ich frage mich: Wieso?

Bernard Gaida

Titelfoto: Das Auswärtige Amt in Berlin (Foto: Manfred Brückels/wikimedia.org)

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