Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Sei wie Sokrates und setz Deine Gefühle in Bewegung

Lernen beginnt mit dem Umherwandern, dem Aufbrechen zu einer Reise, dem Folgen der Stimme des Herzens und des Verstandes. Sokrates wusste, dass man Emotionen aktivieren muss, um den Wunsch nach Bildung zu wecken. Bildung kann keine einfache Vermittlung von Informationen, von trockenen Fakten sein, denn so bleibt sie nicht im Gedächtnis. Genauso gehen die Macher des „Museum online“ des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit an die Bildung heran.

Die Pädagoginnen und Pädagogen dieses HDPZ-Projekts wollen die Inhalte und Bilder in den Workshops zu einer unbestreitbar interessanten Erfahrung machen – sie wollen junge Menschen ansprechen, sie aufrütteln und Emotionen und Kreativität in den Unterricht einfließen lassen, indem sie auch die Vorteile des Internets nutzen. Die Pädagogen beziehen die Inhalte und Inspirationen für ihre Unterrichtspläne aus digitalisierten Ausstellungen über die weit verbreitete Identität der Grenzlandbewohner. Bislang können drei Ausstellungen online besucht werden: „Großvater aus der Wehrmacht” von Magdalena Lapshin, Dr. Marcin Jarząbek und Karolina Żłobecka, „Grenzgänger. Erzählte Zeiten, Menschen, Orte”, vorbereitet von Dawid Smolorz und die jüngste Exposition, die der Genealogie gewidmet ist „Auf der Suche nach den Großeltern…“, kuratiert von Marta Maćkowiak. Der gesamte Inhalt ist auf Polnisch und Deutsch verfügbar.

Janusz Maćkowiak und Ruta Mandelbaum, Großeltern von Marta Maćkowiak. Quelle: Museum online – Ausstellung „Auf der Suche nach den Großeltern…”.

Etwas für Jugendliche
„Die lokale Gemeinschaft und die jungen Menschen stehen in diesem Jahr im Mittelpunkt unserer Aktivitäten, und ihnen widmen wir die zweisprachigen Unterrichtsmaterialien auf der Website des Museums. Ich möchte auch daran erinnern, dass 2022 das von der Europäischen Kommission ausgerufene Jahr der Jugend ist”, erklärt Irena Machura, stellvertretende Geschäftsführerin des HDPZ.
Die Bedeutung des Internets als Bildungsmedium ist den Menschen nicht erst in Zeiten der Pandemie bewusst geworden. Tatsache ist, dass die Hemmschwelle, ein Museum zu besuchen, recht hoch sein kann, insbesondere für junge Menschen. Die Website www.muzeum.haus.pl dagegen ist nur einen Klick entfernt und bietet eine gute Möglichkeit, direkt auf Archivfotos und Dokumente zuzugreifen.
„Besonders bewegt haben uns die Aussagen von Zeitzeugen – schließlich gibt es nichts Authentischeres als einen lebendigen Bericht. Deshalb ist das Online-Museum ideal geeignet, um Geschichte lebendig zu machen und sie jungen Menschen näher zu bringen”, meint Jörg Vollbrecht, Deutschlehrer, der die kulturellen und sprachlichen Kompetenzen junger Menschen in den Woiwodschaften Niederschlesien und Oppeln stärkt. „Uns gefällt auch der regionale Bezug: Die Menschen kommen von hier – das ist beeindruckend und macht die (regionale) Geschichte greifbar“, ergänzt Daniela Ploch, Deutschlehrerin am 2. Lyzeum in Oppeln. Ein solch regionaler Bezugspunkt ist die deutsche Minderheit in den Woiwodschaften Oppeln und Schlesien, wo sie seit vielen Generationen lebt und die Entwicklung und den Wandel in der Region nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich und gesellschaftlich maßgeblich mitbestimmt.

Koschwitz (D), deutsches Zollhaus. Auf dem Schlagbaum sitzen und davor stehen Kinder aus dem deutschen Teil der Ortschaft. Quelle: Museum online – Ausstellung „Grenzgänger. Erzählte Zeiten, Menschen, Orte”.

Wozu Bildung in einem Online-Museum?
Der Internationale Museumsrat, der 1946 mit Unterstützung der UNESCO gegründet wurde, um die Interessen der Museen zu vertreten, hat auf seiner Tagung in Prag im August dieses Jahres eine neue Definition von Museen als gemeinnützigen Einrichtungen im Dienste der Gesellschaft geprägt. Museen erforschen, sammeln, bewahren, interpretieren und stellen materielles und immaterielles Erbe aus. Sie sind für die Öffentlichkeit zugänglich, integrativ und unterstützen Vielfalt und Nachhaltigkeit. Museen sollen in erster Linie unter Beteiligung der Öffentlichkeit arbeiten und kommunizieren. Sie konzentrieren sich auf den Ort – auch bei virtuellen Museen, die immer wichtiger werden. „Das ist eine sehr weit gefasste Definition, und der Teufel steckt im Detail”, sagt Katarzyna Opielka, Koordinatorin des Online-Museums. „Im Online-Museum konzentrieren wir uns auf die Bildung, und zwar auf eine interdisziplinäre, ansprechende und experimentelle Art und Weise. Das grundlegende Ziel einer solchen Bildung durch die Entdeckung von Sammlungen und entwickelten didaktischen Materialien ist, die Unterschiedlichkeiten der anderen kennen und verstehen zu lernen, eine andere Perspektive wahrzunehmen und lokale Gemeinschaften miteinander zu verbinden. Wir befassen uns mit nationalen, ethnischen und religiösen Minderheiten, auch mit denen von heute. Wir suchen nach gemeinsamen kulturellen Wurzeln und verwurzeln uns immer stärker und bewusster in der Region, aus der wir kommen und in der wir leben. In diesem besonderen sozialen Archiv verfolgen wir die Spuren unserer Vorfahren”, fügt Opielka hinzu.

Musikkapelle der Soldaten, organisiert von Alojzy Stolorz (zweiter von links), 1942, Frankreich Quelle: Museum online – Ausstellung „Großvater aus der Wehrmacht. Erfahrungen, im Gedächtnis festgeschrieben“.

Das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit hat die Grenzgebiete und ihre Gemeinschaften einfach unter die Lupe genommen. Es löst sich bewusst von den Zentren und begibt sich in die Zwischenräume – teils geheimnisvoll, weil unentdeckt und unverständlich, aber faszinierend und verbindend zwischen verschiedenen Generationen, Kulturen und gesellschaftlichen Phänomenen. Nach Ansicht der Organisatoren des Online-Museums kann die Entdeckung des kulturellen Erbes von Minderheiten ein faszinierendes Abenteuer für ein ganzes Leben sein – unabhängig von Herkunft, Kultur, Religion und Sprache.

DWPN/ru

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