Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Mohrenapotheke und der Jerusalemer Balsam

Der Glatzer Markplatz ist von alten Mietshäusern umgeben. Jedes birgt eine interessante Geschichte. Im Mietshaus Nr. 36 wohnte zum Beispiel eine der berühmtesten Giftmörderinnen Europas: Charlotta Ursinus. In zwei anderen befanden sich Apotheken. Eine Zeitlang konnte man dort eine wahre Wundermedizin erwerben: den Jerusalemer Balsam.

Wer im 17. Jahrhundert in Glatz Arzneien kaufen wollte, der ging entweder zur Apotheke „Zum Goldenen Hirsch“ oder zur Konkurrenz, einige Häuser weiter, zur Apotheke „Zum Mohren“. Das prächtige Mietshaus Nr. 13 wurde 1644 vom Glatzer Apotheker Erasmus Lyranus gekauft. Genauso wie im Falle der Apotheke „Zum Goldenen Hirsch“, deren Name von der Hirschskulptur am Gebäude abgeleitet wurde, wurde auch der Name der Apotheke von Lyranus von einer barocken Mohrenfigur inspiriert.

Die Wundermedizin

Das Mietshaus “Zum Goldenen Hirsch” in Glatz
Foto: Wikipedia

Mit den beiden Glatzer Apotheken ist eine spannende Geschichte verbunden. In der Nähe von Glatz lebte ein Heiler und Einsiedler namens Johannes Treutler, der besonders für seine Wundermedizin bekannt war. Die Rezeptur für den sog. „Jerusalemer Balsam“ war jedoch ein sorgfältig gehütetes Geheimnis. Die Zutaten für den Balsam besorgte sich Treutler in den zwei Glatzer Apotheken. Beiden Besitzer verriet er auch angeblich die Originalrezeptur. Nach seinem Tod entbrannte ein Streit, welche Apotheke nun die beliebte Arznei herstellen und verkaufen darf. Natürlich taten es beide und beide Apotheker schworen darauf, dass sie die wahre Rezeptur haben und dass ihr Balsam besser als bei der Konkurrenz sei. Jahrzehntelang dauerte der Streit an, schließlich erwarb der Besitzer der Apotheke „Zum Mohren“, Johann Schittny, offiziell das Recht, den Balsam herzustellen. Seine Familie produzierte das Wundermittel in Glatz, das vor allem gegen Magenbeschwerden wirksam sein sollte, noch bis 1945. Nachdem die Schittnys nach dem Zweiten Weltkrieg Glatz verließen, verkauften sie den Jerusalemer Balsam in Deutschland weiter. 1950 eröffnete Johannes Schittny eine „Mohren“-Apotheke in Gütersloh. Das Geschäft setzte sein Sohn Hans Richard Schittny fort. Erst 1995 verpachtete er die Apotheke, um sich seiner schriftstellerischen Tätigkeit zu widmen.

Die Apotheke „Zum Mohren“ feierte 1993 ihren 600. Geburtstag.
Foto: Wikipedia
Ihren Namen verdankt der Apotheke einer barocken Mohrenfigur.
Foto: Wikipedia

Der Nachlass

Die Apotheke „Zum Mohren“ feierte 1993 ihren 600. Geburtstag. Auch die Apotheke „Zum Goldenen Hirsch“ ist weiterhin offen. Nur kann man den Jerusalemer Balsam in keiner der beiden mehr kaufen. Über die Geschichte der berühmten Mohren-Apotheke gibt es übrigens ein Buch. Das hat Hans Richard Schittny 1988 geschrieben. Es trägt den Titel „600 Jahre Mohren-Apotheke Glatz – Historische Erzählung”. Und auch über den Jerusalemer Balsam schrieb Schittny ein Buch: „Die Geschichte des Jerusalemer Balsam. Monographie einer Wunderarznei von 1609“.

Anna Durecka

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