Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Masurischer Fasching

 

 

Die Weihnachtszeit endete nun am 6. Januar mit dem Dreikönigsfest. In der Kirche begann die sogenannte „gewöhnliche Zeit“ und in der weltlichen Kultur die Zeit der rauschenden Faschingsbälle und Umzüge, die in diesem Jahr bis zum 17. Februar, also bis zum Aschermittwoch, andauern wird.

 

Leider können wir diesmal wegen der Corona-Pandemie die 42 Tage des Karnevals nicht feierlich begehen, aber wir können, indem wir die im sozialen Raum derzeit geltenden Regeln befolgen, etwas über sein Wesen und seine Geschichte erfahren.

Die Bezeichnung Karneval stammt vom italienischen Wort „carnevale“ und dem lateinischen „carnem levāre“, was wortwörtlich „das Fleisch wegnehmen“ bedeutet. Es ist also ein Abschied vom Fleisch und damit von allen Arten von Festen, Spielen und Feiern und die Ankündigung der unvermeidliche Ankunft der Fastenzeit. Früher wurde sie viel strenger eingehalten als heute.

 

Die fünfte Jahreszeit

Der Karneval, wie wir ihn kennen, nahm seinen Anfang in Italien in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts. Die erste Erwähnung stammt aus einem Dokument von Vitale Faliero, dem Dogen von Venedig, aus dem Jahr 1094, in dem von öffentlichen Vergnügungen die Rede ist und in dem das Wort „Carnevale“ zum ersten Mal erscheint. Das Wesen des Karnevals war es, durch die getragenen Masken und Kostüme Anonymität zu gewährleisten, was wiederum die Verwischung jeglicher Trennung von sozialer Klasse, Geschlecht oder Religion ermöglichte. Es war eine Zeit der Befreiung von alltäglichen Pflichten, Sitten und Gebräuchen, eine Zeit, in der man ungestraft den Klerus, die Aristokratie oder die Obrigkeit verspotten konnte.

Der berühmteste und spektakulärste Karneval der Welt ist der in Rio de Janeiro, gefolgt von den Karnevalen in Venedig, auf den Kanarischen Inseln und in Deutschland, insbesondere in Rheinland-Westfalen. Karneval ist auch als Fastnacht oder Fasching bekannt. Er wird auch als die fünfte Jahreszeit bezeichnet. Die wichtigsten Figuren des Karnevals sind das sogenannte Dreigestirn, d. h. der Prinz, der Bauer und die Jungfrau, die die oberste Repräsentanten des Kölner Karnevals sind. In Westfalen und anderen deutschen Karnevalsregionen schneiden die Frauen am letzten Donnerstag der Faschingszeit die Krawatten der Männer ab und geben ihnen dafür einen Kuss. Dieser Brauch wurde 1824 von einer Gruppe von Wäscherinnen ins Leben gerufen, die beschlossen, an den Karnevalsspielen teilzunehmen, die damals den Männern vorbehalten waren. Bis heute gibt es in Köln sogar ein Karnevalsmuseum. Der Höhepunkt des Karnevals ist der Rosenmontagszug, ein Umzug durch die Straßen der Stadt am Montag vor Aschermittwoch.

 

“Winterlandschaft mit Schlitten” von Hans Olde um 1893
Foto: Public domain via Wikimedia Commons

 

Rogale und Bären

In der masurischen Tradition wurde die Karnevalszeit ebenfalls rauschend gefeiert und als „zapust“ oder „zapusty“ bezeichnet. Die Karnevalsspiele wurden von Maskierten begleitet, die an noch heidnische Rituale in Zusammenhang mit Magie und dem Kult der Naturgötter anknüpften, die für Bauern und Viehzüchter sehr wichtig gewesen waren. So durften beim Faschingsumzug die Ziege, der Storch und der Bär nicht fehlen. Bis vor Kurzem war dies eine sehr lebendige Tradition unter der einheimischen Bevölkerung Masurens. Es war ein Brauch der sogenannten „vegetativen Magie“, d. h. Handlungen, die darauf abzielten, die Natur zu zwingen, im kommenden Jahr reiche Ernten hervorzubringen. Diese Tiere symbolisierten die Kräfte der Fruchtbarkeit (Ziege) und die Kräfte der Natur, die dem Menschen gegenüber sowohl wohlgesinnt (Storch) als auch feindlich (Bär) waren.

