Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Gleiwitz steht kurz vor einer archäologischen Sensation

Marcin Paternoga an den freigelegten Fundamenten des Weißen Tores Bildquelle: Johannes Rasim
Marcin Paternoga an den freigelegten Fundamenten des Weißen Tores
Bildquelle: Johannes Rasim

Weit über 600 Unterstützer haben bereits eine Petition unterschrieben, wonach die kürzlich entdeckten Fundamente des Beuthener Tores nicht wieder zugeschüttet werden sollen. Nach kühnen Plänen einiger Gleiwitzer Bürger soll das Tor sogar wieder aufgebaut werden.

 

Johannes Rasim

 

Aus Sicht von Lokalhistorikern war es keine Sensation, als vor anderthalb Monaten die Fundamente des Beuthener Tores in der Nähe der Gleiwitzer Rings bei Bauarbeiten freigelegt wurden. Von Woche zu Woche werden in Gleiwitz Stimmen lauter, die den Wiederaufbau des Tores fordern. Bekommt Gleiwitz (Gliwice) eine neue Touristenattraktion?
Monika Michnik vom Gleiwitzer Museum drückt zunächst auf die Euphoriebremse: „Das Tor wurde Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts gebaut. Das heißt, es handelt sich hier nicht um ein Überbleibsel eines mittelalterliches Wehrsystems der Stadt Gleiwitz, wie es oft fälschlicherweise dargestellt wird. Das Objekt ist durchaus bekannt, weil es auf einigen alten Darstellungen der Stadt gut erkennbar ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckte allerdings der bekannte Gleiwitzer Architekt Franciszek Maurer, dass dieses Tor erst Mitte des 19. Jahrhunderts wieder rekonstruiert nachgebaut wurde. Umgangssprachlich wurde es „Weißes Tor“ genannt, da es aus weißem Kalkstein erbaut wurde. Wenige Jahre später wurde es aber wieder abgerissen, da sich die Stadt rasant zu entwickeln begann und die Durchfahrt durch das Tor zu schmal und zu umständlich wurde. Noch im 19. Jahrhundert wurden auf einem Teil der Fundamente Bürgerhäuser errichtet. Die restlichen wurden später beim Verlegen der Kanalisation sowie von Wasser- und Stromleitungen zum Teil stark beschädigt.“

 

Zeichnung des Beuthener Tores von 1846 vom Volkswirtschaftler und Kunstmäzen Alexander von Minitoli (1806-1887)  Bildquelle: Kattowitzer Staatsarchiv, Abteilung Gleiwitz
Zeichnung des Beuthener Tores von 1846 vom Volkswirtschaftler und Kunstmäzen Alexander von Minitoli (1806-1887)
Bildquelle: Kattowitzer Staatsarchiv, Abteilung Gleiwitz

Entscheidung steht noch aus

 

Seitens des zuständigen Kattowitzer Konservators Aneta Borowik gibt es noch keine Entscheidung. Die Gleiwitzer Stadtväter stehen einer Rekonstruktion des Beuthener Tores jedoch ablehnend gegenüber, denn diese hätte nicht nur die Schließung der Auslaufstraße vom Gleiwitzer Ring in Richtung Süden bedeutet, sondern auch den Abriss eines Bürgerhauses, auf dessen Grund das Tor zum Teil stand. Soll nun alles wieder zugeschüttet werden? Der Leiter der Forschungsarbeiten Marcin Paternoga von der Firma Archeo-Complex sieht mehrere Lösungen: „Die freigelegten Fundamente werden zuerst einmal von uns konserviert und es gibt mehrere Möglichkeiten, dass die Fundamente zumindest teilweise für die Öffentlichkeit sichtbar bleiben. Auch eine Rekonstruktion des Turmes wäre durchaus denkbar, beispielsweise einige Meter versetzt. Als das Ratiborer Tor 1987 entdeckt wurde, hieß es zunächst, dass es unmöglich sei, die stark befahrene Straße in diesem Bereich zu sperren. Wie wir aber erlebt haben, war es doch möglich, den Verkehr umzuleiten. Alles hängt von den finanziellen Möglichkeiten der Stadt Gleiwitz ab.“
Monika Michnik sieht in diesem Zusammenhang noch einen weiteren Aspekt, der für Historiker eine echte Sensation wäre: „Wesentlich interessanter wäre die Fundamente der mittelalterlichen Schutzanlage in Richtung Süden weiter freizulegen, die sich voraussichtlich bis zu zehn oder 15 Meter vom Tor befinden müssen. Sie würden uns Aufschluss darüber geben, wie breit der Wassergraben war und wie die Schutzanlage der Stadt im 13. und 14. Jahrhundert gebaut wurde. Darüber wissen wir sehr wenig, denn sie wurde Anfang des 15. Jahrhunderts bei der Belagerung durch die Hussiten zerstört.“

Show More