Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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In guter Erinnerung

 

Im Sommer 2021 jährte sich das 110. Jubiläum der Enthüllung des Gedenksteins von Joseph von Eichendorff im Neustädter Wald. Die Umstände der Aufstellung des Denkmals vom berühmten Lubowitzer in der nächsten Umgebung von Neustadt OS. schilderte ich vor ein paar Jahren in den Artikeln „Neustädter stellten ihm das Denkmal auf” sowie „Auf den Spuren Joseph von Eichendorffs im Neustädter Land”, die u. a. in den „Eichendorff-Heften” veröffentlicht wurden.

Das diesjährige Jubiläum bietet erneut Anlass, Überlegungen zur Popularität des Romantikers unter ehemaligen und gegenwärtigen Neustädtern anzustellen. Davon handelt mein heutiger Text.

 

Das Denkmal und mehr
Die Stadt Neustadt war immer von namhaften Persönlichkeiten bewohnt, die dank ihrer Liebe zur schlesischen Heimat, Tätigkeit auf dem Gebiet der Wissenschaft sowie Sammelleidenschaft einen enormen Beitrag zur Entwicklung der lokalen Kultur leisteten. Zu ihnen gehörte zweifellos Alfons Nowack. Der in Groß-Strehlitz geborene Landeshistoriker war in den Jahren 1896-1918 als Lehrer im Neustädter Königlichen Katholischen Gymnasium und danach als Archivar sowie Direktor des Erzbischöflichen Diözesanarchivs in Breslau tätig. Er verfasste zahlreiche Beiträge zur Geschichte Oberschlesiens und galt als großer Liebhaber des Lebens und Werks von Joseph von Eichendorff. Während seiner Wohn- und Arbeitszeit in Neustadt OS. gab Nowack 1907 die Tagebücher des Dichters aus der Zeit seiner Kindheit in Lubowitz „Lubowitzer Tagebuchblätter Joseph von Eichendorff” sowie Reise- und Wanderungsberichte von Joseph und seinem Bruder Wilhelm „Fahrten und Wanderungen der Freiherren Joseph u. Wilhelm v. Eichendorff (1802-1814)” heraus. Die von ihm initiierte Idee der Aufstellung des Gedenksteins im August 1911 auf dem Kolberg im Neustädter Wald wurde mit großer Begeisterung aufgenommen und zeugte davon, dass die damaligen Neustädter den Dichter in guter Erinnerung behielten.

 

Joseph Freiherr von Eichendorff
Quelle: MD

Eichendorff-Motive in der „Schlesierbücherei” von Max Pinkus
Während Alfons Nowack das Leben und Werk des Romantikers aus Lubowitz in Neustadt OS. berühmt machte, sammelte Max Pinkus in seiner Villa in der Neißer-Straße eine der größten und wertvollsten privaten Bibliotheken Oberschlesiens, die „Schlesierbücherei”. Es konnte bisher nicht festgestellt werden, aus welchen Gründen der Neustädter Fabrikant mit dem Sammeln von Werken schlesischer Autoren begann. Bekanntlich war die Familie Pinkus bis zum Jahre 1922 im Besitz der Landgüter im Hultschiner Ländchen, deren Teil die ehemaligen Familiengüter Eichendorffs bildeten. Das konnte für den Unternehmer ein Ansporn für die Gründung der Bibliothek sein, die zu Beginn der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts schon 25.000 Exemplare zählte. Ihre literarische Abteilung, in der die Sammlung von Gerhart Hauptmanns Büchern einen markanten Platz einnahm, beherbergte auch alle Werke von Joseph von Eichendorff sowie seine Handschriften (einen Brief und fünf Gedichte). Für seine namhaften Freunde aus der Welt der Kultur und Literatur unternahm Max Pinkus Ausflüge in den Geburtsort Eichendorffs Lubowitz und nach Neiße, wo der Romantiker seinen Lebensabend verbracht hatte und beerdigt worden war. Zum Freundeskreis des Fabrikanten gehörte u. a. einer der meistgelesenen Autoren der Weimarer Republik, der deutsche Schriftsteller und Essayist Otto Flake. Die Erinnerungen an Besuche in Neustadt OS., in denen Eichendorff-Motive ebenfalls zum Vorschein kamen, schilderte der gebürtige Lothringer in seiner Autobiografie „Es wird Abend”. Er schrieb: „Es gab in der Umgebung Neustadts hübsche Spaziergänge, auch interessante (…). In einem Gehölz stand ein kleines Eichendorffdenkmal. Eichendorffs Stadt war Neiße gewesen, wohin wir oft fuhren.”

 

In der Vorkriegszeit
Mit der von Wok von Rosenberg gegründeten Stadt war ein anderer hervorragender Literat verbunden, der Neustadt OS. und das hiesige Eichendorffdenkmal in der Weltliteratur verewigte. In seinem Roman „Sommer der toten Träume” wählte Harry Thürk den Gedenkstein des Dichters als einen der Handlungsorte: „Mit den Fahrrädern schafften es Hirschke und Sibylle, einem Sommer Inhalt zu geben, der für Hirschke der letzte vor der Einberufung war. Rollten durch die idyllischen Dörfer westlich der Stadt, wo das Gebirge begann. Besahen sich die alten Kapellen und den Eichendorff-Stein.” Es ist kein Zufall, denn dem in Neustadt OS. aufgewachsenen Thürk waren der Kobelberg wie auch die schriftstellerische Tätigkeit des Autoren der Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts” gut bekannt. An der Wende der 20er und 30er Jahre gehörte der Neustädter Wald zu den beliebten Wanderungsorten der Neustädter, wovon zahlreiche Berichte und Erinnerungen zeugen, die nach dem Jahre 1945 in Deutschland in der Monatsschrift „Neustädter Heimatbrief” veröffentlicht wurden.

 

Die Gegenwart
Die wegen des Zweiten Weltkriegs verursachten geopolitischen Veränderungen und der nahezu vollständige Bevölkerungsaustausch in diesem Teil Schlesiens führten dazu, dass Joseph von Eichendorff und seine Werke in Vergessenheit gerieten. Die Bronzemedaille mit dem Bildnis des Dichters und den Worten seines Gedichts verschwanden für eine lange Zeit von dem Denkmal. Erst 1991, dank der Bemühungen der Stadtverwaltung und des DFKs Neustadt sowie der Partnerstadt Northeim, konnte der Vorkriegszustand des Gedenksteins wiederhergestellt werden. Damals entstand die Idee des Rezitationswettbewerbs der Gedichte Joseph von Eichendorffs, der alljährlich in Zusammenarbeit des DFKs Neustadt mit dem Neustädter Kulturhaus für Schüler der Grund- und Oberschulen aus der Stadt und Umgebung organisiert wird. Das ist der beste Beweis dafür, dass Leben und Werk von Eichendorff in Neustadt OS. wieder in Erinnerung gebracht und geehrt werden.

 

Marcin Domino
Der Autor ist Germanist, Lektor und Übersetzer der deutschen Sprache.

Bibliografie:

Baron A., Max Pinkus – śląski przemysłowiec i mecenas kultury, Opole 2008.
Chrząszcz J., Historia Miasta Prudnika na Górnym Śląsku, Übers. Marcin Domino, Opole 2015.
Flake O., Es wird Abend, Frankfurt am Main 1980.
Neustädter Heimatbrief, Wolfenbüttel 1956-2000.
Rathmann, Neustadt in Oberschlesien, Berlin 1929.
Thürk H., Lato umarłych snów, Übers. Marcin Domino, Opole 2020.
In Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Alfons_Nowack

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