Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ein starkes Netz an Partnerschaften

Wie gestalten sich die deutsch-polnischen Beziehungen und wie veränderte sich die Arbeit des deutschen Generalkonsulates in Krakau nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine? U. a. darüber spricht mit Dr. Michael Groß, dem Deutschen Generalkonsul in Krakau, Rudolf Urban.


Sie sind seit 2016 Deutscher Generalkonsul in Krakau. In den vergangenen Jahren sind die deutsch-polnischen Beziehungen auf politischer Ebene immer schwieriger geworden. Merken Sie das auch in ihrem Amtsbezirk, der die Woiwodschaften Kleinpolen, Heilig Kreuz und Vorkarpaten umfasst?

Es wäre nicht ehrlich zu sagen, ich würde es nicht merken. Aber ein bisschen im Unterschied zu den Dissonanzen, die in politischen Kontakten zwischen Berlin und Warschau herrschen, finde ich die Veränderungen auf regionaler Ebene weitaus weniger sichtbar. Wir haben gerade in Südpolen ein starkes Netzwerk an langjährigen Regional- und Städtepartnerschaften, z. B. zwischen Thüringen und Kleinpolen, dem Saarland und Vorkarpaten, aber auch zwischen Kielce und Gotha oder den Landkreisen Oświecim und Dachau. Und die Partnerschaft zwischen Krakau und Leipzig besteht sogar schon seit 50 Jahren. Das ist eine gewachsene Basis und da hat sich wenig zum Schlechteren geändert, wenn man von der Pandemie absieht, die den direkten Austausch und Begegnungen fast unmöglich gemacht hat.
Auch wirtschaftlich sind die bilateralen Beziehungen weiterhin gut. Natürlich ist es so, dass in Westpolen die wirtschaftliche Zusammenarbeit wegen der Grenznähe stärker ist, aber wir haben auch hier langjährige deutsche Großinvestitionen, u. a. von MAN oder der Lufthansa. Ich sehe zudem seit einigen Jahren, dass Anfragen nach Investitionen in die andere Richtung kommen. Es gibt großes Interesse seitens polnischer Unternehmen an Investitionen in Deutschland und das spricht doch für den gemeinsamen europäischen Markt und gute Beziehungen.

Dr. Michael Groß ist seit 2016 Deutscher Generalkonsul in Krakau  Foto: Rudolf Urban

Krakau spielt als Tourismusmagnet eine große Rolle. Sie müssen also gewiss auch das eine oder andere Problem deutscher Besucher der Stadt lösen.

Vor der Pandemie verzeichneten Kleinpolen und vor allem Krakau ca. 14 Mio. Touristen im Jahr, davon kamen rund 500.000 allein aus Deutschland. Bei so einer großen Anzahl von Besuchern passiert immer wieder etwas, wobei es sich vor allem um medizinische Notfälle oder den Verlust eines Ausweises oder Passes handelt. In solchen Situationen unterstützen wir unsere Staatsbürger natürlich.
Vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatten wir auch ganz oft die Situation, dass deutsche Staatsbürger erst an der Grenze zur Ukraine feststellten, dass dort die EU endet und man einen Pass braucht, um weiterreisen zu können. Wir haben also als die zuständige Auslandsvertretung immer wieder Passersatzdokumente ausgestellt.
Es gibt aber auch tragische Umstände, wie z. B. Todesfälle, bei denen wir als Auslandsvertretung ebenso den Hinterbliebenen helfen.

Sie haben gerade den Krieg in der Ukraine angesprochen. Wie hat sich Ihre Arbeit hier in Krakau seit dem 24. Februar 2022 verändert?

Der Angriffskrieg Russlands hat die Situation in der EU und damit auch in Polen massiv verändert. In den ersten Tagen und Wochen ging es unsererseits vor allem darum, für deutsche Staatsbürger, die noch in der Ukraine waren, konsularische Hilfe zu leisten, und zwar direkt an den verschiedenen Grenzübergängen, an denen wir seit dem ersten Kriegstag mit Teams vertreten waren. Später haben wir die humanitären Hilfsangebote, die aus Deutschland sowohl von staatlicher Seite als auch von der Zivilgesellschaft kamen, koordiniert, zusammen mit einem Team des Technischen Hilfswerks, dessen Mitarbeiter eine Zeit lang in unserem Haus gewesen sind. Unser Fokus liegt also seit einem Jahr sehr stark auf der Ukraine, auch wenn sich die Lage hier vor Ort stabilisiert hat.
Was ich am beeindruckendsten fand und bis heute finde, ist die enorme Leistung der polnischen Zivilgesellschaft: die vielen Freiwilligen in den Aufnahmezentren und an den Bahnhöfen, die bereitgestellten Erstunterkünfte, die Spendenaktionen usw. All das sind wirkliche Zeichen der Solidarität.

