Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Erinnern in seiner Heimat

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges arbeitete Hans Graf von Lehndorff (1910 – 1987) als Arzt in Königsberg. Dort hielt er bis Oktober 1945 aus und kam dann ins westliche Ostpreußen, das er aus seiner Kindheit gut kannte und wo er sich für die Bevölkerung einsetzte. In dieser Region, genauer gesagt in der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Langgut, enthüllte am Freitag, den 8. Juli, sein Sohn Carl Lehndorff eine zweisprachige Gedenktafel für ihn.

Es sollte nach über 75 Jahren schwer sein, sich vorzustellen, was Hans Graf von Lehndorff damals in Königsberg durchmachen musste. Leider beweist der aktuelle Krieg in der Ukraine, dass die Menschheit nichts dazugelernt hat. In der eingeschlossenen Stadt, die unablässig bombardiert wurde und sich danach durch Plünderungen, Morde und Brandschatzen in eine Apokalypse verwandelte, tat er Dienst als Mediziner, hielt als evangelischer Christ Andachten und versuchte, sich und seinen Mitmenschen Hoffnung zu geben und den Glauben zu erhalten.

Carl Lehndorff vor der gerade enthüllten Gedenktafel für seinen Vater Hans Graf von Lehndorff
Fotos: Uwe Hahnkamp

Arzt, Humanist, Schriftsteller …

Im Oktober 1945 verließ er Königsberg und schlug sich ins Grenzgebiet von West- und Ostpreußen durch, mit den für ihn familiären Orten Januschau, Rosenberg (Susz), Biessellen (Biesal), Grasnitz (Grazymowo) und Langgut. „Hier versorgte und half er Deutschen, Masuren und Polen“, ist auf der Gedenktafel für ihn zu lesen. „Und Russen“ müsste man eigentlich noch hinzufügen, denn auch diese gehörten in Biessellen oder Rosenberg zu den Patienten von Hans Graf von Lehndorff. Dass die Tafel gerade in der evangelischen Kirche in Langgut im Vorraum angebracht wurde, ist übrigens kein Zufall. Hier hielt er im November 1945 seinen ersten Gottesdienst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Damals wie heute dabei war die inzwischen über 90 Jahre alte Margarethe Wischniewski. Dank ihr findet sich auf dem Friedhof der Kirche ein Stein für einen unbekannten Soldaten sowie ein Obelisk für 24 zivile Opfer, die damals verscharrt und vor drei Jahren umgebettet wurden. Margarethe Wischniewski und seit einigen Jahren auch ihrer Tochter ist es zu verdanken, dass der Friedhof gut gepflegt ist. Am 8. Juli konnte Margarethe Wischniewski ihre Erinnerungen an Carl Lehndorff, den Sohn von Hans Graf von Lehndorff, weitergeben, der für die Enthüllung der Tafel aus Deutschland angereist war. „Mein Vater konnte und wollte mit uns nicht über diese Zeit reden, er sprach lieber über Erinnerungen aus der Kindheit“, erklärte Carl Lehndorff seine Neugier. „Die Zeit von 1945 bis 1947, als er letztlich aus Rosenberg ausreisen durfte, hat er in seinem bekannten ‚Ostpreußischen Tagebuch‘ (1961, Anm. d. Red.) beschrieben.“

… Kommendator des Johanniterordens, evangelischer Christ

Dieses Buch sowie sein zweites Werk „Menschen, Pferde, weites Land“ (1980) hatten Katarzyna und Krzysztof Walenczak von der Stiftung Turnitzmühle Heritage Foundation für sich entdeckt, die das kulturelle Erbe der Region und dabei unter anderem die Kirche in Langgut erhalten möchte. Sie hatten Pfarrer Wojciech Płoszek in Osterode (Ostróda), zu dessen Gemeinde die Kirche in Langgut als Filiale gehört, darauf aufmerksam gemacht und die Initiative zur Gedenktafel angestoßen. Auch für den erwähnten Stein und Obelisk hatten sie Gelder gefunden.

Hans Graf von Lehndorff blieb der Region auch nach seiner Emigration treu. Wie viele Menschen des ostpreußischen Adels gehörte er dem Johanniterorden an und sorgte mit Hilfstransporten für die dort lebenden Menschen. „Er setzte so die Tradition des Ordens im Bereich der humanitären Hilfe konsequent weiter fort, zuletzt als Ehrenkommendator“, erläuterte Przemysław Florjanowicz-Błachut von der Subkommende Polen der Johanniter in Warschau. Er vertrat bei der Feierlichkeit den Orden, da die deutsche Delegation ihre Teilnahme krankheitsbedingt absagen musste.

Für die Bedeutung von Hans Graf von Lehndorff für die Region sprachen auch die Gäste des Festakts: Der Bischof der Diözese Masuren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Paweł Hause, der Bevollmächtigte für Minderheitenfragen des Marschalls der Woiwodschaft Ermland-Masuren, Wiktor Marek Leyk, der selbst auch Protestant ist, sowie die Vorsitzenden der deutschen Gesellschaften in Mohrungen (Morąg), Urszula Mańka und in Osterode, Henryk Hoch, die auch an diesem Freitagnachmittag den Weg in das kleine Dorf Langgut auf sich genommen hatten, um ihm die Ehre zu erweisen.

Uwe Hahnkamp

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