Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Gärten auf Asche“

Mit Sabina Waszut, Autorin eines Romans über das Lager Zgoda mit dem Titel „Ogrody na popiołach” („Gärten auf Asche“) sprach Manuela Leibig.

Wann ist Ihnen die Idee zu dem Buch gekommen? Immerhin taucht das Thema des Lagers Zgoda bereits in der Trilogie „Rozdroża“ auf.

Das Buch „Ogrody na popiołach” ist langsam entstanden. Ich habe mein ganzes Leben in Schlesien gelebt, aber von Zgoda habe ich erst vor zehn Jahren gehört, als ich meinen Debütroman „Rozdroża“ schrieb.
Damals erschien das Thema Zgoda nur auf einer Seite, aber es erregte einiges Aufsehen. Während eines Autorentreffens in Schwientochlowitz erzählte mir ein älterer Herr, dass er sich an das Lager und den Kommandanten Salomon Morel erinnert. Er sprach über längere Zeit und alle Anwesenden wussten, dass es für ihn sehr schwer war. Irgendwann hielt er inne und sah leicht erschrocken seine Frau an. Sie aber tätschelte ihm auf die Schulter und beruhigte ihn, indem sie sagte, es sei in Ordnung, jetzt darüber zu reden.

Ich muss zugeben, dass dies starke Emotionen in mir auslöste. Ich hatte diese Szene die ganze Zeit vor Augen, als ich an dem Buch arbeitete. Es ist nicht hinnehmbar, dass es im 21. Jahrhundert noch Tabuthemen gibt, dass die Geschichte unserer Region immer noch als etwas Schändliches und Verbotenes angesehen wird.

Wann haben Sie beschlossen, dass es jetzt an der Zeit ist, die Idee zu verwirklichen?
Ich hatte mehrere Jahre lang Material gesammelt, aber erst ein Gespräch mit einem Verwandten eines Häftlings brachte mich zu der Überzeugung, dass ich nun alles hatte, um mich an das Schreiben zu setzen. Ich schrieb in dem Wissen, dass meine Familie wegen dieses Buches Angst hatte. Vor allem meine Mutter war besorgt darüber, wie es ankommen würde und ob nicht zu viel Kritik auf mich einprasseln würde. Zgoda ist immer noch ein kontroverses Thema.
Der Schreibprozess selbst verlief schnell. Der Roman existierte in meinem Kopf, ich musste ihn nur noch zu Papier bringen.

 

Wie lange und wo haben Sie nach Informationen über das Lager, die Wärter, den Kommandanten und die Insassen gesucht?
Zunächst habe ich andere Studien über Zgoda gelesen. Vor einigen Jahren veröffentlichte das Institut für Nationales Gedenken ein Buch mit dem Titel „Obozowe dzieje Świętochłowic Eintrachthűtte – Zgoda“ unter der Redaktion von Adam Dziurok. Das Institut für Nationales Gedenken hat mir auch viele Archive und einen Dokumentarfilm zur Verfügung gestellt. Auch die Lektüre der Reportage „Komendant“ von Anna Malinowska und die Erinnerungen von Gerhard Gruschka waren wertvoll. Bei einem Gespräch mit einem Verwandten eines Häftlings erhielt ich eine ganze Mappe mit Zeitungsausschnitten aus polnischen und deutschen Zeitungen. Ich hatte also eine Menge Material.

Welche Gefühle haben Sie bei der Recherche und beim Schreiben des Buches empfunden? Ich muss zugeben, dass während der Lektüre die Spannung in mir so sehr zunahm, dass ich spät in der Nacht aus Angst vor Albträumen lieber aufhörte zu lesen.

Ich hatte auch manchmal Albträume. Ich habe so schockierende Berichte von Häftlingen gelesen, dass meine erste Reaktion war, sie für Hirngespinste halten zu wollen. Ich konnte nicht glauben, dass ein Mensch einem anderen Menschen so etwas antun kann.
Es gibt viele Szenen, die mir für immer in Erinnerung bleiben werden. Wenn ich heute an Zgoda denke, kommen mir am ehesten der Marsch der Häftlinge von Kattowitz nach Schwientochlowitz und die Hakenkreuzfahnen in den Sinn, die die Wächter auf die Rücken der Marschierenden warfen. Es war demütigend und entmenschlichend. Ich muss zugeben, dass das Buch meine Sichtweise auf bestimmte Dinge verändert hat. Früher habe ich mich mehr für politische Themen engagiert, aber jetzt weiß ich, dass nur der Mensch zählt und dass es das Schlimmste ist, wenn man eine Person gegen eine andere ausspielt. Furcht und Hass bauen solche Lager.

