Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Minderheit ist Herzenssache

Mit Oskar Zgonina aus Tarnowitz, dem Chef der hiesigen Deutschen Minderheit, sprach Manuela Leibig.

 

Oskar wurde von seinem Großvater zur Familienforschung inspiriert.
Foto: Manuela Leibig

Oskar, wie ist deine Familie mit der Deutschen Minderheit verbunden?
Meine Familie lebt schon seit immer in Oberschlesien und diese Werte wie Heimat oder Traditionen wurden immer bei uns zu Hause gepflegt. Meine Großeltern und meine Mutter waren Mitglieder des DFKs, also diese deutsche Identität wurde bei uns zu Hause schon immer betont.

 

Du interessierst Dich für deine Wurzeln. Wie ist es dazu gekommen und wer hat dich dazu inspiriert?
Ich habe mich schon immer gefragt, woher ich komme, woher ich stamme, wo sind meine Wurzeln, wer bin ich eigentlich? Schlesier, Pole, Deutscher? Deswegen habe ich angefangen, Familienforschung zu betreiben. Eigentlich hat mich Opa dazu inspiriert. Wir haben mit den Großeltern viel darüber gesprochen, sie haben mir diese Erzählungen, die Geschichte unserer Familie erzählt. Als Kind konnte ich das wahrscheinlich nicht verstehen: Ich bin in Polen geboren, bin in die polnische Schule gegangen, hatte polnische Freunde, hatte Polnisch gesprochen. Aber jetzt bin ich darauf stolz.

 

Wie gehst Du vor?
Viele Dokumente gab es zu Hause. Ich habe sie studiert. Zudem habe ich an verschiedene Archive in Deutschland geschrieben, von denen ich neue Dokumente zugeschickt bekommen habe. Das war sehr interessant und hat mir auch Spaß gemacht.

 

Wie hast du Deutsch gelernt?
Zu Hause wurde eigentlich nicht deutsch gesprochen, sondern meistens schlesisch. Aber wenn die Familie aus Deutschland zu uns kam, da haben wir irgendwie miteinander kommuniziert. Ich wollte mit meinen Cousinen sprechen, deswegen musste ich Deutsch lernen, auch bei der Familienforschung – viele Dokumente waren auf Deutsch geschrieben, deswegen habe ich auch viele Begriffe gelernt.

 

Wie hast du zur Deutschen Minderheit gefunden?
2016 habe ich an dem Projekt Sommercamp in Rumänien teilgenommen, das für Jugendliche der deutschen Minderheiten aus Mittelosteuropa organisiert wurde. Erst dort habe ich den Bund der Jugend der deutschen Minderheit kennengelernt, denn vorher hatte ich keinen Kontakt zum BJDM oder zum DFK, ich kannte nur, was meine Familie erzählt hat.

 

Was hat dich denn so angesprochen, dass du beschlossen hast mitzumachen?
Ich habe damals in Rumänien viele junge Menschen gesehen, die ähnlich denken wie ich, und die auch mit der deutschen Minderheit verbunden sind. Das hat mich angesprochen, ich habe gesehen, dass wir alle etwas gemeinsam haben, und das ist die deutsche Minderheit.

 

Wie ging es dann weiter?
Zwei Wochen nach dem Projekt wurde ich zum Mitglied des BJDM. Zuerst in Oppeln, und dann beim BJDM Beuthen. Und dort habe ich in der Praxis gesehen, wie es funktioniert. Ich habe mich engagiert, doch ich habe auch davon geträumt, dass es in Tarnowitz eine Ortsgruppe gibt. Und im Febraur dieses Jahres ging der Wunsch in Erfüllung.

 

 

Du wurdest auch zum Vizevorsitzenden des BJDM in Polen. Wie war es für dich, damals zur Wahl vorgeschlagen zu werden?
2017 wurde ich zum Delegierten gewählt. In Oppeln habe ich bei der Delegiertenversammlung eigentlich erst 10 Minuten vor der Wahl den Vorschlag erhalten, mich zur Wahl zu stellen. Ich sagte damals, dass ich es auf keinen Fall möchte, ich bin zu jung und habe keine Erfahrungen. Die ehemaligen Vorstandsmitglieder haben mir gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen, irgendwie muss ich ja Erfahrungen sammeln, und das wäre eine gute Gelegenheit dafür. Also habe ich ja gesagt und das war eine gute Entscheidung, denn so habe ich nicht nur an den Projekten des BJDM teilgenommen, sondern sie mitorganisiert.

