Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Mühlsteine und Lochgefängnisse

Noch im vergangenen Jahr war das Institut für Geografie und Raumplanung der Polnischen Akademie der Wissenschaften mit der zweiten Auflage des Projekts „millPOLstone“ zu Gast in Allenstein. Die interdisziplinäre Werkstatt zu „Mühlsteinen in Kirchen in Ermland und Masuren“ führte die Teilnehmer zur kleinsten Kirchengemeinde des Erzbistums Ermland – und in die Tiefen der Allensteiner Burg.

Vielfältige Fragen zu Mühlsteinen, die in den Tiefländern des südlichen Ostseeraums in Kirchenmauern, aber auch in die Grundmauer der Allensteiner Burg unterhalb des Turms eingemauert wurden, warfen die Referate aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Gebieten am ersten Tag der Werkstatt auf. Symbolik, Herkunft, Material, aber auch der Erhalt der Mühlsteine als kulturelles Erbe wurden beleuchtet.

Unterwegs zu hohen Kirchen…

Es war nur eine Auswahl der interessantesten Orte, die auf einer Exkursion am zweiten Tag der Werkstatt besichtigt werden konnten. Unter anderem ging es dabei in die kleinste und älteste Gemeinde im Erzbistum Ermland, nämlich zur Kirche St. Martin in Elditten (św. Marcina w Ełdytach), in deren Mauern Mühlsteine zu finden sind. Bei manchen Gebäuden auf dem Ausflug wurden sie waagrecht, bei anderen senkrecht eingemauert; manchmal waren es nur Bruchstücke, aber immer waren sie bereits sehr abgenutzt oder zerbrochen.

Rafał Bętkowski (links) und Jacek Strużyński am Mühlstein
Foto: Uwe Hahnkamp

„Die Bedeutung der Steine zeigt sich darin, dass sie trotz ihrer Schwere transportiert und genutzt wurden. Ein Mühlstein war aber auch so wertvoll, dass er nur für eine Mauer eingesetzt wurde, wenn er völlig unbrauchbar zum Mahlen geworden war“, erklärte Dr. Dariusz Brykała, der Organisator der Veranstaltung, den Zustand der Steine. Das gilt auch für den Mühlstein in der Grundmauer der Allensteiner Burg, der deutlich fühlbare Abnutzungsspuren aus der Zeit aufweist, bevor er ganz zerbrach. Wobei laut dem Architekten und Kenner der Allensteiner Burg, Jacek Strużyński, die Frage noch offen ist, ob es nur Reste eines Steins sind, der halbiert wurde, oder doch zwei verschiedene Steine.

…und in ein Lochgefängnis

Um das Objekt an Ort und Stelle zu besichtigen, stiegen die Teilnehmer der Werkstatt in kleinen Gruppen in die Tiefen des Lochgefängnisses, das nur über einen separaten Eingang vom Hof der Burg zu erreichen und für „normale“ Besucher nicht zugänglich ist. Dieser Raum ist, wie auch andere Spuren zeigen, einer der ältesten der gesamten Allensteiner Burg. Laut Jacek Strużyński sei der Mühlstein damals direkt eingemauert worden – oberhalb des eigentlichen Lochs. Das bedeute aber, so die Folgerung von Rafał Bętkowski vom Museum der Moderne in Allenstein, dass der Bau der Burg nicht von Null begann, sondern es einen Vorgängerbau, vielleicht eine Holz-Erd-Festung, gegeben hat. „Und es muss schon eine Mühle an der Alle existiert haben“, ergänzte Bętkowski. „Das kann eine Wehrmühle gewesen sein, aber auf jeden Fall taucht sie in der Lokationsurkunde auf.“

Noch guter Dinge vor dem Gang ins Lochgefängnis: Die Teilnehmer der Werkstatt mit einer Baba Pruska
Foto: Uwe Hahnkamp

In einer anderen Frage zum Mühlstein erlebten die Teilnehmer der Werkstatt jedoch eine Enttäuschung. Aufgrund seiner dunklen Farbe stand zur Debatte, der Stein könnte vulkanisch und von weit her, nämlich aus Andernach am Rhein, in die Region transportiert worden sein. „Der Stein ist nur wegen der Patina der Jahrhunderte so dunkel. Es handelt sich dabei um einen grobkristallinen Granit finnischen Ursprungs, der hier als Findling typisch auftritt“, lautete das Urteil des Geologen Dr. Piotr Czubla von der Universität Łódź, der damit dieser lebhaften und interessanten Geschichte den Wind aus den Segeln nahm.

Uwe Hahnkamp

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