Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

„Herzensfreundschaft“ mit Hindernissen

Nachdem die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bereits gestern (03.10.) nach Warschau gereist war, um in der dortigen Deutschen Botschaft an den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit teilzunehmen, traf sie am heutigen Dienstag (04.10.) mit ihrem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau (PiS) zusammen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz erteilte sie den polnischen Forderungen nach Kriegsreparationen eine Absage. Diese Frage sei für Deutschland „abgeschlossen“.

Am Dienstagmorgen twitterte der CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Ziemiak, dass er Annalena Baerbock „gute und erfolgreiche Gespräche in Warschau“ wünsche. „Es ist eine wichtige, aber keine einfache Reise“, so der Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag. Angesichts der jüngsten Verstimmungen in den deutsch-polnischen Beziehungen, zum Beispiel in Bezug auf das Agieren – oder aus Sicht der polnischen Regierung eher: das Nicht-Agieren – der Bundesregierung hinsichtlich verstärkter Waffenlieferungen an die Ukraine, dürfte es wohl tatsächlich ein schwieriger Besuch der deutschen Außenministerin bei ihrem östlichen Nachbarn gewesen sein.

Am Dienstag (04.10.) traf die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in Warschau ihren polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau.
Foto: Sebastian Indra / MSZ

Ein weiteres heißes Eisen: Warschaus Reparationsforderungen in Billionenhöhe für die von Deutschen während des Zweiten Weltkrieges in Polen verübten Verbrechen und angerichteten Schäden. Formalisiert wurden diese Ansprüche ausgerechnet am gestrigen Tag der Deutschen Einheit, als Außenminister Zbigniew Rau eine entsprechende diplomatische Note unterzeichnete, die dem Auswärtigen Amt in Berlin übergeben werden soll. Die Note bringe „die Überzeugung des polnischen Außenministers zum Ausdruck, dass die Parteien unverzüglich Schritte zu einer dauerhaften, umfassenden und endgültigen rechtlichen und materiellen Regelung der Folgen der deutschen Aggression und Besatzung von 1939 bis 1945 einleiten sollten“, erklärte Zbigniew Rau.

Warme Worte am Tag der Deutschen Einheit
Damit war der Rahmen für Annalena Baerbocks Trip nach Warschau gesetzt. Sie war schon am 3. Oktober in die polnische Hauptstadt gereist, um in der dortigen Deutschen Botschaft an den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit teilzunehmen. In ihrer Festrede würdigte sie die Solidarność-Bewegung als eine Wegbereiterin der deutschen Einheit: „Wir Deutsche hätten das Kapitel unserer Wiedervereinigung nicht ohne den Mut der Polinnen und Polen schreiben können. Der Sog der Freiheitsbewegung in Polen hat damals auch Deutschland erfasst“, so die deutsche Chefdiplomatin. Auch auf die gegenwärtigen deutsch-polnischen Beziehungen ging sie ein: Deutschland und Polen verbinde „eine Herzensfreundschaft zwischen Millionen von Menschen. Eine Freundschaft und Partnerschaft, die stärker ist als politische Meinungsverschiedenheiten. Eine Freundschaft, an der wir immer neu arbeiten müssen, so herausfordernd das manchmal sein mag.“

Annalena Baerbock und Zbigniew Rau während der gemeinsamen Pressekonferenz im polnischen Außenministerium
Foto: Sebastian Indra / MSZ

Absage an Reparationsforderungen
Am Dienstagvormittag traf Annalena Baerbock dann mit ihrem polnischen Amtskollegen zusammen. Während einer gemeinsamen Pressekonferenz im Außenministerium erteile sie den Reparationsforderungen Warschaus abermals eine klare Absage. Aus Sicht der Bundesregierung sei die Frage nach Reparationen „abgeschlossen“. Man habe beim Aufbau der Friedensordnung in einem gemeinsamen Europa rechtliche Grundlagen geschaffen, „deswegen ist für uns diese Frage rechtlich geklärt“, so Annalena Baerbock. Gleichzeitig betonte sie, dass Deutschland „ohne Wenn und Aber“ zu seiner historischen Verantwortung stehe. Es könne „keinen Schlussstrich geben“ und es bleibe „unsere ewige Aufgabe, an das millionenfache Leid zu erinnern, das Deutschland Polen angetan hat.“

Zbigniew Rau wiederum erklärte, dass ihm die deutsche Position in puncto Reparationen bekannt sei – weswegen man die diplomatische Note nach Berlin geschickt habe. Er sei davon überzeugt, dass sich die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage im Rahmen eines Dialogs verändern und weiterentwickeln werde – denn es gebe weder ein moralisches noch ein juristisches System, in dem der Verursacher eines Verbrechens allein über den Umfang seiner Verantwortung entscheiden könne.

Im Anschluss an das Treffen mit Zbigniew Rau – bei dem auch die Notwendigkeit der weiteren Unterstützung für die kriegsgebeutelte Ukraine thematisiert wurde – nahm Annalena Baerbock noch an einer Podiumsdiskussion beim Warschauer Sicherheitsforum teil und besuchte am Nachmittag den Friedhof für die Aufständischen von Warschau.

Lucas Netter

Titelfoto: Sebastian Indra / MSZ

Show More