Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Letzte Ehre

Im Landkreis Zamojski nahe Zamość in der Woiwodschaft Lublin kümmert sich eine lokale Initiative um das Gedenken an deutsche Soldaten, die während des Ersten Weltkrieges in der Region ihr Leben ließen. Den Anstoß dafür gab eine zufällig gefundene Metallplakette. Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie wurde auf dem Friedhof im Dorf Mokrelipie nun eine Gedenktafel für die gefallenen Soldaten enthüllt.

 

Gerade einmal 18 Jahre und 27 Tage war Hans Buchholz alt, als er am 2. Juli 1915 zu Tode kam, gefallen während eines der unzähligen Gefechte an der Ostfront des Ersten Weltkrieges. Der junge Leutnant kämpfte in der 5. Kompanie des Infanterie-Regiments „Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig” Nr. 78, deren Mitglieder hauptsächlich aus der Region Ostfriesland und anderen norddeutschen Landstrichen stammten. Fern der Heimat starb Buchholz im Kampf gegen die Truppen des Russischen Kaiserreichs bei dem kleinen Dorf Sułowiec nahe der Stadt Zamość in der heutigen Woiwodschaft Lublin. Und obgleich die Familie zu Hause – so steht es zu vermuten – um den verlorenen Sohn weinte, wurde sein Schicksal doch schnell zu einer bloßen Statistik unter den Abermillionen Opfern dieses kriegerischen Massensterbens.

 

Als Offizier bekam Buchholz immerhin noch ein ordentliches Begräbnis und fand seine letzte Ruhestätte auf dem kleinen Pfarrfriedhof im Dorf Mokrelipie, wenige Kilometer von Sułowiec entfernt. Im Jahr 1929 wurde auf seine Grabstätte schließlich noch ein spärliches Holzkreuz gesetzt, an das eine Metallplakette genagelt wurde. Darauf zu lesen: Dienstgrad, Name, Einheit sowie Geburts- und Sterbedatum. Viel mehr blieb nicht von diesem jungen Leben – und selbst die Erinnerung an dieses Wenige verblasste mit der Zeit.

 

Zwar wurden die Gräber von Hans Buchholz und einigen seiner Kameraden, die ebenfalls auf dem Friedhof in Mokrelipie beigesetzt wurden, noch bis in die 1960er-Jahre gepflegt; als dort aber auch die lokale Bevölkerung beerdigt wurde, gerieten die gefallenen Soldaten in Vergessenheit.

 

Zufallsfund gibt Anstoß für Nachforschungen

 

Die neue Gedenktafel auf dem Friedhof in Mokrelipie erinnert an die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges, die hier begraben wurden.
Fotos: Mariusz Gorski

 

Bis zu einem Frühlingstag im Mai 2021 – da tauchte das Leben und Sterben Hans Buchholz‘ plötzlich wieder im (zumindest lokalen) Bewusstsein auf. An jenem Tag nämlich wollten zwei Mitglieder der Kirchengemeinde in Mokrelipie auf dem Pfarrfriedhof einen neuen Zaun errichten. Und während sie dafür den Boden umgruben, stießen sie in der Erde auf die Metallplakette, die einst Buchholz‘ Grab gekennzeichnet hatte, halb verrostet zwar, die Inschrift aber noch deutlich lesbar. Das besondere Fundstück inspirierte den Gemeindepriester Jarosław Nowak, mehr zu Hans Buchholz und den anderen hier begrabenen deutschen Soldaten in Erfahrung zu bringen. In der Sonntagsmesse bat er die Gemeindemitglieder deshalb um Hilfe bei seinem Recherchevorhaben.

 

Der Initiative des Priesters schlossen sich sodann Tomasz Wiśniewski und Piotr Szczurek an. Die beiden leidenschaftlichen Regionalhistoriker, die eigentlich als Postbote beziehungsweise als Sportlehrer arbeiten, recherchierten in den Archiven und studierten die historischen Quellen. Auf diese Weise konnten sie die Identität von 17 in Mokrelipie beigesetzten deutschen Offizieren und Unteroffizieren feststellen – und entschlossen sich, zu Ehren der Gefallenen eine Gedenktafel zu errichten. „Denn die christlichen Traditionen in unserer Region respektieren die Begräbnisstätten von Soldaten aus verschiedenen Teilen der Welt“, sagt Piotr Szczurek.

 

Der Gefallenen gedenken

 

Artur Katolo, Valerio Trabandt, Andrzej Roman Kidyba und Piotr Szczurek (erste Reihe, v. l. n. r.) auf dem Weg zum Friedhof in Mokrelipie.
Foto: Mariusz Gorski

 

Am 11. Juli 2021 – zum 106. Jahrestag des Gefechts von Sułowiec, das Hans Buchholz und so vielen anderen Soldaten das Leben kostete – fand in Mokrelipie schließlich eine Gedenkzeremonie statt. Etwa 100 Menschen versammelten sich zum Gottesdienst in der örtlichen Kirche und gedachten der getöteten Soldaten und aller Opfer des Ersten Weltkrieges. Unter den Teilnehmern waren auch der Erste Sekretär des Kulturreferats der deutschen Botschaft in Warschau, Valerio Trabandt, der Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Lublin, Prof. Dr. Andrzej Roman Kidyba sowie Artur Katolo, Kaplan der italienischen Carabinieri. Außerdem waren Vertreter der Gemeinden Radecznica und Sułów, Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sowie zahlreiche Einwohner Mokrelipies und der umliegenden Ortschaften anwesend.

 

Nach der Messe ging die Gruppe geschlossen zum nahegelegenen Friedhof, wo die Gedenktafel mit den eingravierten Namen und Lebensdaten der 17 identifizierten deutschen Soldaten enthüllt und gesegnet wurde. Finanziert wurde diese von den Gemeindemitgliedern und dem Priester in Mokrelipie. Es wurden Kränze niedergelegt, Kerzen entzündet und Gebete gesprochen. Valerio Trabandt sprach auch ein kurzes Grußwort: „Die Deutschen haben vor allem zwischen 1939 und 1945 die schlimmsten und grausamsten Verbrechen gegen Polen – und in Polen – begangen. Nichts kann sie rechtfertigen. Dennoch bemühen Sie sich aus eigener Initiative, an die Deutschen zu erinnern, die hier gefallen sind. Dieses Engagement im Geiste der Verständigung und der Versöhnung zwischen den Nationen ist außergewöhnlich. Dafür danke ich Ihnen im Namen der deutschen Botschaft ganz herzlich.“

 

Nach der Zeremonie in Mokrelipie machte sich die Delegation noch auf nach Sułowiec zum dortigen Soldatenfriedhof, wo weitere etwa 5.000 deutsche Soldaten in Massengräbern begraben liegen, hautsächlich Gefreite. Die Anwesenden legten auch hier Blumen nieder, entzündeten Kerzen und beteten für die Toten. So erwiesen sie auch diesen „einfachen“ Soldaten die letzte Ehre.

 

Lucas Netter

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