Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Der barmherzige Bischof

Wie sichert man sich die Unsterblichkeit? Ein guter Weg ist es, ein Erbe zu hinterlassen, das über Generationen fortdauert. So zum Beispiel ein Gebäude. In dieser Materie bewähren sich entgegen dem ersten Anschein gemeinnützige Gebäude besser als etwa Schlösser. Wie die Heilanstalt in Branitz, deren Ideengeber, Gründer und teilweise auch Stifter der Priester Joseph Martin Nathan war.


Joseph Martin Nathan wurde am 11. November 1867 in Stolzmütz (Landkreis Leobschütz) als Sohne des Lehrers Josef Gregor Nathan geboren. Nachdem er 1887 am Gymnasium in Ratibor das Abitur ablegte, studierte er ein Semester Theologie in Freiburg im Breisgau. Später folgte ein Jahr Militärdienst. Danach setzte er das Theologiestudium an der Universität in Breslau fort. In Breslau erhielt er auch 1891 die Priesterweihe. Nur kurz war er dann Kaplan in Sabschütz, bis er 1892 nach Branitz versetzt wurde, wo er Vikar der Pfarrgemeinde Mariä Himmelfahrt wurde. Dr. Joanna Filipczyk schildert auf www.zapomnianiedziedzictwo.pl, wie es dazu kam, dass Nathan begonnen hat, sich für psychische Krankheiten zu interessierten: „Tief beeindruckt war der junge Priester laut Mitarbeiterberichten von einem Besuch im nahe gelegenen Michelsdorf, wo er mit einem höchstwahrscheinlich psychisch kranken Mann in Berührung kam, denn er schrie unentwegt und wurde von der eigenen Familie in Wirtschaftsräumen zusammen mit Tieren gehalten.“ Dieser Anblick soll Nathan unglaublich erschüttert haben und gab den Impuls, sich den Behinderten und Bedürftigen zu widmen.

Bischof Josef Martin Nathan
Foto: Archiv

 Jahre ständiger Entwicklung
1898 kamen die Ordensschwestern der Kongregation der Unbefleckten Jungfrau Maria nach Branitz. Nathan veranlasste den Bau eines zweistöckigen Klosters und eines daran angrenzenden Pflegeheims für Frauen, des sog. Marienstifts. Heute ist dies das Bettenhaus B. Pfarrer Nathan investierte übrigens neben Spendenmitteln auch eigenes Geld in den Bau des Kloster- und Krankenhauskomplexes. Wer eine Schenkung machte, hatte das Recht, sich lebenslang in der Einrichtung aufzuhalten. Pfarrer Nathan bemühte sich stets um die Entwicklung der Anstalt und wollte diese als Ganzes autark werden lassen. 1903 kaufte er das Rittergut Burg Branitz nebst Schloss und Vorwerk. Im Schloss fanden kranke Frauen Aufnahme, das Vorwerk und die Bauernwirtschaft sollten für die benötigten Lebensmittel sorgen. 1904 wurde ein weiteres Krankenhaus fertiggestellt, das heutige Bettenhaus A. „Am 27. Januar erlangte Nathan von Kaiser Wilhelm II. die Erlaubnis zur Behandlung von psychisch kranken Menschen. (…) Die immer größer werdende Anstalt wurde 1904 mit einer Wäscherei, einem Kesselraum und einer elektrischen Installation ausgestattet. Innerhalb des Krankenhauskomplexes kamen nun weitere Bauten hinzu: Bettenhaus D für Männer, Bettenhaus E für geistig kranke Männer, Bettenhaus F für Männer und Frauen und, mitten im Krieg, 1916, wurde eines der größten Objekte fertiggestellt: das Bettenhaus G für Kinder”, zählt Joanna Filipczyk auf. Zeitweise wurden in der Heilanstalt 2000 Patienten versorgt.


An den Begründer der Heilanstalten erinnert heute in Branitz eine Gedenktafel.
Foto: Mos810/Wikimedia Commons

Weitere Pläne standen fest
1902 war das Haus für Geisteskranke fertiggestellt worden. Doch Joseph Martin Nathan ruhte sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern begann gleich mit dem Ausbau. Auf dem zehn Hektar großen Gelände wurden außerdem eine Zentralküche, ein Handwerkerhof mit Werkstätten, eine Dampfwäscherei, eine Bäckerei, eine Mühle, eine Fleischerei und eine Gärtnerei errichtet. Für die Ärzte der Pflegeanstalt ließ Nathan Wohnungen bauen. Wären die Nationalsozialisten nicht an die Macht gekommen, hätte er wohl noch das Forschungsinstitut für Gehirn- und Nervenkrankheiten gebaut. Die Pläne waren schon fertig.

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1916 kaufte Pfr. Nathan das unweit von Branitz gelegene Gut Krug (Dzbańce) hinzu, das nunmehr landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern sollte, und auf dem Krankenhausgelände entstand eine moderne Mühle. 1928 wurden das Bettenhaus K für psychisch kranke Frauen und danach ein weiteres Gebäude für Patienten in Krug errichtet. Zwischendurch baute man Pferde- und Viehställe sowie einen Schlachthof. Es gab Schlosser-, Schuhmacher- und Schmiedewerkstätten. Neben seinen seelsorgerischen und caritativen Aufgaben war Joseph Martin Nathan von 1913 bis 1918 Abgeordneter des Reichstags für den Wahlkreis Leobschütz.
Der Branitzer Komplex wurde als Nathan-Anstalt oder „ein Städtchen der Barmherzigkeit” bezeichnet. Bis 1939 bildeten dort 26 Gebäude einen Komplex von einem Ausmaß, das im gesamten damaligen Europa seinesgleichen suchte. Dieser Entwicklung setzte der Krieg natürlich ein Ende.

Die ehemalige Heil- und Pflegeanstalt in Branitz heute
Foto: Ralf Lotys/Wikimedia Commons

Bischof kehrt nach Hause zurück
Traurig war das Lebensende von Joseph Martin Nathan. Im September 1945 wurde er von Erzbischof August Hlond  seines Amtes enthoben und ein Jahr später von polnischen Behörden ausgewiesen. Dabei stand er während der nationalsozialistischen Zeit immer seinen Patienten bei. Um möglichst viele der ihm anvertrauten Kranken vor den Krankenmorden zu retten, entließ er sie nach Hause. Am 1. April 1945 mussten alle gehfähigen Kranken die Anstalt verlassen. Insgesamt 600 Kranke und Schwestern verließen Branitz in Begleitung von Joseph Martin Nathan, der aber gleich danach zurückgekehrt ist, um sein Lebenswerk zu retten. Von Erzbischof Hlond verbannt, starb Nathan einige Wochen später in Troppau am 30. Januar 1947. Dort wurde er auf dem kommunalen Friedhof beigesetzt.
Erst nach seinem Tod kehrte Bischof Nathan nach Hause zurück. Noch zu Lebenszeiten wünsche er sich in Branitz begraben zu sein. 2014 wurden seine Überreste dorthin überführt. Am 8. November 2014 wurde der im Jahr 1943 zum Bischof geweihte Nathan in der Branitzer Kirche zur Heiligen Familie, einem Gotteshaus, das er selbst hatte errichten lassen, beigesetzt. Das Branitzer Krankenhaus trägt heute seinen Namen.

 

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