Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Johannes Paul II. und Polen

Die Polen sind von einem neuen Streit eingeholt worden, dessen Hintergrund die Anschuldigungen gegen Johannes Paul II. sind. Diese haben mein Gefühl der Dankbarkeit für die Emotionen und Lehren, die ich während seines Pontifikats erfahren habe, nicht erschüttert. Ich bereue nicht, dass ich am 3. Juni 1979 nach Gnesen gefahren bin, um ihn persönlich zu erleben. Ich bereue auch nicht die Menschenmenge, in der ich 1983 in Posen seinen Worten lauschte, noch die vielen Stunden des Wartens auf dem St. Annaberg, noch die Audienz im Vatikan im Jahr 1997.

Trotz dieser Erfahrungen und einer so ansprechenden Lehre stand ich den Rufen “Santo subito” kritisch gegenüber. Sie waren so weit von der ausgewogenen Tradition der Kirche entfernt und trugen von Anfang an eine Bedrohung in sich, die Erzbischof Stanisław Gądecki am Sonntag in dem Satz zusammenfasste: „Die Heiligkeit und Größe von Johannes Paul II. zu verteidigen, bedeutet natürlich nicht zu behaupten, dass er keine Fehler machen konnte.“ Ein zuverlässiger und ordnungsgemäß durchgeführter Heiligsprechungsprozess würde diese finden. Derweil erinnert der derzeitige erbitterte Streit an den Beginn des Pontifikats.

Die Welt erfuhr von der Wahl von Karol Wojtyła am 16. Oktober 1978 um 18:44 Uhr. In Polen erfuhren wir es von Radio Free Europe, weil die polnischen Nachrichten um 19:30 Uhr nicht darüber berichteten. An diesem Abend tagte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei, und die Medien warteten auf die Richtlinien der Partei, die es der PAP ermöglichten, am Tag nach der Wahl eine trockene Meldung zu bringen. Die kommunistischen Machthaber brauchten einen weiteren Tag, um einen Glückwunsch mit dem Satz zu versenden: „Die bedeutsame Entscheidung des Kardinalskonklaves gibt Polen große Genugtuung. Zum ersten Mal in der Geschichte sitzt auf dem päpstlichen Thron ein Sohn der polnischen Nation, die die Größe und den Wohlstand seines sozialistischen Heimatlandes in der Einheit und Zusammenarbeit aller Bürger aufbaut.“

Papst Johannes Paul II.
Foto: Gregorini Demetrio/wikimedia.org

Es war schwer, von diesen Behörden zu erwarten, dass ihre parteiisch-nationale Einstellung nicht von der kirchlichen, pastoralen und theologischen Realität abgekoppelt war. Aber ich finde den gleichen Geist, wenn ich in der Sejm-Entschließung von letzter Woche, die nichts mit den Anklagen zu tun hat, über die Notwendigkeit der Verteidigung des „großen polnischen Papstes“ lese, der „die Rechte unserer Nation verteidigt hat“ und der „Vater der Unabhängigkeit Polens“ ist. Die Form voll verletztem Nationalstolz steht im Widerspruch zur Heiligkeit, die sie zu verteidigen versucht. Schließlich ist eine ihrer Eigenschaften die Demut. Der Papst besaß sie, seine selbsternannten Verteidiger nicht, weshalb sie ihn zu einem politischen Werkzeug des Krieges zum Nachteil des Verstorbenen machen.

Auf der anderen Seite mangelt es nicht an jenen, von denen Benedikt XVI. sagte, sie seien „nicht nur von einem reinen Wunsch nach Wahrheit“ getrieben, sondern „auch von der Freude, die Kirche zu diskreditieren und in Misskredit zu bringen“. Da dies im Heiligsprechungsprozess nicht der Fall war, muss die Wahrheit immer noch demütig und objektiv gesucht werden, aber die Heiligkeit, die Moral und das Urteil über Johannes Paul II. werden nicht durch eine parlamentarische Entschließung, eine Partei, einen Historiker oder gar den Vatikan entschieden. Es findet außerhalb unseres Wissens statt und hat nichts mit seinen Verdiensten für Polen zu tun.

Bernard Gaida

Titelfoto: Denkmal von Johannes Paul II. in Kroatien (Foto: Bengt Nyman/wikimedia.org)

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