Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wunder an der Alle

Es war wieder einmal Zeit für die am längsten regelmäßig wiederkehrende Veranstaltung in Heilsberg (Lidzbark Warmiński) oder gar in der ganzen Region: die Adventswerkstatt „Bethlehem der Nationen“ mit jungen Teilnehmern mit deutschen, polnischen und ukrainischen Wurzeln. Die bewährte Formel der drei Nationen hatte bei der diesjährigen 28. Ausgabe vom 9. bis 11. Dezember durch den Krieg in der Ukraine eine besondere Note. Doch auch bei einer anderen Adventsfeier der deutschen Minderheit waren ukrainische Gäste dabei.

Der dritte Advent am 11. Dezember und der erste etwas frostigere Tag in diesem Monat sah viele Gäste, überwiegend Eltern der Teilnehmer der Werkstatt, auf dem Weg zum Kulturhaus der Gemeinde Neuhof (Pilnik). Dort findet traditionell das Abschlussfest der Weihnachtswerkstatt „Bethlehem der Nationen“ statt. Die Vorbereitungen dazu gingen für die offiziell 40 jungen Teilnehmer anders als sonst im Heilsberger Hotel „Górecki“ über die Bühne. „Eigentlich waren sogar mehr Jugendliche dabei, die allerdings nur im Laufe des Tages zur Werkstatt dazustießen, darunter einige ehemalige Teilnehmer, die wiederkommen“, schmunzelt Ewa Huss-Nowosielska, die die Fäden der Veranstaltung in der Hand hielt.

Die Darstellerin der Maria und andere ukrainische Teilnehmer der Werkstatt
Foto: Uwe Hahnkamp

Viele gemeinsame Aktivitäten

Die Gruppe der jungen Menschen aus den Reihen der deutschen und ukrainischen Minderheit sowie der polnischen Mehrheit ist in diesen drei Tagen zusammengewachsen, wie der abschließende Freundschaftstanz bei der Adventsfeier beweist. Das Kennenlernen der Geschichte, das gegenseitige Erklären der Bräuche, das Training für Tanz, Theater und Gesang sowie das Basteln von Weihnachtsschmuck und Grußkarten ist intensiv. Das national ebenso gemischte Leitungsteam hat gleichfalls viel zu tun, aber die Freude des gemeinsamen Handelns und Erlebens überwiegt bei Weitem.

Deutsch-polnisch-ukrainischer Freundschaftstanz unter den Augen des Nikolaus
Foto: Uwe Hahnkamp

Doch auch auf diese unschuldige Atmosphäre der Werkstatt wirft der Krieg in der Ukraine seinen Schatten, erscheint in Liedern und Texten der Auftritte. Er beschäftigt die jungen Menschen, wie etwa die ukrainische Darstellerin der Maria, die mit ihrem Josef symbolisch durch die Auftritte führt. Faszinierend ist wie immer die Vielfalt, die bei der Abschlussfeier auf der Bühne erscheint: eine sogenannte Jutrznia (so heißt ein traditionelles Krippenspiel auf Altpolnisch), ein Kerzentanz der Tanzgruppe „Saga“ aus Bartenstein (Bartoszyce), polnische, deutsche, ukrainische Weihnachtslieder – und immer wieder singen die Gäste unter der Anleitung von Ewa Huss-Nowosielska und dem Chor „Warmia“ der gleichnamigen Gesellschaft der deutschen Minderheit in Heilsberg mit. „Gemeinsam wie eine Familie“ ist das Motto dieser lebendigen zwei Stunden.

Jutrznia – so heißt ein traditionelles Krippenspiel auf Altpolnisch
Foto: Uwe Hahnkamp

Wunder an der Alle

Dies griff auch Jan Harhaj, der Landrat des Kreises Heilsberg, am Ende bei seinem Weihnachts- und Neujahrsgruß auf und zitierte den Regisseur Kazimierz Kutz (1929–2018), der Mitglied der Minderheitenkommission des Sejm war: „Dem Wunder an der Weichsel folgt heute eines an der Alle, wo es passiert, dass sich alle Minderheiten miteinander einig werden.“

Rege dreisprachige Unterhaltung beim Adventstreffen des VdGEM
Foto: Uwe Hahnkamp

Auch an einer anderen Stelle der Alle, nämlich in Allenstein (Olsztyn) bei der Adventsfeier des Verbandes der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren (VdGEM), saßen eine Woche zuvor neben den Vorsitzenden der Vereine auch Vertreter der ukrainischen Minderheit und Gäste aus dem umkämpften Saporischschja mit am Tisch. Hier zog das Wunder sogar noch weitere Kreise, denn es waren ebenfalls Vertreter des deutschen Generalkonsulats und der deutschen Minderheit aus ganz Polen anwesend. Es sind diese scheinbar kleinen Zeichen des Gesprächs, des miteinander Gestaltens, sowohl in Heilsberg als auch in Allenstein, die die Menschen gemeinsam dem Krieg im Hintergrund ihres Alltags entgegensetzen. Und das – gerade bei den jungen Menschen, die in der Werkstatt zusammengefunden haben, ist das zu hoffen – über die Zeit des Advents hinaus.

Uwe Hahnkamp

Die Organisatoren der 28. Ausgabe der Adventswerkstatt „Bethlehem der Nationen“ danken dem polnischen Ministerium für Inneres und Verwaltung, dem Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren, dem deutschen Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie den lokalen und regionalen Sponsoren für die finanzielle Unterstützung.

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