Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Nie genug Bücher über Masuren

Mit dem evangelisch-augsburgischen Bischof im Ruhestand, Rudolf Bażanowski, sprach der masurische Sozialaktivist Dr. Alfred Czesla über frühere Kirchen und Pfarrgemeinden im Gebiet der heutigen Diözese Masuren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche sowie über ihre Vergangenheit und Gegenwart.

 

 

 

Herr Bischof, in den letzten Jahren erscheinen immer mehr Publikationen und Artikel über den masurischen Protestantismus. Auch Sie selbst haben mehrere Publikationen verfasst, die nun in einem umfangreichen zweibändigen Buch ihren krönenden Abschluss gefunden haben. Woher kam dieses Interesse? Womit ist es zu erklären?
Als ich 1977 als junger Geistlicher in die Diözese Masuren kam, kannte ich die Geschichte dieses Landes nicht allzu gut. Als evangelischen Geistlichen interessierte mich vor allem die Geschichte der Kirchen, denn in ihnen spiegeln sich auch die Schicksale der mit ihnen verbundenen Menschen wider. Die Informationen waren oft verstreut und mitunter schwer zu finden, zumal für mich als jemanden, der sich nicht wissenschaftlich mit der Geschichte befasst. Ich beschloss dennoch, sie zusammenzutragen, nicht so sehr um die eigene Neugier zu befriedigen, sondern vielmehr, um durch ihre Veröffentlichung die komplizierten Schicksalswege der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in der Diözese Masuren in der zweiten Hälfte des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts bis ins Jahr 2017 interessierten Personen näherzubringen. Und es sind meines Wissens nicht wenige.

 

Im Jahr 1525 setzte eine religiöse Erneuerung im Königlichen Preußen ein. Wie verlief die Reformation in Masuren?
Der Prozess konzentrierte sich vor allem auf eine Erneuerung des geistigen Lebens, auf die Umsetzung der Lehre des Evangeliums im Alltag. Er war nicht mit Kirchenübernahmen verbunden. Die Sakralbauten standen weiterhin denselben Gläubigen und oft mit denselben Geistlichen zur Verfügung. Sie wechselten lediglich von päpstlicher Jurisdiktion unter das Recht des Fürstentums Preußen. Missbräuchlich ist die Interpretation, dass die Evangelischen im 16. Jahrhundert den Katholiken deren Kirchen weggenommen hätten. Es gab nach wie vor die Bistümer Pomesanien und Samland mit den Bischöfen, die sich für die Reformation ausgesprochen hatten. Die Kirchen und Pfarrgemeinden in den damaligen historischen Landschaften (die heute die Woiwodschaft Ermland-Masuren bilden) Natangen (poln. Natangia) und Bartenland (poln. Barcja), die zuvor zur Diözese Masuren gehört hatten, wurden nunmehr in das Bistum Samland eingegliedert. Und die Kirchen und Pfarrgemeinden innerhalb des Ermlandes (Dominium des Bischofs von Ermland und ermländischer Kanoniker) blieben katholisch.

 

1751 wurden die Kirchenstrukturen in Ostpreußen organisatorisch vereinheitlicht. Worin bestand diese Unifizierung?
Nach dem Tod des evangelischen Bischofs Johann Wigand wurde die Diözesenverwaltung durch die von Fürst Georg Friedrich ins Leben gerufenen Konsistorien Samland in Königsberg (poln. Królewiec) und Pomesanien in Saalfeld (poln. Zalewo) übernommen. Im Jahr 1751 wurden dann sämtliche Pfarrgemeinden in Ostpreußen dem einen Konsistorium mit Sitz in Königsberg unterstellt. Nicht ohne Bedeutung für das liturgische Leben war die von König Friedrich Wilhelm III. im Jahr 1817 eingeführte lutherisch-reformierte Kirchenunion. 1916 gab es in Ostpreußen 41 Diözesen der Evangelisch-Unierten Kirche, die von Superintendenten geleitet wurden. Territorial waren diese Diözesen mit kleinen Ausnahmen mit den jeweiligen Landkreisen identisch. In den Landkreisen Mohrungen (poln. Morąg), Osterode (poln. Ostróda) und Ortelsburg (poln. Szczytno) gab es je zwei Superintendenturen. Die evangelischen Diözesen im Ermland umfassten je zwei Landkreise: die Diözese Braunsberg die Landkreise Braunsberg (poln. Braniewo) und Heilsberg (poln. Lidzbark Warmiński) und die Diözese Allenstein die Landkreise Allenstein (poln. Olsztyn) und Rößel (poln. Reszel).

