Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Jüdisches Leben in Rybnik

Das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen bietet derzeit vom 21. November bis zum 30. Juni 2022 die Sonderausstellung „Jüdische Spuren. Von der Synagoge zum Gebetshaus in Beuthen“ an. Dem schließen wir uns an, indem wir die Geschichte der Juden in der oberschlesischen Stadt Rybnik beleuchten wollen.

Dass es dort einst eine aktive jüdische Gemeinde gab, entnimmt man heute lediglich historischen Quellen und der geschichtlichen Aufarbeitung, welche die Stadt in heutiger Zeit vorantreibt, denn sichtbare Spuren im Stadtbild gibt es seit Ewigkeiten kaum. Dabei hatten die lokalen Juden einst ein prachtvolles Gebetshaus sowie eigene Geschäfte inmitten des Stadtzentrums.

Bereits im 18. Jahrhundert war die jüdische Gemeinde in Rybnik verzeichnet. Viele kamen aus Niederschlesien, woher sie vertrieben wurden. Da die gesetzliche Lage in Oberschlesien eine andere war und die Industrie einen raschen Aufschwung erlebte, vergrößerte sich der jüdische Bevölkerungsanteil der Stadt im 19. Jahrhundert deutlich. So fand die jüdische Kultur auch ihren Eingang in die Stadtarchitektur.

Matzewas (Grabsteine) auf dem zerstörten jüdischen Friedhof in Rybnik
Foto: Wikipedia

An der heutigen Kreuzung Raciborska- und Skłodowskiej-Str. wurde die hölzerne Alte Synagoge aufgestellt, die im Jahre 1811 wahrscheinlich Feuer fing und anschließend nicht wiederaufgebaut wurde. Heute befindet sich dort ein vierstöckiger Wohnkomplex aus den 1970er Jahren. Stattdessen plante man seinerzeit eine Neuerrichtung südlich des Ringes (Rynek). 1842-1848 wurde an der Kreuzung Zamkowa- und Gimnazjalna-Str. (heute Zamkowa- und Chrobrego-Str.) die rechteckige Neue Synagoge im klassizistischen Stil erbaut. Bei der Finanzierung leistete Baron Durand aus Baranowitz/Baranowice) Unterstützung. Bereits zuvor, nämlich 1815, wurde in Bahnhofsnähe ein jüdischer Friedhof errichtet (heute Wieniawskiego-Str.), der jedoch 1931 aus sanitären Gründen geschlossen wurde. Die Beerdigungen wurden anschließend nach Loslau/Wodzisław Śląski verlegt. Ab 1877 besuchten jüdische Kinder die katholische Ortsschule. Für Waisen entstand 1893 der jüdische Kinderhort auf der heutigen Piłsudski-Str. 1927 wurde das Gebäude an die Schlesische Landwirtschaftskammer verkauft und 2007 abgerissen. Heute befindet sich dort das Gericht.

Bis vor dem Ersten Weltkrieg zählte die jüdische Gemeinde Rybniks knapp 400 Angehörige. Wie aus der Geschichte bekannt ist, folgten bald die Volksabstimmung 1921 in Oberschlesien und ein Jahr später die Teilung in das deutsche West- und das polnische Ost-Oberschlesien. Dieses Ereignis ging an den Rybniker Juden nicht spurlos vorbei. Auch wurden antisemitische Aktionen der polnischen Bevölkerung und der Deutschen Minderheit gegenüber ihren Mitbürgern präsenter. So zog der wohlhabendere Teil der jüdischen Gemeinde, der etwa ein Drittel ausmachte, weg. Der ärmere Teil der Bevölkerung verblieb, wandte sich dem Zionismus zu und besuchte die Synagoge, sofern die Außentemperaturen es zuließen, denn diese war nicht beheizt.

Die steinerne Fassade des Gebetshauses mit einem Aufgang und Geländer befand sich auf der westlichen Seite hin zur Zamkowa-Str. Über der Eingangstür war der Davidstern angebracht. Während einige wenige Fotografien vom Außenbau existieren, ist das Innere nur anhand von Zeitzeugenaussagen überliefert. So soll der Innenraum halbkreisförmig gewesen und einen Frauenbereich gehabt haben. Der Toraschrein war üppig gestaltet, die Decke dunkelblau mit kleinen goldenen Sternen. Eine Orgel gab es allem Anschein nach nicht. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, entstand 1928 das neue Rathausgebäude, welches bis heute als solches fungiert. Es gibt ein Foto, auf dem die Töchter des ersten Bürgermeisters der Stadt, Władysław Weber, am Zaun der Synagoge spielen.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde der Bau von den Nationalsozialisten mit Benzin übergossen und niedergebrannt. Seitdem befindet sich dort eine Grünanlage mit Springbrunnen. Ein Teil der Juden schaffte es, aus der Stadt zu fliehen, während die meisten 1940 zur Zwangsarbeit eingesetzt und ins Arbeitslager Trzebinia verschleppt wurden. Sie mussten auch den seit knapp zehn Jahren stillgelegten jüdischen Friedhof abräumen. Die Grabsteine wurden für den Straßenbau benutzt oder schlicht weggeworfen. Sehr wenige davon sind erhalten geblieben. Heute befindet sich auch dort eine Grünanlage.

Im Januar 1945 wurde Rybnik für viele Juden zur traurigen „Endstation“. Die Nazis führten auf dem Todesmarsch von Ausschwitz nach Loslau zahlreiche Massenerschießungen im nördlichen Teil der Stadt (Gliwicka-Str.) durch, denen auch Juden zum Opfer fielen. Heute befindet sich an der Stelle das Hallen- und Freibad. Einige Gräber erinnern noch an das Massaker.

Die Volksrepublik Polen zeigte bis 1990 wenig Interesse an der Bewahrung und Vermittlung des jüdischen Kulturerbes, das einst ein integraler Teil des Alltaglebens in Rybnik war. Erst nach der Wende hat das Thema Eingang in den allgemeinen Diskurs gefunden. Die Stadt setzt sich seitdem intensiv für die Aufarbeitung der eigenen Geschichte ein.

Christoph Martin Labaj
Kulturreferent, Landsmannschaft der Oberschlesier

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