Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Gott sei Dank, die Bayern sind da!“

Am 21. Mai 1921 begann eine Offensive, in deren Folge die zahlenmäßig überlegenen und besser bewaffneten polnischen Truppen aus der Gegend des St. Annaberges verdrängt und die Ortschaft St. Annaberg sowie einen Tag später das am Fuße des Berges liegende Leschnitz befreit wurden. Warum musste das Blut von so vielen Menschen vergossen werden? Um diese Frage zu beantworten, muss man einige Tage zurückgehen.

Bereits am 7. Mai 1921 richtete der Kommandeur des 6. Wehrkreises, General Friedburg, ein offizielles Ersuchen an den britischen Oberst Tidbury, Mitglied einer von den Siegermächten nach Oberschlesien entsandten Militärkommission, mit dem Vorschlag, die in Niederschlesien stationierten Armeeeinheiten einzusetzen, um in dem von polnischen Panzereinheiten besetzten Gebiet für Ordnung zu sorgen, da er wusste, dass die von den Franzosen verratenen Engländer und Italiener nicht in der Lage waren, die Sicherheit der örtlichen Bevölkerung zu gewährleisten. Die deutschen Truppen würden dann unter englischem Kommando kämpfen, um die Prinzipien des Völkerrechts einzuhalten. Leider lehnten die Engländer diesen Vorschlag ab und versuchten die ganze Zeit, den Konflikt auf diplomatischem Wege zu lösen. Die polnische Regierung bestand darauf, dass sie nichts damit zu tun habe und nicht an den Verhandlungen beteiligt sei und dass der einzige Ansprechpartner Wojciech Korfanty sei. Bereits am 7. Mai 1921 besetzten polnische Truppen praktisch kampflos nahezu das gesamte Plebiszitgebiet bis zur Korfanty-Linie, womit Korfantys militärisches Ziel erreicht war. Erst dann willigte er nach viel Druck gnädig in Verhandlungen ein.

 

Verhandlungen im Pfarrhaus
Die Unterhändler trafen sich am 7. Mai 1921 im Pfarrhaus an der Kirche in Dombrowa bei Kattowitz. Man nutzte die Gastfreundschaft des mit Korfanty befreundeten örtlichen Pfarrers, der bewaffnete Aktionen und Blutvergießen unterstützte, solange dort Polen wäre. Im Übrigen war es Korfanty, der die Unterhändler zu sich geladen hatte und ihnen damit zu verstehen gab, was er von den Grundsätzen des Völkerrechts hielt und dabei seine Überlegenheit bis Arroganz zeigte, was von den englischen und französischen Unterhändlern auch billigend in ihrer Korrespondenz vermerkt wurde. Ab dem 6. Mai 1921 hielt sich Wojciech Korfanty im Pfarrhaus des pro-polnisch gesinnten römisch-katholischen Priesters auf. In dieser Kirchengemeinde stimmten dank massiver Fürsprache von der Kanzel 63% der Einwohner beim Plebiszit für eine Angliederung Oberschlesiens an Polen.

An den Verhandlungen nahmen vonseiten der Interalliierten Kommission Oberst Adam (Franzose), Oberst Periggi (Italiener) und Hauptmann Gastol (Engländer) teil. Auf polnischer Seite waren die Verhandlungsführer die Hauptleute Grzesik, Głowski, Solski und Major Ludyga-Laskowski. Nach dreitägigen Verhandlungen wurde am 9. Mai 1921 ein Abkommen unterzeichnet, und zwar zudem vom französischen General de Brantes und natürlich von Wojciech Korfanty selbst. Das Abkommen sah vor, dass die polnischen Truppen ihre militärischen Operationen einstellen würden und die Demarkationslinie wurde von Oderberg (Bohumin) entlang der Oder bis Priebus festgelegt, dann verlief sie in Richtung Ujest und Groß Strehlitz bis nach Guttentag und Botzanowitz zur polnischen Grenze. Dieses Abkommen rief Proteste der Berliner Regierung hervor, denn sie war nicht als Partei an den Verhandlungen beteiligt, bei denen de facto eine Besetzung deutschen Staatsgebiets legalisiert wurde, und die Verhandlungspartei auf polnischer Seite war nicht einmal die polnische Regierung, sondern eine Privatperson, die den Friedensvertrag militärisch gebrochen hatte und Straffreiheit genoss.

 

„Oberland“ kommt zur Hilfe
Leider brach die polnische Seite mit stillschweigendem Einverständnis der Franzosen erneut den Vertrag, der ohnehin großzügig gegenüber dem aufständischen Diktator Wojciech Korfanty war. Zwischen dem 9. Mai 1921 und dem 20. Mai 1921 befahl Korfanty keineswegs, die Waffen ruhen zu lassen, obwohl er sich dazu öffentlich bereit erklärt hatte. Die Fakten widersprachen dem und die Hoffnungen der Oberschlesier auf Ruhe und Ordnung wurden ausgelöscht. Die Kämpfe hörten nicht auf und die polnische Seite besetzte ein riesiges Gebiet um den St. Annaberg und überschritt die Demarkationslinie, die festlegte, dass Ujest auf deutscher Seite bleiben sollte, ebenso wie Guttentag, aus dem sich die polnischen Aufständischen zurückzuziehen hatten.

