Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Klare Diskriminierung“

Am gestrigen Dienstag (22.02.) veranstalteten die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) in der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) eine Onlinedebatte zum Thema „Die Kürzung des Deutschunterrichts der deutschen Minderheit in Polen und die Folgen“. Die Referenten waren sich darüber einig, dass man die Diskriminierung der hiesigen deutschen Minderheit deutlich als solche benennen müsse. 

Als Diskussionsteilnehmer zugeschaltet waren Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) und zugleich Sprecher der AGDM in der FUEN, Beate Sibylle Pfeil, Mitglied im Sachverständigenausschuss der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarates, Marek Mazurkiewicz, Politikwissenschaftler an der Universität Oppeln (Opole), sowie Knut Abraham, CDU-Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Deutscher Gesandter in Warschau. Moderiert wurde die Veranstaltung von Hartmut Koschyk, Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland und ehemaliger Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten.

In seinem Eingangsstatement betonte Bernard Gaida, dass die kürzliche Entscheidung des polnischen Sejm weit über eine bloße Kürzung von finanziellen Mitteln hinausgehe. Es handele sich vielmehr um eine klare Diskriminierung der deutschen Minderheit in Polen und um eine Stigmatisierung der Kinder, die hierzulande Deutsch als Minderheitensprache lernen. Man fühle sich inzwischen als Minderheit der zweiten Kategorie, so der VdG-Vorsitzende. „Wir sind davon überzeugt, dass die Einführung doppelter Standards für verschiedene Minderheitengruppen im Widerspruch zu Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht“, sagte er mit Blick auf die Verordnung des Bildungsministers, ausschließlich den minderheitensprachlichen Deutschunterricht von drei auf eine Stunde pro Woche zu verkürzen.

Beate Sibylle Pfeil erklärte in einer juristischen Einschätzung, dass Polen die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifiziert und sich somit unter anderem dazu verpflichtet habe, Deutsch (wie auch die anderen Minderheitensprachen) auf der Vor-, Primar- und Sekundarschulebene als Unterrichtssprache – und nicht lediglich als Unterrichtsfach – einzuführen. Trotz entsprechener Aufforderungen vonseiten des Europarates habe Polen diese Verpflichtung bislang nicht umgesetzt. Die nun bewusst nur auf Deutsch abzielende Reduktion der Unterrichtsstunden bedeute nicht nur eine gezielte Diskriminierung, sondern zugleich eine existenzielle Bedrohung für Deutsch als Minderheitensprache in Polen und verstoße somit mehrfach auch gegen geltendes Völkerrecht. Der Sachverständigenausschuss für die Sprachencharta habe sich entsprechend besorgt gezeigt und die polnischen Behörden um weitere Informationen gebeten. Es gelte nun, die Krise in eine Chance zu verwandeln und auf möglichst vielen Ebenen, insbesondere auch bilateral, auf die konsequente Umsetzung der Sprachencharta zu drängen.

Die politikwissenschaftliche Einordnung übernahm Marek Mazurkiewicz, der früher auch als Minderheitenbeauftragter der Woiwodschaft Oppeln tätig war. Er brachte seine Enttäuschung und Sorge über die „klare Diskriminierung“ der deutschen Minderheit zum Ausdruck und bezeichnete die aktuellen Entwicklungen als eine neuerliche „Eskalation“. „Zum ersten Mal nach 1989 haben das polnische Parlament und die polnische Regierung Gesetze verabschiedet, die einer konkreten Gruppe polnischer Staatsbürger weniger Rechte als dem Rest der Gesellschaft zubilligen“, sagte der Politologe. Außerdem würden die Pläne gegen gleich mehrere Artikel der polnischen Verfassung verstoßen, zum Beispiel gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Diese Missachtung der Minderheitenrechte werfe kein gutes Licht auf den Zustand der polnischen Demokratie.

Knut Abraham unterstrich, dass „dieses dringende Thema“ eine schnelle und effiziente Lösung brauche. Es gehe nun darum, „auf hoher politischer Ebene“ Druck zu machen. Er habe deshalb bereits Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) über die entsprechenden Entwicklungen in Polen informiert. Außerdem müsse für diese Angelegenheit verstärkt eine Öffentlichkeit geschaffen werden, damit sie weiterhin Aufmerksamkeit bekomme. Der CDU-Politiker betonte aber auch, dass die deutsche Minderheit in Polen unter keinen Umständen zum Spielball der deutsch-polnischen Beziehungen werden dürfe, deren Verschlechterung schon beim letzten Runden Tisch im Juni 2019 deutlich spürbar gewesen sei.

ln

Die ganze Debatte können Sie sich online auf dem YouTube-Kanal der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland ansehen: https://youtu.be/6NlstbAnbZ4

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