Sie zitieren zu Beginn Gerhard Gruschka. Warum?

Während ich Material sammelte, las ich auch Berichte von Auschwitz-Häftlingen. Ich interessierte mich für das Verhalten der Menschen an solchen Orten, seine Veränderung. Was Herr Gerhard Gruschka sagte, habe ich auch gedacht, als ich schrieb: „Ich denke, dass die Toten von Auschwitz nichts dagegen haben werden, wenn ich sie in meinem Gedächtnis neben die Toten von Schwientochlowitz stelle.“

Dabei spielt es keine Rolle, ob wir über Auschwitz, über Zgoda oder über eines der vielen anderen Konzentrationslager schreiben, die in verschiedenen Ländern und zu verschiedenen Zeiten errichtet wurden. Solche Orte sollten überhaupt nicht existieren. Man darf Menschen nicht ohne rechtmäßige Verurteilung inhaftieren, man darf Häftlinge nicht physisch oder psychisch foltern, man darf sie nicht zu Hunger und Kälte verurteilen. Wir alle wissen das, aber man muss nur über unsere Ostgrenze schauen, um zu sehen, dass solche Orte immer noch entstehen.
Es ist sehr traurig, aber ich bin mir bewusst, dass die Geschichte uns nichts lehrt. Das Buch, das ich geschrieben habe, mag zwar erschüttern und schockieren, aber es wird die Zukunft nicht besser machen.

 

Wonach fragen Ihre Leser Sie bei Autorentreffen am häufigsten?
Das hängt davon ab, wo ein Treffen stattfindet. In Schlesien weiß man inzwischen etwas über Zgoda. Seit mehreren Jahren werden Gedenkfeiern für die Häftlinge organisiert. Leider gibt es aber auch immer mehr Streit um diese Feierlichkeiten.
Bei den Treffen erinnern sich Leser oft an die oberschlesische Tragödie (Lager wie Zgoda sind nur ein Teil davon). Sie erzählen, was mit ihren Familien 1945 und danach geschah. Dies sind oft erschütternde Geschichten, die Stoff für zukünftige Romane bieten.

Ich habe schon mehrfach gehört, dass dieses Buch Mut gemacht hat, Scham und Angst zu überwinden und über jahrelang verborgene Familiengeheimnisse zu sprechen. Das ist für mich sehr wertvoll.
Außerhalb von Schlesien ist nicht bekannt, was hier nach dem Krieg geschah. Meine Leser sagen, dass sie bei der Lektüre von „Ogrody na popiołach” einen Schock erlebten und fragen oft, ob die Schuldigen bestraft wurden und wer wirklich für Zgoda verantwortlich war.

Die Antwort auf die erste Frage ist zwar unproblematisch. Solomon Morel starb als freier Mann in Israel (Israel hat nach dem dortigen Recht der Auslieferung Morels nicht zugestimmt), die Antwort auf die zweite Frage ist schwieriger.
Ich habe mich bei vielen Gelegenheiten an Diskussionen über die Verantwortung für Zgoda beteiligt. Wer hatte die Schuld? Das polnische Volk oder das totalitäre kommunistische Regime, das damals hier existierte?
Diese Frage lässt sich nicht in ein paar Sätzen beantworten, sondern erfordert die Klärung vieler Fakten und die Widerlegung von noch mehr Mythen.
Ich fürchte, dass Zgoda für immer ein Ort der Zwietracht bleiben wird.

 

Am 29. November, kurz nach der Premiere von „Ogrody na popiołach”, erschien am Lagertor eine Miniatur des Lagers mit der Aufschrift „Ein Lager zweier Totalitarismen – des deutschen und des kommunistischen“, was einen großen Aufschrei bei der deutschen Minderheit und schlesischen Organisationen auslöste. Wie sehen Sie diese Aufschrift auf der Miniatur?

Wie ich bereits erwähnt habe, gibt es immer wieder Kontroversen und sogar Streit um das Lager. Leider hat die Aufschrift auf dem Modell sie nur noch verschlimmert. Ich bin sehr traurig darüber, ich wünschte, es ginge um die Häftlinge von Zgoda und nicht um Politik. Die Aufschrift ist leider eine absichtliche Begriffsverwirrung, denn es sollte entweder von Nationen oder von Totalitarismen die Rede sein. Wenn ich mich entscheiden könnte, würde ich mir wünschen, dass die Aufschrift auf dem Modell lautet: „Ein Lager zweier Totalitarismen – des der Nazis und des der Kommunisten“.

 

 

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