 

Bis 1945 waren in Ostpreußen (und in dessen südlichem, an Polen angeschlossenen Teil) Evangelische vorherrschend. Wie entwickelte sich ihre Situation nach dem Zweiten Weltkrieg?
Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich 285 Pfarrgemeinden der ehemaligen Unierten Kirche Ostpreußens innerhalb der Grenzen Polens wieder. Anfänglich wurden die Evangelischen, die den Kriegsbrand überlebt hatten, und diejenigen, die hierher zugezogen waren, von einer Handvoll (im Dezember 1945 nur vier) polnischer evangelischer Priester betreut. Im Juni 1946 wurde die Diözese Masuren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche als Rechtsnachfolgerin der vor dem Krieg existierenden Evangelisch-Unierten Kirche eingerichtet. Die Evangelisch-Augsburgische Kirche war damals seelsorgerisch und auch administrativ nur in geringem Maße den hier vorhandenen Bedürfnissen gewachsen, denn es gab nicht genug evangelische Priester (viele waren während des Krieges ums Leben gekommen). Den Masuren fehlte daher an sehr vielen Orten jahrelang eine zufriedenstellende seelsorgerische Betreuung. 1950 lebten in der Diözese Masuren ca. 100.000 Masuren evangelischen Bekenntnisses. Aus dem Bezirk Masuren (später Woiwodschaft Allenstein) wurden sukzessiv Deutsche ausgesiedelt und es ließ sich hier nun eine vorwiegend katholische Bevölkerung aus dem nahegelegenen Kurpien oder Masowien nieder. Es gab auch Menschen aus den ehemals polnischen Ostgebieten um Vilnius sowie Umsiedler aus der Ukraine. Die neuen Bewohner waren den Evangelischen gegenüber nicht immer positiv eingestellt, ja, es gab sogar oft Anfeindungen. Und so suchten evangelische Masuren, von ihrer Kirche geistlich nur unzureichend versorgt und sowohl von der zugezogenen Bevölkerung, als auch den lokalen Behörden, nur ungern gesehen, nun zunehmend nach einer neuen Heimat außerhalb Polens. Zudem wurden viele Masurinnen und Masuren vor allem durch konfessionelle Mischehen von der römisch-katholischen Kirche aufgenommen. Auch andere religiöse Denominationen waren dem Proselytismus dieser gegenüber nicht abhold. Heute sind in der Diözese Masuren von der damaligen, fast 100.000 Gläubige zählenden, evangelischen Gemeinschaft etwa 5.000 Gläubige in 15 Pfarrgemeinden mit 29 Filialen geblieben. Zurzeit leisten in dieser Diözese der Evangelisch-Augsburgischen Kirche 17 Geistliche ihren seelsorgerischen Dienst.
Die Geschichte der Masuren und ihrer evangelischen Kirchen, mit denen sie stark verbunden waren, ist schmerzhaft und schwierig. Dennoch sind trotz dieses dramatischen Schicksals Masuren, wenn auch in kleiner Anzahl, im Ermland und in Masuren geblieben. Von dieser Präsenz zeugen die auch im diakonischen (karitativ-fürsorglichen) und kulturellen Bereich aktiven Pfarrgemeinden der Evangelisch-Augsburgischen Kirche sowie die 1999 registrierte Masurische Evangelische Gesellschaft.

 

Herr Bischof, Sie haben mehr als vierzig Jahre lang Ihren Dienst in Masuren geleistet und haben eine enorme Erfahrung als Seelsorger. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation der Evangelischen? Wie sehen Sie ihre Zukunft?
Die Zukunft der Evangelisch-Augsburgischen Kirche im Ermland und in Masuren liegt vor allem in den Händen Gottes. Unsere Aufgabe ist es, treu am Evangelium Jesu Christi festzuhalten und das göttliche Gebot der Liebe und Wertschätzung gegenüber jedem Menschen und der gesamten Schöpfung in unserem Alltag umzusetzen. Auch unsere Geschichte und Tradition dürfen wir nicht vergessen. Die von der Masurischen Evangelischen Gesellschaft herausgegebene zweibändige Publikation „Kościoły i parafie Diecezji Mazurskiej. Przeszłość i teraźniejszość” (dt. „Kirchen und Pfarrgemeinden der Diözese Masuren. Vergangenheit und Gegenwart“) hat zum Zweck, die Geschichte von mehr als 300 evangelischen Sakralbauten und der sich dort versammelnden Gemeinschaften übersichtsartig in Erinnerung zu bringen und zu verewigen.

 

 

Bischof Rudolf Bażanowski

Rudolf Bażanowski: Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche im Ruhestand.

 

Geboren wurde er am 6. Februar 1953 in Kitschitz b. Skotschau.

 

1978 absolvierte er ein Theologiestudium an der Christlichen Theologischen Hochschule Warschau.

 

Von 1978 bis 1997 Seelsorger der Pfarrgemeinde Rastenburg, von 1997 bis 2018 Seelsorger der Pfarrgemeinde Allenstein.

 

Von 1991 bis 2018 Oberhaupt der Diözese Masuren.

 

Verfasser des Buches Kościoły i parafie Diecezji Mazurskiej. Przeszłość i teraźniejszość (Kirchen und Pfarrgemeinden der Diözese Masuren. Vergangenheit und Gegenwart). MTE, Allenstein 2019.

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