Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Gut für die Zukunft aufgestellt

Mit Natalie Pawlik, der Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, sprach Rudolf Urban über Fördermittel für die deutsche Minderheit in Polen sowie über die Zukunft dieser Volksgruppe.

Der Bundestag hat im Haushalt 2023 beschlossen, 5 Mio. Euro für die außerschulische Sprachförderung der deutschen Minderheit in Polen zu vergeben. Das ist viel mehr als in den letzten Jahren. War es schwierig, die Abgeordneten zu überzeugen, einer Minderheit so viele Mittel zukommen zu lassen?

Die Förderung der deutschen Minderheit führt zu einer Stärkung ihrer Brückenfunktion zur jeweiligen Mehrheitsgesellschaft wie auch zu Deutschland. Angehörige der deutschen Minderheit sind damit ein nicht zu unterschätzender Faktor in den bilateralen Beziehungen. Sie stehen für ein friedliches Miteinander und echte Dialogbereitschaft.
In Zeiten, in denen die Haushaltslage derart angespannt ist wie im Moment, ist das Einwerben zusätzlicher Haushaltsmittel in der Tat kein Selbstläufer. Ich bin – wie auch weitere Abgeordnete des Deutschen Bundestages – davon überzeugt, dass jeder Euro für die außerschulische Sprachförderung von Deutsch als Minderheitensprache nachhaltig und sinnvoll angelegt ist. Deutsch als Minderheitensprache ist ein substanzielles Element für die ethnokulturelle Identität. Seit einigen Monaten besteht aufgrund der Kürzungen seitens der polnischen Regierung die Gefahr, dass Verluste bei der Sprachkompetenz eintreten, die nur sehr schwer kompensiert werden können. Daher ist es gut, dass ich erfolgreich gemeinsam mit anderen Abgeordneten für die starke Unterstützung des außerschulischen Deutschunterrichts der deutschen Minderheit werben konnte.

Andrzej Buła, Natalie Pawlik und Rafał Bartek (v.l.) eröffnen das Dokumentations- und Ausstellungszentrum.
Foto: Lucas Netter

Die zusätzlichen Mittel sollen die Folgen der Kürzungen des Deutschunterrichts durch die polnische Regierung abfedern. Das kann aber kein Dauerzustand sein. Sind Sie im Gespräch mit Warschau über die Situation des minderheitlichen Sprachunterrichts und sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?

Der polnische Staat hat sich in der Vergangenheit zu seiner deutschen Minderheit bekannt. Dies ist durch verschiedene Normen in der eigenen Gesetzeslage, im Nachbarschaftsvertrag mit der Bundesrepublik Deutschland und der darauffolgenden gemeinsamen Erklärung sowie in EU-Vereinbarungen niedergelegt. Es kommt nun aber entscheidend darauf an, dass der Geist dieses Regelungswerkes auch gelebt wird. Ich werde mich deshalb weiterhin konsequent bei den polnischen Verantwortungsträgern dafür einsetzen, dass die Kürzungen zurückgenommen werden.

Der Bundestag hat auch 1 Mio. Euro für den Polnischunterricht in Deutschland bereitgestellt. In Polen wurde dies als Erfolg angesehen, als Beweis, dass es sich lohnt, Druck auszuüben. Wie steht die Bundesregierung dazu? Haben Sie sich unter Druck setzen lassen?

Mit dem Betrag von einer Million Euro, der im Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für das Haushaltsjahr 2023 zur Verfügung gestellt wird, soll das Kompetenz- und Koordinationszentrum Polnisch (KoKoPol) am Internationalen Begegnungszentrum St. Marienthal gefördert werden. Für die Haushaltsjahre 2024 und 2025 sind jeweils zwei Millionen Euro vorgesehen. Die Mittel dienen der Entwicklung und Umsetzung einer Strategie zur Stärkung von Polnisch als Fremd- und Herkunftssprache. KoKoPol hat seine Arbeit im Jahr 2020 aufgenommen und ist seither von der Bundesregierung gefördert worden, zunächst mit Mitteln des Auswärtigen Amtes. Nach dieser Anschubfinanzierung ermöglicht die Erhöhung der Förderung nunmehr eine Verstetigung und Ausweitung der Tätigkeit von KoKoPol. Bei der Zurverfügungstellung dieser Mittel handelt es sich somit nicht um eine auf Druck der polnischen Regierung aufgenommene Förderung.

Natalie Pawlik, die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedelrfragen und nationale Minderheiten.
Foto: Deutscher Bundestag / Inga Haar

 

Wie ist Ihre Sicht auf das kommende Jahr 2023 für die deutsche Minderheit in Polen?

Die deutsche Minderheit in Polen ist ein bedeutsamer Ansprechpartner für viele Verantwortliche in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Durch eine selbstbewusste und engagierte Interessenwahrnehmung ist sie allseits anerkannt und erleichtert und vertieft so vielfältige persönliche und institutionalisierte Kontakte. Angehörige der deutschen Minderheit, welche die deutsche Sprache gut beherrschen und ein modernes Deutschland-Bild verinnerlicht haben, sind wertvolle „Botschafter“ unserer Gesellschaft und Kultur in ihrem Herkunftsland. Hier möchte ich vor allem die Jugend der Deutschen Minderheit in Polen hervorheben. Bei meinem Besuch in Breslau anlässlich des Kulturfestivals der Deutschen Minderheit konnte ich mit einigen jungen Vertreterinnen und Vertretern sprechen – ihr Engagement für eine offene und tolerante Gesellschaft bei gleichzeitiger Bewahrung der eigenen Kultur und Traditionen hat mich sehr beeindruckt. Das ist der richtige Weg!

Auch im Jahr 2023 wird es nicht an Herausforderungen mangeln. Viele Menschen suchen in der heutigen globalisierten und immer unübersichtlicher erscheinenden Welt nach Orientierung, nach ihrer eigenen Identität, nach ihrer Heimat. Für das Gefühl persönlicher Geborgenheit sind starke Wurzeln unerlässlich, die durch ausreichenden Deutschunterricht gestärkt werden.
Einige Angehörige der deutschen Minderheit in Polen haben Ämter in kommunalen Gremien inne und die Professionalisierung der Arbeit vor Ort bis hin zur Arbeit auf der politischen Ebene hat ein sehr hohes Niveau erreicht. Deshalb sehe ich die deutsche Minderheit in Polen gut für die Zukunft aufgestellt, um sich konstruktiv für die Anliegen der Minderheit einzusetzen und auch Minderheits- und Mehrheitsbevölkerung zusammenzubringen.

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