Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ich fühle mich nicht als Gast

Wie hat sich Peter Herr, deutscher Konsul in Oppeln, in Oberschlesien eingelebt und wie erlebt er die Minderheit. Darüber sowie über seinen vorherigen Dienstposten in der Ostukraine sprach der Konsul im Interview mit Rudolf Urban.

Sie sind seit Herbst 2022 Konsul in Oppeln, hatten also schon die Möglichkeit, Land und Leute kennenzulernen. Welchen Eindruck haben Sie von Oberschlesien?

Ich habe Anfang August meinen Auftrag wahrgenommen und bin außerordentlich angetan von Land und Leuten. Als allererstes habe ich die schöne Stadt Oppeln gesehen. Ein Schmuckstück – klein, aber fein. Dann hatte ich aufgrund der vielen Fahrten zu Antrittsbesuchen auch die Möglichkeit, die Gegend außerhalb Oppelns kennenzulernen und muss sagen, dass mich die Region in manchen Dingen an meine süddeutsche Heimat erinnert, auch wenn diese hügeliger oder auch gebirgiger ist. Es ist hier alles sehr gepflegt, man ist darauf bedacht, die Natur zu erhalten. Ich habe hilfsbereite kommunikative Menschen kennengelernt und habe mich hier sehr schnell zuhause gefühlt. Hier kam ich mir von Anfang an nicht als Gast vor, sondern als jemand inmitten der Menschen – und das schätze ich sehr.

Sie leiten das deutsche Konsulat in Oppeln, eine spezifische Vertretung, auch, weil das Konsulat jahrelang als die größte Passstelle außerhalb Deutschlands galt. Erleben Sie das auch, dass dieses Konsulat etwas Besonderes ist?

Wenn das Konsulat etwas Besonderes ist, dann nicht wegen der Größe der Passstelle, die – verglichen mit inzwischen noch anderen deutschen Auslandsvertretungen – eher durchschnittlich groß ist. Aber es hat einen besonderen Zuschnitt, durch seine besonderen Aufgaben: in erster Linie der konsularischen Betreuung der hier wohnenden deutschen Bevölkerung und daraus ergeben sich bestimmte Arbeitsschwerpunkte. Zudem pflegen wir intensiv die Kontakte mit den hiesigen polnischen Behörden vor Ort, mit denen wir, was ich dankbar unterstreichen will, eine sehr vertrauensvolle Arbeitsgrundlage haben.

Konsul Peter Herr. Foto: R. Urban

Sie haben die deutsche Minderheit angesprochen, um die Sie sich kümmern. Welchen Eindruck macht die Minderheit auf Sie? Haben Sie diese so erwartet?

Ich hatte mich schon kundig gemacht, bevor ich diesen Posten antrat, und es ist etwas Besonderes, die deutsche Minderheit und die Zusammenarbeit mit ihr hier vor Ort zu erleben. Ich erlebe die deutsche Minderheit als äußerst aufgeschlossen und kreativ in ihrer Zusammenarbeit. Sie hat ihren festen Platz in der Gesellschaft dieses Landes, auch wenn dieser Platz spezifisch ist. Das heutige Miteinander der deutschen Minderheit und der polnischen Mehrheit, worin es natürlich Unterschiede gibt, hat dennoch viele Gemeinsamkeiten, es braucht viel Zusammenarbeit, Engagement und Mühe von beiden Seiten, aber man bekommt es hin. Die Leute, die ich hier auf der Straße sehe, schauen nicht aneinander vorbei, sie beachten sich gegenseitig, sie gehen respektvoll miteinander um und das ist die Frucht der beiderseitigen Bemühungen. Das imponiert mir sehr.

Nun zu einem schwierigen, aber aktuellen Thema. Sie waren vor diesem Dienstposten in der Ukraine. Den Ausbruch des Krieges haben sie nicht vor Ort mitbekommen, aber gewiss mit den Menschen vorher intensiven Kontakt gehabt. Haben die Menschen dort den Krieg in der Luft gespürt oder kam alles aus heiterem Himmel?

