Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ein wenig Wasser aus hölzernem Rohr …

 

Nach zwei Jahren coronabedingter Wartezeit wurde vor kurzem im Museum der Moderne des Städtischen Kulturzentrums in Allenstein erstmals wieder ein Exponat des Monats vorgestellt. Es ist eine ganz aktuelle, wenn auch auf den ersten Blick etwas unscheinbare Neuerwerbung, die Rafał Bętkowski im früheren Trolleybus-Depot des Museums präsentierte.

Auf dem Boden vor den großen Fenstertüren, durch die sich vor über 50 Jahren die Trolleybusse auf den Weg durch die Stadt machten, lag ein langes Stück Holz. Ein ausgehöhltes Stück Holz. Die Entdeckung dieses neuen Ausstellungsstücks begann im Januar dieses Jahres, als Rafał Bętkowski vom Museum der Moderne die Nachricht erhielt, dass es bei den Arbeiten zur zweiten Linie der Straßenbahn an der Kreuzung der Piłsudskiego-Allee mit der Kościuszki-Straße aufgetaucht war. Es handelt sich um ein hölzernes Rohr aus der Zeit der früheren Wasserversorgung der Stadt.

Wasserrohr jenseits des Netzes

Das Museum verfügt zwar über ein ähnliches Objekt, ein etwas kürzeres Wasserrohr, allerdings ist dieses aus der Stadt Rößel (Reszel). Auf ein lokales Rohr hatte Rafał Bętkowski schon nicht mehr zu hoffen gewagt: „In der Altstadt wurde nichts gefunden und die Kreuzung gehört eigentlich nicht zum Gebiet des damaligen Leitungsnetzes. Hier waren Teiche, die das Netz gespeist haben.“ In einer raschen Aktion konnte Ende August das Wasserrohr gerettet werden, bevor es als Bauschutt auf dem Müll gelandet wäre.

Das hölzerne Rohr im früheren Trolleybus-Depot des Allensteiner Museums der Moderne
Foto: Uwe Hahnkamp

Die Wasserversorgung in Allenstein entstand im 16. Jahrhundert infolge des Brauwesens in der Stadt. Es wurde viel Wasser verbraucht, aber über Nacht waren die Stadttore verschlossen und Wasser aus der Alle (Łyna) zu holen, war überdies teuer. Die Rohre wurden im Wechsel eingebaut, also bei einem Austausch aufbewahrt und wiederverwendet. Das Bohren der Löcher in die einzelnen Teile kostete nämlich nicht wenig: Für eine Länge von einem Fuß, also etwa 30 Zentimetern, zahlte man sechs Groschen. In Allenstein gab es darüber hinaus Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts nur einen Bohrer, mit dem so etwas gemacht werden konnte.

Größe, Zweck, Geschichte

Der Bohrer, der von beiden Enden angesetzt werden musste, bestimmte auch die maximale Länge der Rohrstücke. „Zwar ist in städtischen Quellen vom Erwerb von Holz in der Länge von 8,5 bis 9 Metern die Rede, aber Berichte von Reparaturen und das Gewicht des gefundenen Exemplars sprechen dafür, dass diese Stücke halbiert wurden“, erklärt Rafał Bętkowski. Das Exponat ist etwas über vier Meter lang und 28 Zentimeter breit, der Durchmesser des Bohrlochs beträgt 12,5 Zentimeter, also etwa fünf Zoll. Es besteht aus Kiefer und ist entrindet, aber nicht sorgfältig, da noch Borke zu erkennen ist. Sein Zustand ist gut und lässt auf ein Alter von etwa 200 Jahren schließen.

Eine lebhafte Diskussion entwickelte sich über den Zweck des Rohres. Während Rafał Bętkowski ein Leitungsrohr vermutete, ging ein Gast wegen des geringen Durchmessers davon aus, dass es sich um ein Entwässerungsrohr handelt. Dafür spricht auch, dass nach der Aufgabe des Leitungsnetzes die bereits erwähnten Teiche verkauft und meist entwässert wurden. So auch der Teich nördlich der Kleeberger Straße, der heutigen Piłsudskiego-Allee und durch das Rohr floss das Wasser auf das Gebiet südlich der Straße, wo heute der Zentralpark liegt. Das Rohr blieb im Boden, während die Straße ausgebaut, befestigt und asphaltiert wurde und kam erst jetzt wieder ans Tageslicht. Seinen neuen Platz hat es nun im Museum der Moderne – neben seinem „Kollegen“ aus Rößel.

Uwe Hahnkamp

 

Der Titel dieses Texts ist ein Zitat aus dem Lied „Bauer, ich bitt’ euch“ von Reinhard Mey: \\Und immer vor dem Wandertor, immer traurig und allein … Ein wenig Wasser aus hölzernem Rohr in einem Krug aus Stein.

 

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