Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ermland und Masuren aus Sicht der Jugend

Die Spuren der einstigen deutschen Besiedelung in der Region Ermland und Masuren sind zahlreich und bis heute sichtbar. Eine kürzlich in Allenstein herausgegebene Broschüre widmet sich diesen Spuren und veranschaulicht ihre Bedeutung für die deutsche Minderheit. Entstanden ist die Broschüre im Rahmen eines Jugendprojekts, das die Kulturmanagerin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) Julia Herzog initiiert und koordiniert hat. Das Besondere dabei: Die Inhalte der Publikation wurden von den Jugendlichen selbst zusammengestellt – und zeigen so den Blick der jungen Generation auf Ermland und Masuren.

Kennen Sie, liebe Leserinnen und Leser, die Schulgeschichte der Stadt Elbing (Elbląg)? Oder die Sehenswürdigkeiten in Deutsch Eylau (Iława)? Oder die Legende vom Fischer Arys aus eben jener Kleinstadt Arys (Orzysz)? Nein? Dann sollten Sie unbedingt einen Blick in die Broschüre „Ermland und Masuren aus Sicht der Jugend“ werfen, die kürzlich vom ifa, dem Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren (VdGEM) sowie der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit (AGDM) herausgegeben wurde. Darin erfahren Sie allerlei Wissenswertes und Interessantes über zehn Orte in Ermland und Masuren, die für die deutsche Minderheit in Polen von besonderer Bedeutung sind, darunter zum Beispiel auch über das Schloss Steinort in der Masurischen Seenplatte (Pojezierze Mazurskie) oder das Freilichtmuseum der Volksbauweise in Hohenstein (Olsztynek).

Titelblatt der nun veröffentlichten Broschüre „Ermland und Masuren aus Sicht der Jugend“
Foto: Conartti Design

Wie der Titel der zweisprachigen (deutsch-polnischen) Publikation, die in einer Auflage von zunächst 1.000 Exemplaren erschienen ist, bereits andeutet, wurden die auf 48 Seiten vorgestellten und porträtierten Orte dabei nicht von einer klassischen Expertenkommission ausgewählt, sondern von engagierten Jugendlichen aus der Region – und zwar in Eigenregie! Die neun jungen Leute – die teils der deutschen Minderheit und teils der polnischen Mehrheitsbevölkerung angehören – machten sich in ganz Ermland und Masuren auf die Suche nach den sichtbaren und bis heute bedeutsamen Spuren der einstigen deutschen Besiedelung, fotografierten die Orte oder Gebäude, die sie während ihrer Recherchen gefunden hatten, und schrieben kurze Texte darüber. Die Ergebnisse dieser Spurensuche wurden sodann gebündelt und nun in Form der genannten Broschüre veröffentlicht.

Individuelle und authentische Geschichten
Initiiert und koordiniert wurde das Ganze von Julia Herzog, ifa-Kulturmanagerin sowohl beim VdGEM als auch bei der AGDM. Die studierte Polonistin und Buchwissenschaftlerin arbeitet bereits das dritte Jahr mit der deutschen Minderheit der Woiwodschaft Ermland und Masuren zusammen – und wollte mit dem Projekt die Jugendlichen in der Region mobilisieren und dazu motivieren, sich mit der deutschen Vergangenheit ihrer Heimat sowie der Geschichte der deutschen Minderheit auseinanderzusetzen. „So soll ihnen auch bewusst werden, wie wichtig ihr Engagement für den Erhalt der Minderheit ist“, sagt die Kulturmanagerin.

In der Broschüre werden zahleiche deutsche Spuren in der Woiwodschaft Ermland und Masuren vorgestellt.
Foto: Conartti Design

Julia Herzog war es dabei wichtig, den Jugendlichen eine größtmögliche Freiheit hinsichtlich der Wahl des Ortes zu geben, dem sie sich in ihrem jeweiligen Beitrag für die Publikation zuwenden wollten. „Alle Jugendlichen haben sich ‚ihrem‘ Ort auf ganz eigene Weise angenähert“, erklärt sie. „Es war mir ein großes Anliegen, dass sie frei sind in ihrer Arbeit, dass sie ihren eigenen Zugang zu den zahlreichen deutschen Spuren in Ermland und Masuren finden. Auf diese Weise sind sehr individuelle Geschichten entstanden.“ Das Resultat dieses Ansatzes kann sich sehen (und lesen) lassen, ist abwechslungsreich und authentisch: Die 14-jährige Michelle Anaszko etwa verband die Schulgeschichte ihrer Heimatstadt Elbing (Elbląg) mit der eigenen Familiengeschichte; die 18-jährige Patrycja Rużewicz wiederum verfasste einen informativen Reiseführer für die Feste Boyen in Lötzen (Giżycko). So haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projekts dazu beigetragen, der Broschüre eine persönliche Note zu verleihen.

Garniert werden die verschiedenen Beiträge jeweils noch von der redaktionell erstellten Rubrik „Schon gewusst?“, in der bemerkenswerte und spannende Informationen, die mit den entsprechenden Orten verbunden sind, dargelegt werden. Das können beispielsweise Rezepte, Legenden oder auch amüsante Anekdoten sein. Kennen Sie zum Beispiel den berühmtesten Sohn der Ortschaft Hansdorf (Ławice) bei Deutsch Eylau (Iława)? Falls nicht, haben Sie nun einen Grund mehr, in die Broschüre hineinzuschnuppern.

Potenzial für mehr
Im Vorlauf zu der eigentlichen Projektdurchführung nahmen die Jugendlichen auch an einem Onlineworkshop zum Thema „Fotografieren mit dem Smartphone“ teil. Durchgeführt wurde dieser von der Grafikdesignerin und Illustratorin Magdalena Mączka, die mit ihrer Agentur „Conartti Design“ auch das Layout der Broschüre gestaltete. Diese technische Vorbereitung hat sich augenscheinlich ausgezahlt: „Die Qualität der Fotos der Jugendlichen ist wirklich beeindruckend“, schwärmt Julia Herzog.

Foto: Conartti Design

Mit der nun erfolgten Veröffentlichung der Broschüre ist das Projekt aber noch keineswegs abgeschlossen, wie die Kulturmanagerin betont. Sie verweist auf das Potenzial, das die Inhalte des Hefts bieten: „Man kann Ausflüge mit Schülerinnen und Schülern zu den porträtierten Orten organisieren, man kann den Dialog anregen, man kann eine kleine Jugendkonferenz veranstalten – es gibt etliche Möglichkeiten, mit der Broschüre zu arbeiten.“ Auch Menschen aus anderen Regionen, zum Beispiel aus Schlesien, könnten mithilfe der Broschüre diese wichtigen Orte der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren kennenlernen – und gleichzeitig sehen, dass die Jugend auch im Norden Polens aktiv ist.

Lucas Netter


Julia Herzog
Foto: privat

Die kostenlos erhältliche Broschüre „Ermland und Masuren aus Sicht der Jugend“ (2021) wurde gefördert vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) mit Mitteln des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland. Wenn Sie Interesse daran haben, die Publikation zu beziehen, können Sie sich per E-Mail an die verantwortliche ifa-Kulturmanagerin Julia Herzog wenden: herzog@ifa.de. Für den Anfang des kommenden Jahres ist auch eine Digitalversion der Broschüre geplant.

 

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