Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Eine herbe Entscheidung

Foto: Das Ostheim heute. Ob es wieder in einer Form zum Leben erweckt wird? Foto: Detlef Ollesch.
Foto: Das Ostheim heute. Ob es wieder in einer Form zum Leben erweckt wird? Foto: Detlef Ollesch.

Zum Jahresende 2015 schloss mit dem Ostheim in Bad Pyrmont eine Institution, die zahllosen gebürtigen Ostpreußen 57 Jahre lang ein Stück Heimat in der Fremde gewesen ist, die den Gliederungen der Landsmannschaft Ostpreußen günstige Tagungsmöglichkeiten geboten hat und die – seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes – auch eine Begegnungsstätte zwischen den einstigen und jetzigen Bewohnern Ostpreußens darstellte.

 

Die Geschichte dieses Hauses ist lang und verworren: Nach dem Ersten Weltkrieg erwirbt die Offizierswitwe Frieda Freifrau von Hoverbeck in Bad Pyrmont drei Pensionshäuser, um „beschäftigt und finanziell abgesichert zu sein“. Darunter befindet sich das im Jahr 1923 unmittelbar am damaligen Stadtrand gebaute Haus, das sie „Haus Schönblick“ nennt.

 

Auf dem Grundstück befinden sich zu der Zeit neben dem in Fachwerkbauweise erstellten Hauptgebäude mit seinem fast quadratischen Grundriss (heute der Gebäudeteil links vom Haupteingang) noch Stallungen, in der Tiere zur Versorgung der durchweg in Vollpension befindlichen Hausgäste untergebracht sind. Die Kuh grast damals noch auf dem jetzigen Gelände der Pyrmonter Touristen-Information.

 

Das Sanatorium

 

Frieda von Hoverbeck stirbt im Jahr 1937 und ihre Tochter Camilla Stöver verkauft 1938 zwei der Pensionshäuser, darunter das „Haus Schönblick“. Der neue Eigentümer des Gebäudes, der promovierte Mediziner Otto Buchinger, war bereits während seiner langen Jahre als Sanitätsoffizier durch eigenes Erleben zum entschiedenen Gegner von Alkohol- und Tabakkonsum geworden und hatte schließlich den Plan zur Gründung eines Lebensreform-Sanatoriums gefasst. Diesen Plan setzt er dann ab 1919 im hessischen Witzenhausen in die Tat um.

 

Nach 1933 bekommt er jedoch zunehmend Schwierigkeiten mit den neuen Machthabern in der Stadt und beschließt, seine Klinik zu verlegen. Das neue Domizil an der unteren Hauptallee in Bad Pyrmont bezieht er am 2. Januar 1936. Die Patientenzahlen steigen schnell. So kommt es zu dem oben erwähnten Kauf des Hauses Parkstraße Nr. 14, das er kurz darauf durch den Anbau eines neuen Bettentraktes (heute der mittlere und größte Teil des Ostheimes) wesentlich erweitert und in „Wiesenhaus“ umbenennt.

 

Der Zweite Weltkrieg bringt zunächst sinkende Patientenzahlen, die im Verlauf des Krieges jedoch wieder ansteigen. Aber Drangsalierungen durch die braunen Machthaber, zunehmende Mangelwirtschaft und zuletzt die Beschlagnahme der Gebäude, die zu Lazaretten umfunktioniert werden, setzen dem Buchingerschen Kurbetrieb arg zu. „Am 7. Dezember 1944 wurde auch mein ‚Wiesenhaus‘ beschlagnahmt. Jetzt blieb mir nur noch das Haupthaus mit seinen 20 Betten…“, schreibt Buchinger in seinen Lebenserinnerungen.

 

Erst 1949 werden die Häuser nach langen Verhandlungen mit den Behörden „zurückerobert“. Die Buchingers lassen einen weiteren Anbau erstellen, in den sie selbst einziehen. Es handelt sich um den westlichen Teil des Komplexes, in dem sich heute der Speisesaal und die Heimleiter-Wohnung befinden.

 

Die veraltete technische Ausstattung und der mit dem zunehmenden Verkehr auf der Südstraße verbundene höhere Lärmpegel führen Ende der 1950er-Jahre schließlich zur Verlegung der Buchinger-Klinik in neue Gebäude am Waldrand.

