Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Elbings neuer Engel

Der 22. April erfreute die Einwohner der Stadt Elbing (Elbląg) sowie die Gäste, die zur Enthüllung des Bildes „Engel über Elbing“ der 1939 dort geborenen Künstlerin Marie-Luise Salden auf den örtlichen Bahnhofsplatz gekommen waren, mit strahlend sonnigem Wetter, das zu den leuchtenden Farben des Bildes selbst passte. Eine angenehme Kulisse für die Präsentation eines Werkes, das den Flüchtlingen der Welt gewidmet ist.

Marie-Luise Salden ist Elbingerin; sie wurde in der dortigen Frauenkirche getauft und musste mit knapp sechs Jahren – am Ende des Zweiten Weltkrieges – die Stadt verlassen. „Ich erinnere mich noch an unser Haus und das Meer, wenn wir nach Kahlberg (Krynica Morska) gefahren sind“, blickte sie zurück. „Und zum Glück waren wir schon vor dem eigentlichen Einmarsch der Roten Armee nach Stolp (Słupsk) evakuiert worden und mussten nur noch auf meine Mutter warten.“ Dann ging es nach Bayern, inzwischen lebt sie im Rheinland.

Marie-Luise Salden (Mitte) mit ihren Kindern Cècile Willems (2. v. r.) und Konstantin Blersch (rechts) sowie Birgit von Hellfeld vom Deutschen Generalkonsulat in Danzig, die mit ihrem Ehemann gekommen war
Foto: Uwe Hahnkamp

Flüchten von dort, flüchten nach dort

Dabei hat sie ihre Heimatstadt nicht vergessen. Sie war 1977 zum ersten Mal nach dem Krieg dort, danach aber erst wieder zur Vorbereitung ihrer Ausstellung in der „Galeria EL“ im Jahr 2008. Diese hat, wie es der Zufall will, ihren Sitz ausgerechnet im Gebäude der Taufkirche von Marie-Luise Salden. Für diese Ausstellung entstand das Bild „Engel über Elbing“, das die Künstlerin der Stadt zu schenken beschloss. Und daraus entwickelte sich die nächste Idee.

Marie-Luise-Salden mit dem Elbinger Stadtpräsidenten Witold Wróblewski und der deutschen Konsulin Birgit von Hellfeld zu ihrer Rechten sowie dem Historiker Lech Słodownik zu ihrer Linken
Foto: Uwe Hahnkamp

„Es war ihre Idee, eine vergrößerte Replik des Bildes herstellen zu lassen und auf dem Bahnhofsplatz aufzustellen“, verriet Stadtpräsident Witold Wróblewski in seiner Rede zur Enthüllung des Gemäldes. Der Platz war Marie-Luise Salden deswegen wichtig, weil sie 1945 von dort fliehen musste. „Heute, seit 2022, fliehen Ukrainer vor dem Krieg in ihrem Land hierher auf diesen, denselben Platz nach Elbing – und finden hier Aufnahme“, ergänzte Birgit von Hellfeld vom Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Danzig (Gdańsk) – und schloss so den Kreis zwischen Geschichte und Gegenwart.

Brücken zur Verwaltung und weite Reisen

„Die Botschaft meines Engels sind Frieden, Versöhnung, Schutz, Segnungen und Liebe“, erklärte Marie-Luise Salden in ihrer Ansprache vor der Enthüllung. „Ich danke der Stadt Elbing, dass sie es möglich gemacht hat, dass er hier seine Flügel ausbreiten kann.“ Denn der Kampf gegen die Verwaltung sei keine einfache Sache, wie Konstantin Blersch, der Sohn von Marie-Luise Salden, aus dem fernen Australien beobachten konnte. Mit Stolz in der Stimme berichtete er: „Mutter hat schon länger gute Verbindungen nach Elbing aufgebaut und hat das jetzt sehr gut hingekriegt, denn man muss über viele Brücken gehen.“

Cècile Willems und Konstantin Blersch, die Kinder von Marie-Luise Salden
Foto: Uwe Hahnkamp

Er selbst war zum zweiten Mal in Polen, aber das erste Mal in Elbing; seine Schwester Cècile Willems kam aus den USA bereits das zweite Mal in die Heimatstadt der Mutter, um den neuen Engel für Elbing sehen zu können. Einen wesentlich kürzeren Weg hatte die große Delegation vom Verein der deutschen Minderheit in Elbing mit der ehemaligen und der jetzigen Vorsitzenden Hilda Sucharska und Rosemarie Kańkowska an der Spitze. Auch sie haben schon länger guten Kontakt zu der Künstlerin.

Die Künstlerin Marie-Luise Salden mit ihren Kindern Cècile Willems und Konstantin Blersch vor dem Werk „Engel über Elbing“
Foto: Uwe Hahnkamp

Flucht, Ideen, warme Farben

Flüchten musste an diesem warmen Samstagnachmittag niemand, nur eventuell aus der Sonne in den Schatten. Lediglich die Schauspieler der Theatergruppe „Teatr 3.5“ aus Christburg (Dzierzgoń) griffen das Thema „Flucht“ in ihrer pantomimischen Miniatur zur künstlerischen Umrahmung der Veranstaltung auf und sorgten für ergriffene, nachdenkliche Stille bei den Gästen. Dann befreiten Stadtpräsident Witold Wróblewski und Marie-Luise Salden das Kunstwerk von seinen Hüllen und ließen seine warmen Farben zur Geltung kommen.

Marie-Luise Salden und Elbings Stadtpräsident Witold Wróblewski bei der Enthüllung des Bildes
Foto: Uwe Hahnkamp

Einer der Schauspieler fühlte sich durch diese Farbgebung an den Maler Marc Chagall (1887–1985) erinnert; auch in der allgemeinen Linienführung fand er Anklänge an die Glasfenster dieses Künstlers. „Das ist gut. Denn das Bild steht hier, wo viele Menschen mit verschiedenen Gedanken in unterschiedliche Richtungen gehen. Der Engel wird viel positive Energie an diese Menschen weitergeben – und auch über die Grenzen hinweg“, fasste Konstantin Blersch seine Hoffnung und seinen Wunsch an das Werk seiner Mutter in Worte.

Wer diese Wirkung von Marie-Luise Saldens „Engel über Elbing“ erleben möchte, findet das Bild mit den Erläuterungen auf der Rückseite auf dem Weg vom Elbinger Bahnhof zur Altstadt hinter der Sonnenuhr auf dem Bahnhofsplatz.

Uwe Hahnkamp

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