Angesichts dieser Umstände einigten sich die vereinsamten Engländer und Italiener darauf, dass Freiwillige von deutscher Seite bei der Durchsetzung des Vertrages helfen würden. Die Oberschlesier konnten keine größeren Einheiten bilden, weil nicht alle von ihnen den polnischen Truppen entkommen waren und in Lager deportiert wurden, und diejenigen, die in größere Städte entkommen waren wie Gleiwitz oder Ratibor, wohin die aufständische Armee nicht vordrang, waren vom Rest der Welt abgeschnitten, weil die Städte umzingelt wurden. Oberschlesien war auf die Hilfe von Landsleuten aus anderen Teilen Deutschlands angewiesen, die dem Ruf folgten. Hilfe kam aus verschiedenen Richtungen, wobei die Bayern ganz besonders Hilfe leisteten.

Schon am 11. Mai 1921 trafen die ersten Freiwilligen der Formation „Oberland“ in Neustadt ein. Die in Angst lebenden Neustädter begrüßten die Bayern mit Erleichterung und mit den Worten: „Gott sei Dank, die Bayern sind da!“ Die Freiwilligen kamen mit Zügen aus der ganzen Weimarer Republik, die damals in innere Streitigkeiten verwickelt war und mit kommunistischen Milizen zu kämpfen hatte. Ziemlich schnell gelang es ihnen, kampfbereite Einheiten zu bilden. Bereits am 12. Mai 1921 begann die Aufstellung eines zweiten und zwei Tage später eines dritten Bataillons. Am 17. Mai 1921, also mehr als zwei Wochen nach Beginn des Angriffs der polnischen Truppen, machten sich die Freiwilligen des Freikorps „Oberland“ auf den Weg in Richtung Frontlinie. Die Freiwilligen erreichten auf ihrem Marsch die Region Krappitz und bereiteten sich bereits am 20. Mai 1921 auf einen Gegenangriff vor, um die endlosen Angriffe der polnischen bewaffneten Formationen im Raum Gogolin abzuwehren. Zum ersten Mal seit der Nacht vom 2. Mai auf den 3. Mai 1921 bekamen die polnischen Aufständischen nun die Möglichkeit, den bewaffneten Kampf mit einem bewaffneten Gegner zu erleben. Bis dahin waren die Gegner einige Handvoll verstreute Zivilisten in ländlichen Gebieten, die höchstens mit Gewehren bewaffnet waren.

 

Dorf für Dorf, Hain für Hain
Der Angriff auf den St. Annaberg, der die Gegend überragt, begann am 21. Mai 1921 um 2.30 Uhr morgens. Sieben schlecht bewaffnete Bataillone von Freiwilligenformationen machten sich auf den Weg gegen einen Feind, der einen erdrückenden Vorteil in der Bewaffnung, einschließlich der Artillerie, aber auch fast fünfmal so viel an Männern hatte und offen von der polnischen Armee unterstützt wurde. Auf polnischer Seite kämpften sogar Regimenter der regulären Armee. Im Übrigen gab es auf der polnischen Seite auch viele Menschen aus den unteren sozialen Schichten, die auf Kriegssiege erpicht waren und nach dem erhofften Sieg mit einem sozialen Aufstieg und einer Parzellierung der deutschen Höfe mit Grundbesitz rechneten. Sie hörten den Agitatoren bei den Versammlungen aufmerksam zu, die auch die aufständischen Zeitungen vorlasen, die zum Kampf aufriefen und Profite versprachen. Die Kampfmoral war damals nicht mehr so hoch, weil es Unterbrechungen bei der Auszahlung der Gehälter gab und weil es für die Berufssoldaten der polnischen Armee schwierig war, die Disziplin aufrechtzuerhalten, was auch in hohem Maße das Schicksal der Schlacht bestimmte. Es sollte nicht vergessen werden, dass viele Soldaten auf polnischer Seite auf fremdem Boden, weit weg von ihrer Heimat, kämpften und nicht ihre Heimat verteidigten, wie im Krieg gegen die Bolschewiken in den Ostgebieten 1920, sondern Sold und Versprechungen erhielten, sodass dies auch ihren Kampfgeist beeinträchtigte.

Die Atmosphäre der entscheidenden Phase der Schlacht um den St. Annaberg spiegelt sich in den Worten eines Teilnehmers wider, der auf deutscher Seite kämpfte: „Die Deutschen gingen mit kriegerischem Kampfgeist auf der ganzen Breite der Front in den Angriff und rissen dem Feind Dorf für Dorf, Hain für Hain aus den Händen… Viele Bayern warfen ihre Jacken ab und kämpften nur in ihren Hemden…“.

Die Bayern brachten ein blutiges Opfer bei der Verteidigung der Grenzgebiete ihres deutschen Vaterlandes. Es gab viele Verwundete und Vermisste. 54 Freiwillige des Freikorps Oberland verloren ihr Leben im Kampf um Oberschlesien. An sie erinnert eine Gedenktafel an einer Kapelle in der Nähe eines Weinbergs in der schön gelegenen Bergstadt Schliersee im südlichsten Zipfel Bayerns nahe der Grenze zu Österreich. Jedes Jahr im Mai finden dort Gedenkgottesdienste für die Gefallenen statt. Zudem wird eine Feldmesse gefeiert, an der nicht nur Bewohner der Gegend teilnehmen. Vielleicht lohnt es sich, einmal hinzufahren und zu beten.

 

Waldemar Gielzok
Vorsitzender der Deutschen Bildungsgesellschaft und Erforscher der schlesischen Geschichte

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