Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Nicht nur eine positive Bilanz

Am 1. Mai vor 19 Jahren traten wir der Europäischen Gemeinschaft bei. Überall wurde gefeiert, es wurde gejubelt, und die Freude wurde auch von denen geteilt, die noch ein Jahr zuvor an Bushaltestellen „Nieder mit der EU” geschrieben hatten. Beim Beitrittsreferendum 2003 stimmten 77,45 % für den Beitritt, wenn auch bei geringer Beteiligung. Damals war ich stellvertretender Vorsitzender des Oppelner Regionalparlaments und verbrachte den Abend auf dem von Feuerwerkskörpern erleuchteten Marktplatz in Oppeln.

Heute, beim Ziehen einer privaten Bilanz blicke ich auf den 13.12.1981, die Verhängung des Kriegsrechts. Damals war ich davon überzeugt, dass dies der Beginn der Agonie der Volksrepublik Polen war und ihrem Zusammenbruch der Eintritt Polens in die westeuropäische Welt, die in der EWG vereint war, folgen würde. Alle nachfolgenden großen Ereignisse haben dies nur bestätigt. Ich wusste, dass der Fall der Berliner Mauer und die Wiedervereinigung Deutschlands innerhalb der Grenzen der beiden damaligen deutschen Staaten stattfinden würden und dass die Ideen einzelner deutscher Politiker, Schlesien zu internationalisieren, nur Wunschträume waren. Doch mit dem Verschwinden der DDR und dem Entstehen eines deutschen Staates jenseits von Oder und Neiße, der unangefochten an der Spitze der Union steht, wurde das letzte Hindernis für Brüssel beseitigt.

Damit und mit dem Zerfall der UdSSR entfiel die sowjetische Einflusssphäre, deren Idee heute in Moskau wiederbelebt wird und die nun das Schicksal der Ukrainer so schmerzhaft beeinflusst. Polen in der Europäischen Union bedeutete für mich Schlesien in der Union, zusammen mit Deutschland, und das Ende dieses Zerreißens von Familien, Kultur und der Frage nach einem Pass. Schließlich war eine große Anzahl Schlesier bereits in Deutschland. Und das hat sich bewahrheitet.

In meiner persönlichen Bilanz stehen aber nicht nur erfüllte Erwartungen, und ich meine nicht nur die schuldhaft schlechte Position Polens in der Gemeinschaft. Im Jahr 2004 gab es eine lebhafte Debatte darüber, ob die Union ein Europa der Heimatländer im Sinne von Nationalstaaten sein sollte oder eine Föderation, in der die Regionen mehr Subjektivität gewinnen würden. Leider ist diese wichtige gesellschaftliche Debatte verstummt und durch Streitigkeiten über Weltanschauungen oder Klimafragen ersetzt worden. Dabei hat sie uns vor zwanzig Jahren so sehr bewegt. Ich war auch enttäuscht, als die EU mit ihrem Desinteresse an der diskriminierenden Behandlung von Schülern aus deutschen Familien in polnischen Schulen gezeigt hat, dass sie nicht bereit ist, ihre Macht zu nutzen, um eine diskriminierte nationale Minderheit zu verteidigen, während sie dies für eine positive Haltung gegenüber LGBT-Gemeinschaften, der Migration oder dem Klimaschutz tat. Dies zeigt die Schwäche eines Europakonzepts, das sich auf die Integration von Nationalstaaten beschränkt, die von Natur aus weniger an den Bedürfnissen von Minderheiten interessiert sind.

Trotz dieser Enttäuschung glaube ich, dass es sich um ein Projekt handelt, das Europa eine Chance für die Zukunft gibt. Robert Schumann sagte: „Es gab kein Europa, wir hatten einen Krieg”. Nach seiner Erklärung gab es bereits einen Krieg im ehemaligen Jugoslawien, es gibt einen in der Ukraine… aber Streitigkeiten zwischen EU-Staaten werden im Dialog gelöst und die Ukraine wird nicht sich selbst überlassen.

Bernard Gaida

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