 

Der Deutsche Generalkonsul in Krakau Michael Groß im Gespräch mit Wochenblatt-CHefredakteur Dr. Rudolf Urban
Foto: Katarzyna Urban

 

Müssen Sie sich auch für die von Polen kritisierte deutsche Politik gegenüber der Ukraine rechtfertigen?

Nein, ganz im Gegenteil: ich verspürte bei allen Entscheidungsträgern in den Regionen aus dem ganzen politischen Spektrum große Dankbarkeit dafür, was seitens Deutschlands in den ersten Wochen geleistet wurde. Unsere beiden Länder sind die, die in der EU die meisten Flüchtlinge aufgenommen haben und abgesehen von einigen Anfangsschwierigkeiten, hat die deutsch-polnische Zusammenarbeit in dieser schwierigen Zeit wirklich sehr gut funktioniert.
Ich weiß, dass die Frage nach der militärischen Unterstützung seitens Deutschland lange kritisiert wurde. Aber auch hier arbeiten wir in der EU mittlerweile gut zusammen.

Ein ganz anderes Thema: Sie haben in Ihrem Amtsbezirk keine deutsche Minderheit. Macht es für Sie die Arbeit einfacher oder beneiden sie die Kollegen in Breslau, Oppeln und Danzig um diese zusätzliche Aufgabe.

Es ist einfach anders. Nur so viel kann ich sagen. Der Unterschied zu den anderen deutschen Auslandsvertretungen ist vielleicht, dass ich als Vertreter der Bundesrepublik bei offiziellen Veranstaltungen nur in den seltensten Fällen die Chance habe, Deutsch zu sprechen.

Wenn wir mit Politik begonnen haben, enden wir auch mit Politik. In diesem Jahr finden in Polen Parlamentswahlen statt und man kann davon ausgehen, dass die antideutsche Karte im Wahlkampf der PiS gern ausgespielt wird. Haben Sie die Befürchtung, dass das den guten zwischenmenschlichen und regionalen deutsch-polnischen Beziehungen schadet?

Bisher sehe ich das nicht. Und das sage ich nicht, weil ich mich der polnischen Seite anbiedern will, sondern ich sehe diese Gefahr in meinem Amtsbezirk einfach nicht. Ich will nicht ausschließen, dass auch hier der Wahlkampf ganz unterschiedliche Formen annehmen kann, aber ich glaube, das beste Mittel gegen das Wiederbeleben von Vorurteilen und Stereotypen ist die Begegnung. Deshalb ist dieses feste, stabile Netzwerk im Rahmen der Partnerschaften für mich das beste Mittel, um zu zeigen, dass wir heute als Deutsche und Polen in der EU als Partner leben und diese Partnerschaft sehr viele Vorteile mit sich bringt.

Die Stereotypen sind etwas, was der Vergangenheit angehört, was nicht heißt, dass wir uns als Deutsche nicht unserer historischen Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und das von Polen erlittene Unrecht stellen. Ganz im Gegenteil! Aber ich kann es nur wiederholen: Wir sind in der Europäischen Union, wir haben nicht nur einen gemeinsamen Markt, sondern leben nach gemeinsamen Werten und Normen und das ist eine große Errungenschaft.

Und weil wir über den Krieg in der Ukraine gesprochen haben, kann ich im Hinblick auf die EU nur sagen, dass bei allen kontroversen Diskussionen, die es manchmal zwischen den 27 Ländern gibt, Krieg kein Mittel der politischen Auseinandersetzung mehr ist. Das ist im historischen Kontext ein ungeheurer Fortschritt, der zeigt, dass die EU im Kern vor allem ein Friedensprojekt ist. Das kann und soll man immer wieder betonen.

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