Ich bin im Jahr 2020 nach Dnipropetrowsk in die Südostukraine versetzt worden. Das ist ca. 180 km Luftlinie von Bachmut entfernt, wo derzeit erbitterte Kämpfe andauern. Anfang Februar 2022 war ich urlaubsweise zuhause, um zusammen mit meiner Frau Geburtstag zu feiern und erhielt dann den Anruf, ich solle den Rückflug in die Ukraine stornieren. Ich hatte zunächst, wie andere, nicht gerechnet, dass Russland den Fehler machen würde, die Ukraine anzugreifen, aber es kam doch anders.

Die Menschen dort hatten ja schon eine ähnliche Situation 2014 bei der Annexion der Krim durch Russland erlebt. Dieses Erlebte ist in den Leuten geblieben und ich spürte seit spätestens Dezember 2021, dass die Menschen begannen, sich Sorgen zu machen. Sie versuchten, Vorsorge zu treffen, z. B. durch Abheben von Dollars oder Euros von ihren Bankkonten oder sie versuchten, u. a. Treibstoff zu horten. Das waren Anzeichen dafür, dass die Menschen in der Ostukraine durchaus Befürchtungen hatten, etwas könnte passieren.

Ich machte noch im Januar 2021 eine Taxifahrt und die Fahrerin fragte mich, ob es zu einem Angriff kommen könne. Ich antwortete, das wisse man nicht und es deute bislang nichts darauf hin, auch wenn die russische Armee schon mit Manövern in der Grenznähe begann. Sie erzählte mir dann, dass sie 2014 als Köchen bei der ukrainischen Armee war, den Angriff der Russen miterlebte und es eines Tag so weit kam, dass selbst die Köchinnen ein Gewehr in die Hand bekamen, um nach vorne zu gehen und auf den russischen Angreifer zu schießen. Sie sagte, sie könne das niemals vergessen und wolle auch nie wieder so etwas erleben, aber sie sei sich jeden Tag unsicherer, ob sich das nicht wiederhole.
Die Menschen hatten also keine Gewissheit, aber ihr Instinkt hat ihnen das Richtige signalisiert.

Wir sind gerade kurz vor Ostern, deshalb kommen wir nach diesem schwierigen Thema nun auf die Feiertage zu sprechen. Sie sind in einer Region, die dafür berühmt ist, dass traditionelle Ostereier mit einer Kratztechnik verziert werden. Wurden Sie denn schon mit einem dieser Schmuckstücke beschenkt?

Die Tradition verzierter Eier kenne ich auch aus anderen Regionen Mittel- und Osteuropas sowie aus Deutschland. Da werden sie aber nur gefärbt und nicht graviert und es gibt keine speziellen, traditionellen Muster. Es ist aber eine wunderschöne Tradition.

Da ich aber gerade erst ein halbes Jahr hier bin, bin ich noch nicht dazugekommen, traditionelle oberschlesische Ostereier geschenkt zu erhalten. Ich freue mich über diese schöne Tradition und genauso freue ich mich, wenn ich bei meinem Osterurlaub in Deutschland ein Schokoladenei oder einen Schokoladen-Osterhasen bekomme.

Die Eier symbolisieren überall dasselbe, also das Frühlingserwachen und neue Fruchtbarkeit. Es grünt und blüht – darum geht es und das freut jeden Menschen.

Wenn es bald grünt und blüht, was wäre ihr nächsten Ausflugsziel in der Region?

Das wäre auf jeden Fall der St. Annaberg, der mir von Anfang an sehr empfohlen wurde. Ich hoffe, ich kann diesen Platz bald besuchen. Es sind aber auch die nächstgelegenen Städte wie Breslau oder einfach die hiesige Umgebung. Wir sind an der Oder, das ist sehr idyllisch, mit sehr viel Grün. Ich genieße die Stimmung hier.

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