Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Von vergrabenen Träumen und vererbten Hoffnungen (+Video)

Julia Chrobok ist eines der größten, künstlerischen Nachwuchstalente der Deutschen Minderheit. Vor Kurzem gewann sie den Superstar-Wettbewerb der Oppelner SKGD. Viele kennen sie von ihren zahlreichen Auftritten bei Veranstaltungen der Deutschen Minderheit. Nicht wenige rührt die samtene Stimme der jungen Chrobok zu Tränen. Ein Portrait.

 

 

Julia Chrobok ist 19 Jahre alt. Sie studiert Englisch und Marketing an der Oppelner Uni und wohnt bei ihren Eltern in Krappitz. Sie hat eine größere Schwester, die mit ihrer Familie in der zweiten Etage des Hauses wohnt. Ihre Mutter hat lange in einer Musikschule gearbeitet, in der Verwaltung. Ihr Vater arbeitet vor seiner Pensionierung als Schlosser. Jetzt kümmert er sich leidenschaftlich um die Tiere, die die Chroboks in ihrem Garten halten. Vor allem um die vielen Kaninchen und Enten.

Wer zu Gast ist bei den Chroboks, der wird herzlich empfangen und aufwändig bekocht. Nach dem Essen gibt es Kaffee und Kuchen, der dann in der guten Stube serviert wird. Im Hintergrund tickt beruhigend eine Kuckucksuhr. Es ist – gemütlich im Hause Chrobok. Und eigentlich ziemlich normal. Viele leben so wie die Chroboks.
Normal ist wahrscheinlich auch, dass auf dem Dachboden der Chroboks eine alte Gitarre liegt, die seit Jahren dort verstaubt. Sie wurde mal von Julias Mutter, Brygida Chrobok, angeschafft, um Gitarre spielen zu lernen. Aber irgendwann, als das Leben passierte, wie John Lennon so schön sagt, wurde sie auf dem Dachboden vergessen.

 

Standbild aus dem Musikvideo “Ich will dich vermissen” von Julia Chrobok

 

Unverschämtes Talent

Gleichzeitig ist vor einem Monat ein Musikvideo von der jungen Julia Chrobok erschienen. Es ist ein Cover des Liedes „Ich will dich vermissen“ von Namika. Und dieses Cover ist, man kann es nicht anders sagen – besser als das Original. Julia Chroboks Stimme ist verletzlich, samten, voll von Seele. Ihre Stimme ist durchdrungen von einer selbstbewussten künstlerischen Reife, die wahrlich untypisch ist für eine 19-Jährige.
Das sah die Jury vom „Superstar“- Liederwettbewerb der Oppelner SKGD wohl ähnlich und verlieh ihr prompt den ersten Preis. Es drängt sich also eine Frage auf: Wieso kann die das? Und woher hat die das?

 

 

Der Traum vom Opernhaus

Zurück ins Wohnzimmer der Chroboks. Im Hintergrund tickt beruhigend die Schwarzwälder Kuckucksuhr. Im Gespräch bei Kaffee und Kuchen erzählt Brygida Chrobok, die Mutter von Julia, dass sie selbst einmal einen großen Künstlertraum hatte: Sie wollte Opernsängerin werden. Da war sie ungefähr so alt wie Julia heute. Aber, so sagt sie, es war eine andere Zeit, sie lebte im Dorf, ihre Eltern waren der praktischen Welt eher verpflichtet als der hohen Kunst – und so wurde aus dem beruflichen Traum eben ein ganz normaler Job in einer Musikschule, wo sich Julias Mutter bis vor Kurzem um die bürokratischen Angelegenheiten kümmerte. Das Leben passierte halt. Und der Job in der Musikschule hatte immerhin den Vorteil, so Brygida Chrobok, dass sie weiterhin zumindest umgeben war von Musik. Allerdings musste ihre größte Leidenschaft, das Singen, immer mehr in den Hintergrund rücken. Mit anderen Worten: Die Gitarre landete irgendwann halt auf dem Dachboden. Gleichzeitig wurde das Singen für die kleine Chrobok, Julia Chrobok, zur selben Zeit, immer mehr zum Nabel der Welt.

 

 

Träume der Eltern

Der große Psychologe Carl Gustav Jung, der auch heute noch als brillanter Menschenversteher gilt, schreibt in einem seiner Bücher: „Nichts prägt die Seele eines Kindes mehr als das ungelebte Leben der Eltern.“
Mit anderen Worten: Träume werden vererbt. Sie sterben nicht. Sie gehen nur eine Generation weiter.
Und so erzählt Julia Chrobok im Gespräch dann auch, dass sie schon mit 7 oder 8 Jahren angefangen hat, eigene Lieder zu schreiben. Eigene Texte, eigene Melodien. Und sie holt ein Liederbuch aus ihrem Zimmer, das voll ist mit eigenen Songs und musikalischen Ideen. Und sie spielt Lieder auf ihrem Computer vor, die könnten genauso im Radio laufen. Und niemand würde merken, dass die Lieder aus der Feder einer 19-Jährigen aus Krappitz stammen.

 

 

Talent und harte Arbeit

Kontra K ist derzeit einer der erfolgreichsten Rapper in Deutschland. In dem Song „Erfolg ist kein Glück“, der über 50 Millionen Mal auf Youtube geklickt wurde, singt er: „Erfolg ist kein Glück, sondern nur das Ergebnis von Blut, Schweiß und Tränen.“
Am Ende sagen alle erfolgreichen Künstler so etwas in dieser Richtung. Theodor Fontane sagt es so: „Die Talente sind oft gar nicht so ungleich, im Fleiß und im Charakter liegen die Unterschiede.“ Und Vishy Anand, lange Zeit der beste Schachspieler der Welt, sagt es so: „So wie ich es sehe, gleicht Talent … einer Pflanze. Wird es mit harter Arbeit gewässert, dann wächst es, treibt Zweige und blüht. Doch ohne Nahrung geht die Pflanze einfach ein. Mit harter Arbeit gewinnt Talent an Tiefe und Umfang und enthüllt vorher unentdeckte Fähigkeiten.“

 

Video mit Julia Chrobok: KLICK 

 

Der Glaube an sich selbst

Und noch etwas gehört, neben dem Talent, von dem Julia Chrobok hat für zwei, ebenso dazu: Der unbedingte Glaube an sich selbst und seine Fähigkeiten. Johann Wolfgang Goethe, der Große unter den Großen, formuliert es so: „Große Talente sind selten. Und selten ist es, dass sie sich erkennen.“
Die Musiklehrerin von Julia Chrobok, Żaneta Plotnik, zumindest bescheinigt der jungen Sängerin diesen unbedingt notwendigen Willen zur Arbeit. Auf die Frage, ob sie denn von sich und ihrer Kunst überzeugt sei, antwortet Julia: „Manchmal schon.“.

 

 

Die Gitarre vom Dachboden

Neben dem Willen zu harter Arbeit versucht Julia immer, dazu zu lernen. Klavier und Saxophon spielt sie schon. Ihre eigene Stimme schult sie jede Woche mit ihrer Lehrerin.
Vor Kurzem hat Julia auch noch die verstaubte Gitarre vom Dachboden geholt. Die verstaubte Gitarre, die sich ihre Mutter vor 20 Jahren zugelegt hatte. Das war, bevor – das Leben passierte.

 

 

Leon Schwarzenberg

 

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