Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Mehr Fragen als Antworten

Am 11. April veröffentlichte das Statistische Hauptamt die ersten Ergebnisse der Volkszählung 2021 über die Nationalitätenstruktur der Bevölkerung und die zu Hause gesprochene Sprache. Auch wenn die interessantesten Ergebnisse für die deutsche Minderheit diejenigen sind, die nach Woiwodschaft, Kreis und Gemeinde aufgeschlüsselt sind, geben auch die Gesamtzahlen einen gewissen Einblick in die Situation. Und die Einschätzung dieser Minderheit ist nicht die schlechteste.

Die Ergebnisse der Volkszählung 2021 zeigen deutlich, dass es weniger Deutsche in Polen gibt. Im Vergleich zu 2011, als noch über 147.000 Menschen in Polen die deutsche Volkszugehörigkeit angaben, sind es jetzt 132.500. Auch bei der Angabe der deutschen Nationalität als erste oder zweite Nationalität haben sich die Zahlen deutlich verändert. Im Jahr 2011 waren die beiden Zahlen fast identisch mit jeweils etwas mehr als 70.000, doch bei der letzten Volkszählung hat sich das Gleichgewicht eindeutig zugunsten der Angabe der deutschen Nationalität als zweite Nationalität verschoben, da 93.800 Personen dies im Fragebogen angaben.

Äußere Bedingungen

Für die Vertreter der deutschen Minderheit sind diese Ergebnisse, auch wenn sie nicht die besten sind, keine Tragödie. Rafał Bartek, Vorsitzender des Verbandes der deutschen Gesellschaften in Polen (VdG), ist davon sogar positiv überrascht:

„Wenn man sich die politische Atmosphäre in Bezug auf Deutschland und die Deutschen anschaut, die seit einigen Jahren negativ ist, hätte man schlimmere Ergebnisse befürchten können, denn die Angst, sich offen zu einer nichtpolnischen Nationalität zu bekennen, ist größer geworden.“

Und Lukasz Jastrzembski, Bürgermeister von Leschnitz und VdG-Vorstandsmitglied, weist darauf hin, dass auch die Zugehörigkeit zu anderen nationalen Minderheiten nun seltener als zuvor angegeben wurde. Darüber hinaus wird das Ergebnis von demografischen Veränderungen überlagert.

„Wenn wir diese Ergebnisse global betrachten, können wir daher sagen, dass die Zahl der Angehörigen der deutschen Minderheit mehr oder weniger gleichgeblieben ist“,

sagt Lukasz Jastrzembski.

Deutsche Sprache

Eine positive Überraschung ist hingegen die Zunahme der Personen, die angegeben haben, Deutsch im Privatleben zu verwenden: Von zuvor über 96.000 stieg diese Zahl bei der Volkszählung 2021 auf 199.000. Die aktuellen Ergebnisse lassen zwar keinen vollständigen Vergleich zu, doch es zeigt sich, dass trotz des allgemeinen Anstiegs die Zahl der Personen, die zu Hause nur Deutsch sprechen, zurückgegangen ist. Im Jahr 2011 waren es noch fast 10.000 Personen, aktuell sind es 6.600.
Für die Vertreter der deutschen Minderheit bleibt dennoch die Zahl von 199.000 der wichtigste Indikator:

„Wenn 10 Jahre nach der letzten Volkszählung 100 Prozent mehr Menschen angeben, zu Hause Deutsch zu sprechen, ist das ein sehr gutes Ergebnis und ein sehr positives Zeichen für unsere Organisationen. Trotz der Diskriminierung, die wir derzeit erleben, haben wir keine Angst, zu Hause Deutsch zu sprechen“

, sagt Michał Schlueter, Vizevorsitzender des VdG, der Ermland und Masuren vertritt.
Auch Rafał Bartek weist auf die Diskriminierung hin und sagt:

„Die Ergebnisse der Volkszählung und die Zahl der Personen, die angeben, die deutsche Sprache zu verwenden, stehen in völligem Widerspruch zu den Maßnahmen, die die polnische Regierung in Bezug auf den Unterricht der Minderheitensprache ergriffen hat. Ich hoffe daher, dass nun auch in Warschau eine Änderung der Entscheidung erfolgt und die drei Stunden Unterricht für Deutsch als Minderheitensprache wieder eingeführt werden.“

Foto: Unter anderem mit solchen Billboards forderte die deutsche Minderheit die Menschen auf, bei der Volkszählung ihre deutsche Volkszugehörigkeit anzugeben. Foto: SKGD

Expertenmeinung

Wir haben Dr. Marek Mazurkiewicz, Politikwissenschaftler an der Universität Oppeln, um einen Kommentar zu den vorläufigen Ergebnissen gebeten.

„Im Falle der deutschen Minderheit kann der Rückgang der Zahlen das Ergebnis negativer demografischer Veränderungen sein, aber auch eine indirekte Auswirkung der Politik bestimmter politischer Parteien, die die ,antideutsche Karte’ zur Polarisierung der Gesellschaft einzusetzen. Interessant ist auch die Frage nach den Sprachen, die bei häuslichen Kontakten verwendet werden. In diesem Fall beläuft sich die Gruppe der Personen, die die Verwendung der deutschen Sprache angeben, auf 199.000, d. h. über 60.000 mehr als bei den Identitätsangaben. Dies kann einerseits darauf hindeuten, dass zu dieser Gruppe auch Deutsche gehören, die aus Deutschland gekommen sind und in Polen Familien gegründet haben, es kann aber auch ein Signal dafür sein, dass die deutsche Minderheit größer ist, was aber nicht alle bei der Frage nach ihrer national-ethnischen Identifikation offen zugeben“,

kommentiert Dr. Mazurkiewicz und fügt hinzu:

„Die Lektüre der vorläufigen Ergebnisse zur national-ethnischen Differenzierung hinterlässt vorerst mehr Fragen als Antworten, weshalb die Daten auf Gemeindeebene wahrscheinlich mehr Aufschluss geben werden, denn dann werden wir in der Lage sein, Trends bei der Veränderung der Größe nationaler und ethnischer Minderheiten zu erkennen. Diese Daten sollen allerdings erst im Herbst dieses Jahres bekanntgegeben werden.“

Rudolf Urban

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