Eine solche Prozession, in Masuren „rogale“ nach den gehörnten Krapfen genannt, zog mit einem „Bären“ durch die Dörfer und tanzte so lange um die Hütte, bis sie ein Geschenk bekam. Die gesammelten Güter wurden bei einem Spiel mit „Umpflanzen und Flachssprüngen“ verzehrt. Es gab auch Tänze mit einem Reifen, der den Mädchen aufgesetzt wurde (die Mädchen sprangen mit Hilfe der Jungen aus dem Reifen und mussten sich dann gegenüber den Musikanten loskaufen). Alle Bewohner des Dorfes amüsierten sich dabei und zu Hause wurden „plince“ (Krapfen) gebacken und besseres Essen als sonst zubereitet. In den Wirtshäusern fanden von Frauen organisierte Tänze statt. Sie führten dabei Tänze mit magischer Bedeutung auf, zum Beispiel hohe Sprünge, um Flachs gut wachsen zu lassen. Flachssprünge fanden am letzten Dienstag des Karnevals statt, am Montag und Sonntag hingegen wurden rituelle Sprünge vollführt, damit jeweils Kartoffeln und Getreide gut wachsen mochten. Die Masuren glaubten an die magische Kraft dieser Tänze. Je rauschender das Fest, desto besser der Ertrag an Getreide, Kartoffeln oder Flachs im Sommer werden würde. Damit der Flachs gut wachsen konnte, musste man möglichst weit mit einem Schlitten fahren, der von Pferden gezogen wurde, am besten in Begleitung eines Fohlens. In anderen masurischen Dörfern wurden Jungen und Mädchen auf Pferdeschlitten mitgenommen und in Nachbardörfer gefahren. Man versuchte, so weit wie möglich zu fahren, „bis zum Flachs“. Der Schlitten wurde von Pferden mit Glocken, sog. „brazguny“, gezogen. Neben dem Klang der Glocken konnte man dabei Lieder hören, die von den Teilnehmern der Schlittenfahrt mit Harmonikabegleitung gesungen wurden sowie Lachen, da alle sehr fröhlich waren. Die Tanzfeste fanden in den Häusern statt. Die Mädchen bereiteten das Essen vor und die Jungs brachten Wodka. Deshalb waren die Schlittenfahrten obligatorisch.

 

 

Salzige Krapfen

Karneval war nicht nur eine Zeit der Feste, sondern auch eine Zeit der Freite (Brautschau), Verlobungen und Hochzeiten. Deshalb wurden am Ende des Karnevals, in seiner letzten Woche, diejenigen verfolgt, die keinen Partner gefunden hatten – verheiratete Frauen fingen alle nicht verlobten Junggesellen ein und spannten sie an einen riesigen Baumklotz, den sie ziehen mussten. Dem Ende des Karnevals ging der sogenannte „fette“ Donnerstag voraus. Dieser „Krapfentag“ war den alten Masuren unbekannt. Was aber nicht bedeutet, dass damals keine Krapfen gegessen wurden. Diese wurden durchaus in der Faschingszeit zubereitet, doch sie sahen nicht so aus wie unsere heutigen. Sie waren salzig und enthielten Stücke von fettem Fleisch, hauptsächlich Grieben. Daher wird dieser Tag in der Tradition fetter, ungesüßter Donnerstag genannt. In Polen begann man erst im sechzehnten Jahrhundert, Krapfen in der süßen Version zu essen – mit Haselnüssen oder Mandeln. Allerdings war es lange Zeit eine Delikatesse der oberen Gesellschaftsschichten. In den Dörfern, in ärmeren Regionen wurden Krapfen noch salzig gegessen. Leider ist nicht bekannt, wie die süße Krapfenvariante in unser Land kam. Manche sagen, dass diese Delikatesse aus Wien stammt.

Die dreitägigen Feste endeten am Dienstag um 12 Uhr. In Masuren wurde den jungen Leuten Angst gemacht, dass ein Fest bis nach Mitternacht in einem Spiel mit dem Teufel enden könnte. Es gibt Volksgeschichten über diesen Glauben in Masuren. Einen davon möchte ich nun nach Anna Szyfer (A. Szyfer „Masurische und ermländische Bräuche, Rituale und Glaubensvorstellungen“) anführen. Ein Mädchen tanzte nach 12 Uhr nachts allein und ohne Musik. Plötzlich tauchte ein unbekannter Junggeselle auf, bezahlte die Musikanten und tanzte mit dem Mädchen. Als die Ältesten sahen, was vor sich ging, bekreuzigten sie die Musikanten und diese hörten auf zu spielen, während der unbekannte Junggeselle ohne Musik mit dem Mädchen weitertanzte. Und dann bemerkte man, dass der Junggeselle einen Huf statt eines Beins hatte und unter seinem Frack ragte ein Schwanz hervor. Es war der Teufel und er tanzte mit Mädchen, bis sie sich zu Tode quälte.
Nach dem Tanzen und der Fröhlichkeit kam die Fastenzeit. In masurischen Hütten wurde als Zeichen des Fastens eine mit Asche gereinigte Bratpfanne an einer sichtbaren Stelle aufgehängt. Die Fastenzeit stand vor der Tür und mit ihr die hungrige Vorerntezeit.

 

 

Tradition ist nicht vergessen

Fast alle alten Glaubensvorstellungen, Rituale und Spiele rund um den Fasching, die in Masuren einst so zahlreich und vielfältig waren, gehören heute der Vergangenheit an. Nur wenige haben bis in unsere Zeit überdauert. So sind noch immer – ähnlich den Auftritten von Sternsingern – gelegentlich inszenierte Faschingsumzüge und -spiele bei Volkswettbewerben und -veranstaltungen zu sehen. Die Traditionen der Fastnachtsfeste und -versammlungen und manchmal auch der Fastnachtstänze haben ebenfalls überdauert, wenn auch in geringem Umfang, doch sie haben nicht mehr den früheren Schwung und die Spontaneität. Die Tradition der Winterbälle und Umzüge in Masuren wird von Angehörigen der deutschen Minderheit in Bartenstein (Bartoszyce), Heilsberg (Lidzbark Warmiński), Allenstein (Olsztyn) und Osterode (Ostróda) nach Kräften am Leben erhalten, indem sie für ihre Sprösslinge Treffen, Workshops und Quizshows organisieren, oft in Kombination mit Deutschunterricht.

 

Alfred Czesla

 

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