 

Was war denn das Ausschlaggebende, dass du entschieden hast eine BJDM-Gruppe zu gründen?
Entscheidend war die Jugendgruppenleiterschulung ELOm vom Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit. Dort habe ich Weronika Flach aus Radzionkau kennengelernt, mit der wir die Entscheidung getroffen haben, dass wir einmal auch eine Ortsgruppe in Tarnowitz gründen werden.
Wie soll der BJDM Tarnowitz, der momentan 20 Mitglieder zählt, sich gestalten?
Ich möchte, dass unsere Ortsgruppe immer offen ist, das heißt, alle Jugendlichen, die vielleicht noch nicht von ihrer Identität überzeugt sind, bei uns immer herzlich willkommen sind. Ich träume davon, dass jeder bei uns etwas für sich findet und auch uns etwas von sich geben könne.

 

Was für Projekte schweben Euch vor?
Wir möchten Skat unter die Jugend bringen, Schulungen machen, Workshops, Sprachkurse und vielleicht auch Partys. Wir haben schon beim Samstagskurs mitgeholfen und einen Deutsch-Stammtisch organisiert.

 

Du bist 20 Jahre jung und bist zum Vorsitzenden des DFK Tarnowitz gewählt worden. Warum hast du überhaupt kandidiert?
DFK in Tarnowitz steckte schon seit langer Zeit in einer Krise. Die Mitglieder haben sehr gute Ideen, aber vielleicht brauchen sie jemanden zur Unterstützung. Vor allem gibt es keinen Nachwuchs. Deswegen habe ich beschlossen, dass ich kandidieren werde. Meine Aufgabe ist es, den DFK Tarnowitz aus der Krise herauszuführen. Ich bin dankbar für das mir geschenkte Vertrauen.
In den letzten Monaten ist vieles anders geworden für Dich, Du hast jetzt die Verantwortung für den BJDM und den DFK in Tarnowitz, das ist klar. Doch was hat sich für Dich persönlich geändert?
Ich denke, ich bin jetzt mehr selbstbewusst. Ich weiß, ich bin jetzt dafür verantwortlich, was bei uns bei der Deutschen Minderheit passiert und ich muss auch daran denken, was wir in der Zukunft machen werden. Wir brauchen dringend Nachwuchs, an Ideen, was wir machen können, fehlt es gewiss nicht.

 

Kollidiert das nicht, dass du Vorsitzender sowohl im BJDM als auch im DFK Tarnowitz bist?
Ich denke, das ist von Vorteil. Alle Planungsgespräche machen wir zusammen – die BJDM Mitglieder kommen zu den Treffen des DFK, so integrieren wir uns und schmieden gemeinsame Pläne.

 

Oskar, warum machst du das? Warum engagierst du Dich für die Deutsche Minderheit?
Heimat war für mich schon immer sehr wichtig. Es ist eine Herzensangelegenheit für mich, mich für die deutsche Minderheit zu engagieren. Ich denke, dass besonders wir, die junge Generation, diese Werte wie Sprache, Tradition, Kultur pflegen müssen. Ich habe das Gefühl, dass ich so meine Wurzeln pflege, dass ich meine Identität nicht vergessen habe, deswegen ist es für mich sehr wichtig, sich für den DFK, für die deutsche Minderheit zu engagieren.

 

Du sagtest, Heimat ist für dich sehr wichtig. Was ist Heimat für dich, wie wichtig ist sie dir, und warum?
Heimat für mich heißt vor allem Schlesien und meine Stadt Tarnowitz. Aber ich denke, Heimat ist auch ein Gefühl, das sind die Menschen, das ist die Kultur, das ist die Familie, der Glaube… Heimat sind wir.

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