Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Viele offene Fragen

In den letzten Wochen ist das Thema der deutschen Renten für ehemalige Soldaten, die während des Zweiten Weltkriegs in verschiedenen deutschen Formationen, darunter der Waffen-SS, gekämpft haben, wieder deutlich zur Sprache gekommen. Grund dafür war eine Entschließung des belgischen Parlaments, in der Deutschland aufgefordert wurde, die Zahlung solcher Renten an belgische Bürger einzustellen und eine historische Kommission zu schaffen, die sich mit dem Thema des Dienstes solcher Belgier in deutschen Einheiten befassen sollte.

 

 

Soldaten in der Nähe von Neisse
Foto: worldwarphotos.info

 

 

 

Die Frage der Rente gilt auch für polnische Bürger, die während des Zweiten Weltkriegs in verschiedenen deutschen Einheiten gedient haben. In den letzten Jahren wurde viel über den Dienst in der Wehrmacht geschrieben und Schätzungen zeigen eine große Diskrepanz, von 250.000 bis 500.000 Menschen. Das Schicksal der polnischen Staatsbürger, die in Einheiten der Waffen SS (SS-Verfügungstruppe, SS-Totenkopfverbände, SS-Polizei-Divisionen zusammen mit Ersatzeinheiten) dienten, ist dabei am wenigsten bekannt.

 

Nach der Aufstellung der SS-Einheiten vom 1. Mai 1940 waren 15.331 polnische Staatsbürger aus den dem Reich einverleibten Gebieten oder des Generalgouvernements in ihren Reihen vertreten. Die Aufteilung nach Regionen stellt sich wie folgt dar: aus Oberschlesien – 2803 Personen, aus dem Warthegau – 10.809 Personen, aus dem Generalgouvernement – 1123 Personen, aus Danzig – 237 und aus Wolhynien – 359 Personen. Listen für spätere Jahre sind nicht bekannt. Erwähnenswert ist, dass die Mehrheit dieser Menschen in der SS-Verfügungstruppe (der Vorgängerin der Waffen-SS) und der SS-Polizei-Division tätig war.

 

 

Nachkriegszeit

Es wird geschätzt, dass nach 1945 etwa 100.000 behinderte Soldaten der ehemaligen Wehrmacht oder Familien der verstorbenen Soldaten dieser Formation in den Nord- und Westgebieten Polens lebten. Die Versorgung dieser Personengruppen war kein neues Thema, und der polnische Staat war bereits nach dem Ersten Weltkrieg mit einem ähnlichen Problem konfrontiert gewesen.

Die Frage der Rente für Behinderte der ehemaligen Wehrmacht und ihre Familienangehörigen wurde durch das Dekret vom 25. Oktober 1948 geregelt. Diese Personen mussten mehrere Bedingungen erfüllen, darunter das Vorweisen einer Bescheinigung nach dem Gesetz vom 6. Mai 1945 über den „Ausschluss feindlicher Elemente aus der polnischen Gesellschaft”, ein rechtskräftiges Gerichtsurteil über eine vollumfängliche Rehabilitation, eine Erklärung, dass es nicht notwendig sei, wegen während des Krieges begangener Handlungen strafrechtlich verfolgt zu werden, die Bestätigung des Wohnsitzes in den Nord- und Westgebieten Polens sowie die Anerkennung der polnischen Staatsbürgerschaft.
Die Gewährung von Invalidenrenten in Deutschland wurde durch das „Kriegsopfervorsorgegesetz” vom 20. Dezember 1950 geregelt. Die Bedingung für die Unterstützung war dabei nicht, wie heute in den Medien manchmal fälschlicherweise berichtet wird, die deutsche Staatsbürgerschaft, die auf der Grundlage der einschlägigen Erlasse von Hitlers erworben wurde. Es geht also nicht um Renten, sondern um Entschädigungen für kriegsbedingte Gesundheitsschäden (mindestens 25% der Invalidität). Im Gegensatz zu den Ansprüchen von Opfern des Dritten Reiches, bei denen Deutschland die diplomatische Klausel anwandte (Ansprüche stehen nur Personen in Ländern zur Verfügung, mit denen Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält), sah das „Kriegsopfervorsorgegesetz” mit Zustimmung des Bundesarbeitsministers die Zahlung von Ersatzleistungen auch für in Polen wohnhafte polnische Bürger vor, also Behinderte der Wehrmacht und die Familien der verstorbenen Soldaten der Wehrmacht.

 

Vereinbarung in der 60er-Jahren

Ende der 1950er-Jahre zahlten die westdeutschen Ämter solche Leistungen, ohne die Position des polnischen Staates zu berücksichtigen. Das Problem der Zahlungen und ihres Umfangs ist noch sehr wenig bekannt. Bei solchen Maßnahmen mussten die Begünstigten die Realität des kommunistischen Staates mit Straf- und Devisenvorwürfen berücksichtigen. Deswegen wurde beschlossen, dieses Problem erst nach mehreren Jahren zu lösen. Am 20. Juli 1967 wurde eine Vereinbarung „über den Transfer von Leistungen an Behinderte – Mitglieder der ehemaligen Wehrmacht und ihre Familien und gleichgestellte Personen” unterzeichnet. Parteien waren die Sozialversicherungsanstalt (Zakład Ubezpieczeń Społecznych – ZUS ) und die Westdeutschen Sozialämter (aus Münster, Gelsenkirchen, Hamburg und Ravensburg). Nach der Vereinbarung sollte das Geld vom Amt für Ausländische Renten der Sozialversicherungsanstalt (ZUS) nach der Umwandlung in polnische Zloty gezahlt werden. Dies war natürlich von Vorteil für den polnischen Haushalt.

Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses umfasste die Vereinbarung etwa 65-Tausend Personen. In den folgenden Jahrzehnten ist die Zahl der Rentenempfänger aufgrund der Todesfälle stetig zurückgegangen. Im Jahr 1980 waren es nur noch 49.000 Personen, im Jahr 2010 – 6.373 Menschen und 2019 – 573 Personen.

 

Offene Fragen
Die Kontroverse in Belgien ist also kein Einzelfall. Solche Kontroversen gab es in allen europäischen Ländern. Sie können überall dort auftreten, wo Bürger oder Einwohner während des Zweiten Weltkriegs in deutschen Einheiten gedient haben. So auch in Polen. Im Wissen darüber gibt es noch Lücken. Neben den bereits erwähnten Problemen der Anzahl und Art des Militärdienstes im Dritten Reich, die es in Zukunft zu berücksichtigen gilt, können einige Fragen gestellt werden:
Wann und wie wurden die Betroffenen über die Möglichkeit informiert, Dienstleistungen außerhalb Deutschlands zu erhalten? Was war die Praxis der Zahlungen?
Gab es in Polen strafrechtliche Sanktionen für vor 1967 aus Deutschland bezogenes Geld?
Wie haben sich die westdeutschen Büros verhalten?
Wurden Kriegsverbrecher von Anfang an ausgeschlossen?
Wie wurde dieses Problem verifiziert?

 

 

Krzysztof Ruchniewicz
Direktor des Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien der Universität Breslau

Box: Können Sie Prof. Ruchniewicz bei seiner Forschung über die Renten mit Aussagen und/oder Dokumenten helfen? Melden Sie sich bei uns unter der Tel. 77454 65 56 oder per E-Mail: r.urban@wochenblatt.pl

Foto: Soldaten in der Nähe von Neisse Foto: worldwarphotos.info

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