 

Das Ostheim

 

Die Deutsch-Baltische Landsmannschaft (DBL, heute: Deutsch-Baltische Gesellschaft) und die Landsmannschaft Ostpreußen (LO) erwerben das Wiesenhaus. Der zwei Jahre zuvor von den beiden Vertriebenenorganisationen gegründete Verein betreibt das in „Ostheim“ umbenannte Gebäude seitdem als Jugendbildungs- und Tagungsstätte.

 

Bereits im Jahr 1959 ist das Haus an 300 Tagen im Jahr belegt und von 1959 bis Anfang der 1980er-Jahre werden viermal jährlich die jeweils fünftägigen „Gesamtdeutsche Staatspoltische Bildungsseminare der Landsmannschaft Ostpreußen“ veranstaltet.

 

1969 findet die erste Werkwoche zur textilen Volkskunst in Ostpreußen unter der Leitung von Hanna Wangerin statt. Diese Veranstaltung wird bis 2015 eine feste Größe im Programm des Ostheims bleiben und nach dem Ende des Kommunismus in Osteuropa durch eine gleichartige in Ostpreußen ergänzt werden.

 

Nach häufigeren Wechseln in der Leitung des Hauses übernimmt das Ehepaar Hammer diese und führt als hauseigene Veranstaltungen die Freizeiten ein. Dass mit dem letzten Tag der Advendsfreizeit 2015 am 14. Dezember die lange Reihe der Ostheim-Aktivitäten endgültig beendet sein würde, haben die Hammers damals wohl nicht geahnt.

 

Am 15. August 1995 folgen ihnen Ralph und Veronika Winkler in der Leitung des Hauses nach. Der große Renovierungsstau wird mit einem von der LO gewährten Kredit angegangen, das Geld reicht jedoch bei weitem nicht, die 22 Doppel- und 15 Einzelzimmer mit Duschen und WCs auszustatten und damit auf einen heute von Beherbergungsbetrieben allgemein erwarteten Stand zu bringen. Trotzdem steigen die Übernachtungszahlen in den ersten Jahren der Winklers an.

 

Der im Jahr 2001 erfolgte Anbau des bis zu 100 Personen fassenden Preußensaals mit dem neuen Küchentrakt im Untergeschoss kostet einschließlich Technik und Innenausstattung rund eine Million DM.

 

Von 1958 bis 2015 hat das Ostheim schätzungsweise rund 500.000 Übernachtungen gesehen, wobei sich der Schwerpunkt von der Jugendarbeit in seinen Anfangsjahren zu Angeboten für die ältere Generation in der jüngsten Vergangenheit verlagert hat. Die gebürtigen Ostpreußen sind inzwischen alle über 70 und diejenigen, die sich noch bewusst an die alte Heimat erinnern, noch ein paar Jahre älter. Und da es nicht gelungen ist, die Masse der Nachgeborenen näher für die Heimat ihrer Vorfahren zu interessieren, kam, was kommen musste: Seit zirka sechs Jahren gehen die Belegungszahlen des Ostheims spürbar zurück. Der weitere Betrieb war unter finanziellen Gesichtspunkten nicht mehr vertretbar. Deshalb stellte das Ostheim seinen Wirtschaftsbetrieb zum 31. Dezember 2015 ein.

 

Und wie geht es weiter?

 

Auf dem für den 17. Dezember 2015 in Berlin angesetzten Versteigerungstermin sind keine Gebote abgegeben worden. Jetzt wird erst einmal abgewartet, ob sich in der Nachverkaufsfrist ein Erwerber findet.

 

Die kulturhistorisch wertvollen Exponate des Ostheims – darunter die Statue des Trakehners „Hessenstein“ im Garten – werden in die ostpreußischen Museen nach Lüneburg und Ellingen verlagert. Der Verein „Ostheim e.V.“ wird sich nach dem Verkauf der Immobilie auflösen.

 

Und der Großteil der Veranstaltungen der verschiedenen Gliederungen der Landsmannschaft Ostpreußen wird künftig in anderen Institutionen – beispielsweise der Politischen Bildungsstätte Helmstedt – durchgeführt werden.

 

Detlef Ollesch

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