Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Eine unbekannte Geschichte

Mit dem Zeitzeugen Wilibald Jelito sprach Andrea Polański über die dramatischen Ereignisse der Oberschlesischen Tragödie in Gogolin.

 

Wilibald Jelito beschloss, für die Gewaltopfer ein Kreuz aufstellen zu lassen.
Foto: A. Polański

 

Sie können sich noch an die Ereignisse vom Januar 1945 erinnern, die lange Zeit ein Tabu waren.

Ja, es ist ein tragisches Ereignis, als deutsche Soldaten, die von der Front zurückkehrten, unschuldig von den Soldaten der Roten Armee grausam ermordet wurden. Ich war damals fünf Jahre alt. Alles geschah ungefähr in einem Kilometer Entfernung von unserem Haus. Ich habe es damals nicht direkt mitgekriegt, aber als ich nach dem Krieg schon etwas größer war, hat man nur in einigen Kreisen darüber geredet, da die Älteren es schnell vergessen wollten. Ich war schon ein Jugendlicher, als ich die ganze Geschichte so richtig erfahren habe. Nach Gogolin kamen die russischen Soldaten aus Groß Stein (Kamień Śląski). Insgesamt waren es vier Panzer, sie gaben ein paar Schüsse ab, sogar Richtung Kirche. Sie stellten sich von zwei Seiten entlang der Hauptstraße am Ende von Gogolin auf, so konnten sie alles im Auge behalten. In einem Panzer waren immer sechs Personen und zusammen waren es den Erzählungen nach 40 Soldaten. Meine Freunde haben es aber nicht direkt mitgekriegt. Die Russen warteten. Dann kamen Autos mit deutschen Soldaten.

 

Wie sah der weitere Verlauf aus?

Die Russen sprangen mit Maschinengewehren auf die Straße. Die deutschen Soldaten stiegen aus den Autos und fingen auch an zu schießen. Es war so laut, dass wir uns die Ohren zuhalten mussten. Das hielt so zehn Minuten an. Die Deutschen fingen an, in alle Richtungen wegzurennen. Nach der Schießerei hat man nur noch Schreie, Stöhnen und Heulen gehört, aber man konnte nichts davon verstehen. Viele lebten noch, deswegen haben sie die Russen mit Kolben und Seitengewehren totgeschlagen. Die Russen zogen die Leichen auf das nahegelegene Grundstück und legten sie nebeneinander wie Jagdtrophäen.

 

Haben die Gogoliner die Körper einfach so liegen lassen?

Nein. In der Nacht brachten sie die Leichen auf die heutige Kozielska-Straße, wo ein Flugabwehrgraben war. Dort wurden sie dann begraben. Als ich acht Jahre alt war, habe ich gesehen, wie die Leichen wieder ausgegraben wurden.

 

 

Wer holte die Leichen raus?

Polnische Beamte aus der Gemeinde. Sie haben sie ausgegraben und auf ein Fahrzeug geladen. Wir Kleinen wollten zusehen, aber sie haben uns weggejagt. Wir haben trotzdem von weitem zugeschaut. Man hat sie für einige Jahre auf unserem Friedhof beigesetzt und später wieder irgendwohin weiter weggebracht, aber niemand weiß wohin.

 

 

Wie reagierten die Menschen auf diese Ereignisse?

Viele haben einfach nicht darüber geredet. Ich habe aber beschlossen, die Opfer zu ehren. Ich habe ein Kreuz anfertigen lassen, das wir dann neben der Kapelle aufgestellt haben. Warum diese Stelle? Weil dort ihr Blut in die Erde sickerte. Danach habe ich angefangen, immer einmal im Jahr eine Messe für die Soldaten zu organisieren. Dieses Jahr fand die Messe am 19. Januar statt.

 

Warum ist es für Sie so wichtig, die Erinnerung an diese schrecklichen Ereignisse wach zu halten?
Es waren auch nur Menschen. Man hört Dinge wie: „Das waren Deutsche, sie haben gemordet.“ Es waren aber auch junge Menschen, die man dazu gezwungen hat, sonst wären sie auf der Stelle erschossen worden. Heute wird in Polen so viel über Patriotismus und Heimat geredet. Genau dafür kämpften sie, für ihre Heimat, nicht für die, die das Land regierten. Die Heimat liebt man, egal wie sie ist.

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